Studienarbeit aus dem Jahr 2010 im Fachbereich Romanistik - Vergleichende Romanistik, Freie Universität Berlin, Veranstaltung: Die "Divina Commedia" und ihre literaris, Sprache: Deutsch, Abstract: >>Da ist keine Sprache, da sind keine Worte, mit deren Hilfe Du das Unsagbare sagen, das Unbegreifliche erklären könntest. Kein Sprachgewand, das über das Skelett Deiner Erfahrungen geworfen werden könnte. Keine Buchstaben für den Schrei. […] und solltest du auch mit Engels- und Teufelszungen reden, es würde kaum nützen, […] die Menschen wollen nicht hören.1<< Im Februar 1944 wird Primo Levi nach Auschwitz deportiert. Erst im Herbst 1945, nach dem die Überlebenden des bereits zerbombten Lagers von den Russen befreit werden, kann er die Heimkehr nach Italien antreten. Sein Drang das Erlebte aufzuschreiben und zu bezeugen, ist so stark, dass er sogar auf den Rückseiten von Zugtickets oder Papierschnipseln Erinnerungsblitze notiert.2 Innerhalb von zehn Monaten verleiht Primo Levi dem Schrecken seiner KZErfahrungen Ausdruck in Se questo è un uomo.3 Dass die Erstausgabe nach langem Hin und Her den Titel Shemà, was dem Hebräischen für Ascolta! entspricht und Teil des hebräischen Glaubensbekenntnis ist4, erhalten hat5, symbolisiert bereits den Kernpunkt der hier zu besprechenden Thematik, denn dieser Titel zeigt, ebenso wie der bereits erwähnte Drang zu schreiben, einen wichtigen Aspekt der KZ-Erfahrung auf: Traumatische Erfahrungen drängen darauf, erzählt zu werden, denn nur im Akt der narrativen Wiedergabe, die ihrerseits einen Zuhörer bzw. einen Leser voraussetzt, kann das Erlebte in die narrative Erinnerungsstruktur integriert werden und damit auch gleichzeitig eine Erinnerungskultur begründen. Dies wiederum stellt die Grundvoraussetzung dar, die es benötigt, um traumatische Erlebnisse zu verarbeiten. Es ist also die Selbstheilungsfähigkeit des Organismus, welcher den Erzähldrang begründet. == 1 Edvardson, Cordelia, Für Primo Levi, S. 369-373, in: Levi, Primo, Ist das ein Mensch? Carl Hanser Verlag, München und Wien, 1988, S. 369. 2 Thomson, Ian, Writing If This Is a Man, S. 141- 160, in: Farrell, Joseph (Hg.), Primo Levi, Peter Lang, Oxford, Bern, u.a., 2004, S. 142. 3 1947 erstmals bei De Silva unter der Herausgabe Franco Antonicellis erschienen. 4 In Levis einleitendem Gedicht Se questo è un uomo wird das hebräische Shemà intertextuell aufgerufen. 5 Vgl. De Luca, Vania, Tra Giobbe e i buchi neri, Istituto Grafico Editoriale Italiano, Neapel, 1991, S. 18.