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Sizilien, die magische Insel, ihre Literatur, ihre brodelnde politische Gegenwart – all das wird zum Thema in diesem dritten großen Italienbuch von Maike Albath, die mit Land, Literatur und Bewohnern vertraut ist wie nur wenige. Der Horizont reicht von Lampedusas Leopard, mit dem die Insel die Bühne der Weltliteratur betritt, über Leonardo Sciascia bis zu Andrea Camilleri und seinen international erfolgreichen Montalbano-Krimis. Ein verführerischer Streifzug durch die Geschichte, durch Landschaften und die Straßen von Palermo und Catania, wo sich bis heute eine kulturelle und literarische Vielfalt erhalten hat, die einmalig ist in Europa.…mehr

Produktbeschreibung
Sizilien, die magische Insel, ihre Literatur, ihre brodelnde politische Gegenwart – all das wird zum Thema in diesem dritten großen Italienbuch von Maike Albath, die mit Land, Literatur und Bewohnern vertraut ist wie nur wenige. Der Horizont reicht von Lampedusas Leopard, mit dem die Insel die Bühne der Weltliteratur betritt, über Leonardo Sciascia bis zu Andrea Camilleri und seinen international erfolgreichen Montalbano-Krimis. Ein verführerischer Streifzug durch die Geschichte, durch Landschaften und die Straßen von Palermo und Catania, wo sich bis heute eine kulturelle und literarische Vielfalt erhalten hat, die einmalig ist in Europa.
Autorenporträt
Maike Albath, geboren 1966 in Braunschweig, lebt in Berlin. Sie hat mehrere Jahre in Italien verbracht und ist eine der profiliertesten Kennerinnen der italienischen Gegenwartskultur. Für ihre Arbeit als Literaturkritikerin erhielt sie 2003 den Alfred-Kerr-Preis. 2010 erschien im Berenberg Verlag ihr Buch "Der Geist von Turin" und 2013 "Rom, Träume".
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.02.2020

Beim schönen Antonio
Jeder besticht, und alle treiben doppeltes Spiel: Maike Albath besichtigt Sizilien und seine Literatur

Sizilien ist ein Ort der radikalen Gegensätze, und auch die Bilder, die durch die deutsche Öffentlichkeit geistern, könnten widersprüchlicher kaum sein: Naturschönheit, Kulturschatz, beliebtes Reiseziel auf der einen Seite, rückständiger Süden, Raubbau, Ausbeutung, Armut und Mafia auf der anderen. Darüber gerät rasch in Vergessenheit, dass in literarischen Dingen Siziliens Lage erfreulich klar ist: Es ist ein Hort der Weltliteratur. Der größten Mittelmeerinsel verdanken wir das Sonett, und sie hat über die Zeit, besonders ab dem späten 19. Jahrhundert, mehr große Schriftsteller hervorgebracht als so mancher Nationalstaat. Giovanni Verga, Luigi Pirandello, Salvatore Quasimodo, Leonardo Sciascia, Giuseppe Tomasi di Lampedusa, Stefano D'Arrigo, Andrea Camilleri - schon die bekanntesten unter ihnen stellen einen beeindruckenden Trupp.

Es verwundert also kaum, dass Maike Albath sich nach Bänden zu Turin und Rom nun Sizilien zuwendet. Die Literaturkritikerin und Kulturjournalistin, Trägerin des Alfred-Kerr-Preises 2003, ist eine ausgewiesene Kennerin der italienischen Literatur und Kultur. Ihre Bücher zu literarischen Orten Italiens verfolgen einen originellen Ansatz, der Geistesgeschichte, Anschauung vor Ort, Zeitzeugengespräch und Werkanalyse geschickt verquickt. Es gibt allerdings auch deutliche Unterschiede in der Anlage der zunehmend dicker werdenden Werke. Während der Turin-Band über den Fokus des Einaudi-Verlags eine Gruppe von Schriftstellern und Intellektuellen der modernistischen italienischen Nachkriegszeit erschließt, ist "Trauer und Licht. Lampedusa, Sciascia, Camilleri und die Literatur Siziliens" breit angelegt: Er nimmt sich grosso modo die letzten 150 Jahre vor, Gemeinsamkeit stiftet nur der Genius Loci.

Albath privilegiert dabei die drei im Untertitel genannten Autoren. Zu den ersteren beiden befragt sie Texte und Zeitzeugen, Camilleri, der am 17. Juli 2019 verstorben ist, hat sie persönlich treffen können. Den Raubkatzenanteil ergattert naturgemäß Lampedusa (1896 bis 1957): Diese Entscheidung liegt nahe, schließlich ist sein Leben selbst romanesk, etwa die Liebe zu und Ehe mit Alexandra von Wolff-Stomersee, genannt Licy, lettische Baronesse und Psychoanalytikerin, oder die Veröffentlichungsgeschichte des "Leoparden"; Albath versteht es, einfühlsam und spannend zu berichten, Gioacchino Lanza Tomasi, Cousin und Adoptivsohn des Autors, liefert im Gespräch Hintergründe und Anekdoten.

