Studienarbeit aus dem Jahr 2020 im Fachbereich Germanistik - Neuere Deutsche Literatur, Note: 5,5 (Schweiz), Universität Bern (Institut für Germanistik), Veranstaltung: Vergewaltigungslektüren: Sexualisierte Gewalt in der Literatur, Sprache: Deutsch, Abstract: Die Untersuchung beleuchtet die literarischen und psychopathologischen Dimensionen des Tagebuchs "Eine Frau in Berlin", das als bedeutendes Selbstzeugnis der Massenvergewaltigungen durch die Rote Armee am Ende des Zweiten Weltkriegs gilt. Das Werk, verfasst von der anonymen Autorin, wurde zu einem integralen Bestandteil der deutschen Erinnerungskultur und zeichnet ein erschütterndes Bild von sexualisierter Gewalt und deren psychischen Folgen. Im Fokus der Analyse stehen die Darstellungen von Gewalt und die daraus resultierende psychotraumatologische Symptomatik, die die Autorin eigenanamnestisch schildert. Anonyma beschreibt eine Vielzahl an Symptomen, die sich in vier Hauptkategorien einteilen lassen: emotionale Abgestumpftheit, dissoziatives Verhalten, psychosomatische Beschwerden und sekundäre Symptome wie Depression und Angst. Die Arbeit untersucht zudem die Bewältigungsstrategien der Autorin, darunter die Schreibtherapie und die Nutzung von Galgenhumor, die heute in der Traumatherapie von Bedeutung sind. Wichtige Forschungsfragen sind: Welche textinternen Sequenzen korrelieren mit der Traumasymptomatik? Wie stellt Anonyma ihr Trauma narrativ dar und wie bewältigt sie es durch diesen Prozess? Welche Rolle spielt der galgenhumoristische Erzählgestus bei der Traumabewältigung? Wie strukturiert Anonyma die chaotischen Ereignisse in Berlin? Wie erfolgreich sind die von ihr eingesetzten Bewältigungsstrategien? Die literaturwissenschaftliche Forschung hat Anonymas Tagebuch bisher vor allem im Spannungsfeld zwischen authentischem Zeitzeugnis und literarisiertem Bericht, unter narratologischen Gesichtspunkten und hinsichtlich der filmischen Adaptation von 2008 untersucht. Diese Arbeit erweitert den Diskurs durch die Einbeziehung moderner psychotraumatologischer Erkenntnisse. Die Hauptthese dieser Studie lautet: Anonyma entwickelt aufgrund der wiederholten sexualisierten Gewalterfahrungen eine starke Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS). Durch den Einsatz schreibtherapeutischer, psycholinguistischer und heuristischer Strategien versucht sie, dieses Trauma zu bewältigen und in ein kohärentes Narrativ zu integrieren.
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