Essay aus dem Jahr 2004 im Fachbereich Germanistik - Neuere Deutsche Literatur, Note: 1,7, Freie Universität Berlin (Institut für Deutsche und Niederländische Philologie), Veranstaltung: Georg Büchner, Sprache: Deutsch, Abstract: „Am [2.] Juni 1821, ½ 10 Uhr abends, sticht der arbeitslose Friseur Johann Christian Woyzeck, 41 Jahre alt, in einem Hausflur der Sandgasse in Leipzig die 46jährige Witwe Johanna Christiane Woost nieder.“ Diese Zeilen stammen aus den so genannten Clarus-Gutachten, welche Georg Büchner als Vorlage für sein Dramenfragment „Woyzeck“ dienten. Hinsichtlich Stoff- und Motivwahl orientierte sich Büchner neben dem „Fall Woyzeck“ noch an zwei weiteren historischen Fällen. Sie ähneln sich insofern, dass in allen drei Fällen ein Mann niederen soziales Status seine Geliebte mit einem Messer ermordete. Auch wurde nach der Tat stets ein gerichtsärztliches Gutachten hinsichtlich der Zurechnungsfähigkeit des Täters eingefordert. Da der „Fall Woyzeck“ die Hauptquelle Büchners darstellt, wird sich diese Arbeit allerdings ausschließlich auf diesen und die damit zusammenhängenden Clarus-Gutachten konzentrieren. Dabei gilt es zu beachten, dass die Gutachten nicht nur als bloßes Quellenmaterial verstanden werden dürfen. Denn durch die Transformation der historischen Gestalt in seine Dramenfigur „Woyzeck“ wendet sich Büchner gezielt gegen die Darstellung in den Gutachten und übt so gleichzeitig Kritik. Wie diese Kritik im Einzelnen erfolgt, auf welche Weise Büchner durch Übernahme, vor allem aber durch Abwandlung, bestimmter Motive gegen die Clarus-Gutachten anschreibt, wird im Folgenden ausführlich untersucht. Zunächst aber soll eine kurze Gegenüberstellung von den historischen Gegebenheiten in den Clarus-Gutachten und Büchner’scher Woyzeck-Figur einen grundlegenden Überblick über die Materie ermöglichen.