Die Hinwendung zum Proust-Leser Lampedusa ist verständlich, weil er vergangener Größe nachtrauert - der des sizilianischen Adels, versteht sich - und damit der Melancholie einer ehemals reichen Region zur Sprache zu verhelfen scheint. Dazu setzt Leonardo Sciascia (1921 bis 1989) den Kontrapunkt. Zwar vertritt er eine Auffassung des Metiers, die dem Fürsten hätte gefallen können: "Und schließlich, was ist die Literatur schon anderes als eine riesige Sammlung von Bösartigkeiten?" Allerdings idealisiert Sciascia nicht die Vergangenheit, sondern zeigt politische Prozesse auf, welche auch die Gegenwart prägen, die Spuren jener Sizilianität, die Albath wie folgt resümiert: "Ein jeder versteht sich auf Bestechung und alle treiben doppeltes Spiel." Sciascia geht es darum, eine "gegenläufige Geschichtsschreibung" zu betreiben, die den parteiübergreifenden Klüngel enttarnt.

Wir wären also beim Thema Mafia, dem Hauptproblem der Weltgegend. Albaths Argumentationsgang markiert abermals eine Gegenposition. Sciascias Suche nach einem sizilianischen Wesen lässt ihn historische Prozesse und Chancen unterschätzen - das zeigt seine Kritik am sogenannten Maxi-Prozess der achtziger Jahre, in dem Giovanni Falcone und Paolo Borsellino Hunderte Mafiosi anklagten. Der Schriftsteller beschuldigte die Richter, selbst die Macht an sich reißen zu wollen, und wollte reale Chancen der Veränderung nicht erkennen. "Trauer und Licht" schließt elegant mit Andrea Camilleri (1925 bis 2019), der sich an demselben Phänomen abgearbeitet hat, in den Krimis um seinen Kommissar Montalbano, aus denen aller Institutionenkritik zum Trotz ein gewisses Vertrauen in den Staat spricht.

Alle drei Autoren stellen die Frage nach der Veränderung und Veränderbarkeit sizilianischer Verhältnisse. Sie eint, dass sie historische Romane verfasst haben: Albath widmet Sciascias "Das ägyptische Konzil" (1963) erhellende Zeilen und sieht zu Recht die Meriten von Camilleris historischen Werken. Gemein ist dem Trio weiterhin der leichthändige, ja mitunter farcenhafte Zugriff auf die Geschichte. Albath stiftet weitere Schnittstellen, indem sie sich Literatur gern über Verfilmungen nähert.

Entstanden ist so ein runder Band, reich, elegant geschrieben, eine sinnvolle Kombination aus kanonischem Wissen und eigenen Recherchen, aus Reflexion und Anekdote. Er erhellt kulturelle Hintergründe und Muster, wie jenes der mediterranen Mutter und der daraus folgenden ambivalenten Männerrolle, wie sie "Der schöne Antonio" (1949) von Vitaliano Brancati exemplarisch verkörpert.

Vor diesem Hintergrund ist jeder Einwand relativ, selbst wenn er so Grundsätzliches wie die Anlage betrifft. Der Schwerpunkt auf Lampedusa - zählt man die Darstellung von Viscontis "Leopard"-Verfilmung hinzu, nähert sich sein Anteil der Hälfte - ist zu hinterfragen: So spannend Leben und Werk sind, sie privilegieren einen Blick auf Sizilien, den bereits das süffig-sepiafarbene Umschlagbild und der Titel andeuten. Andere, sperrigere Autoren werden an den Rand gedrängt. Zu Quasimodo wird wenig gesagt, hermetische Lyrik lässt sich weniger gut erzählen; aber auch Verga und D'Arrigo, Autor des Ungetüms "Horcynus Orca" (1975), kommen zu knapp, Letzterer teilt sich ein Kapitel mit der Fotografin Letizia Battaglia und der Verlegerin Elvira Sellerio. Vor allem Pirandello hätte einen anderen Platz verdient: Dafür sprechen sein Rang als Begründer der italienischen Moderne in Roman und Drama, seine Bedeutung für die Debatte um Sizilianität und seine Stellung im personellen Geflecht (sogar mit Camilleri ist er verwandt).

Schließlich führt der Weitwinkel auf eine ganze Region dazu, dass nach dem Typischen gesucht wird - ein Vorgehen, das sich in den Kulturwissenschaften großer Beliebtheit erfreut, aber riskiert, sehr unterschiedliche Werke und Autoren über einen Kamm zu scheren. Das alles sind freilich auch insofern relative Kritikpunkte, als Albath sie oft vorwegnimmt, reflektiert, mitunter entkräftet. Denn das ist die letzte große Qualität dieses schönen Buches: eine kluge Autorin, die untergründig ein stummes und anregendes Zwiegespräch mit ihrem Leser führt.

NIKLAS BENDER

Maike Albath: "Trauer und Licht". Lampedusa, Sciascia, Camilleri und die Literatur Siziliens.

Berenberg Verlag, Berlin 2019. 352 S., geb., 25,- [Euro].

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