Tristan hätte Isolde nicht lieben dürfen und Isolde nicht Tristan, denn sie war von König Marke auserwählt. Nur deshalb, so vermutet Rosemary Sutcliff, fügten die höfisch-mittelalterlichen Erzähler das Motiv des von beiden versehentlich genossenen Liebestranks ein. Sie greift auf das alte - wilde, dunklere - keltische Original zurück und erzählt in wunderbarer Weise, wie sich die tiefe Liebe zwischen der irischen Königstochter Yseult und dem kornischen Helden Tristan entwickelt.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.05.2017Harfensang am Feuer
Rosemary Sutcliffs Tristan braucht keinen Liebestrank
Spätestens seit "Romeo und Julia" kennt man die Geschichte von der zerstörerischen Liebe, der Bereitschaft, große Opfer zu bringen, die letztlich in den Tod führt. Doch Shakespeares Liebestragödie ist natürlich nicht die erste, in der die Liebe zweier Menschen großes Leid hervorbringt. Man denke an Helena und Paris in der Antike oder im Mittelalter an Tristan und Iseult, besser bekannt als Tristan und Isolde.
Die englische Autorin Rosemary Sutcliff, geboren 1920 in Südengland, ausgebildet als Miniaturmalerin und seit der Nachkriegszeit immens erfolgreich als Autorin historischer Romane, deren Stoff sie mit Vorliebe aus der englischen Geschichte schöpfte ("Der Adler der neunten Legion"), kleidete die Sage um den harfenspielkundigen Tristan und die schöne Iseult 1971 in ein neues Gewand.
Für ihren Roman "Tristans Liebe", der nun in einer neuen deutschen Ausgabe vorliegt, griff die Autorin auf die Ursprünge des Stoffs zurück: eine keltische Legende, vorgetragen von Harfenspielern am Feuer. Die seit dem Mittelalter mehrfach schriftlich verfasste Geschichte um das junge Paar, dessen Liebe auf einem Zaubertrank beruht, wandelt die Schriftstellerin um einen entscheidenden Faktor ab: Der alles auslösende Liebestrank existiert in ihrer Variante nicht. Sie nennt im Vorwort auch einen plausiblen Grund dafür: die Ähnlichkeit des Tristan-Stoffs mit zwei anderen keltischen Liebesgeschichten, "Diarmid und Grania" und "Deidra und die Söhne Usnas". In keiner dieser beiden Erzählungen gibt es einen Liebestrank. Sutcliffs Argument aus dem Vorwort, man habe im Mittelalter einen Zaubertrank als "entschuldigende Begründung" hinzugefügt, erscheint vor dem Hintergrund der ansonsten so streng eingehaltenen höfischen Tugenden wie beispielsweise Vasallentreue überzeugend. Die Nacherzählung des tradierten Sagenstoffs verliert dabei entgegen jeder Skepsis kein wichtiges Motiv, sondern gewinnt an Glaubwürdigkeit gerade für junge Leser.
Die Handlung um das Liebespaar, das sich immer wieder trennt und wiederfindet, wird von einer archaisierenden Sprache begleitet, ohne die Figurenrede allzu aufgesetzt oder umständlich wirken zu lassen. Ausschweifende Beschreibungen, wie man sie aus dem höfischen Roman gewohnt ist, entfallen zugunsten der Handlung. Trotzdem zeichnet Sutcliff ein klares Bild der charakteristischen Küstenlandschaft Südenglands, deren Fauna sie als Motiv mit anderen Motiven und Symbolen verwebt. So sind es Nussgewächse, die die Figur des Tristan repräsentieren, und der Geißblattstrauch, der für Iseult steht. Einzig das späte Aufeinandertreffen Tristans und Iseults nach erst ungefähr einem Viertel der Erzählung könnte ungeduldige Leser der ansonsten kurzweiligen und leichten Nacherzählung auf die Probe stellen.
VERONIKA HOCK
Rosemary Sutcliff: "Tristans Liebe". Roman.
Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 2017. 146 S., br., 10,- [Euro]. Ab 13 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Rosemary Sutcliffs Tristan braucht keinen Liebestrank
Spätestens seit "Romeo und Julia" kennt man die Geschichte von der zerstörerischen Liebe, der Bereitschaft, große Opfer zu bringen, die letztlich in den Tod führt. Doch Shakespeares Liebestragödie ist natürlich nicht die erste, in der die Liebe zweier Menschen großes Leid hervorbringt. Man denke an Helena und Paris in der Antike oder im Mittelalter an Tristan und Iseult, besser bekannt als Tristan und Isolde.
Die englische Autorin Rosemary Sutcliff, geboren 1920 in Südengland, ausgebildet als Miniaturmalerin und seit der Nachkriegszeit immens erfolgreich als Autorin historischer Romane, deren Stoff sie mit Vorliebe aus der englischen Geschichte schöpfte ("Der Adler der neunten Legion"), kleidete die Sage um den harfenspielkundigen Tristan und die schöne Iseult 1971 in ein neues Gewand.
Für ihren Roman "Tristans Liebe", der nun in einer neuen deutschen Ausgabe vorliegt, griff die Autorin auf die Ursprünge des Stoffs zurück: eine keltische Legende, vorgetragen von Harfenspielern am Feuer. Die seit dem Mittelalter mehrfach schriftlich verfasste Geschichte um das junge Paar, dessen Liebe auf einem Zaubertrank beruht, wandelt die Schriftstellerin um einen entscheidenden Faktor ab: Der alles auslösende Liebestrank existiert in ihrer Variante nicht. Sie nennt im Vorwort auch einen plausiblen Grund dafür: die Ähnlichkeit des Tristan-Stoffs mit zwei anderen keltischen Liebesgeschichten, "Diarmid und Grania" und "Deidra und die Söhne Usnas". In keiner dieser beiden Erzählungen gibt es einen Liebestrank. Sutcliffs Argument aus dem Vorwort, man habe im Mittelalter einen Zaubertrank als "entschuldigende Begründung" hinzugefügt, erscheint vor dem Hintergrund der ansonsten so streng eingehaltenen höfischen Tugenden wie beispielsweise Vasallentreue überzeugend. Die Nacherzählung des tradierten Sagenstoffs verliert dabei entgegen jeder Skepsis kein wichtiges Motiv, sondern gewinnt an Glaubwürdigkeit gerade für junge Leser.
Die Handlung um das Liebespaar, das sich immer wieder trennt und wiederfindet, wird von einer archaisierenden Sprache begleitet, ohne die Figurenrede allzu aufgesetzt oder umständlich wirken zu lassen. Ausschweifende Beschreibungen, wie man sie aus dem höfischen Roman gewohnt ist, entfallen zugunsten der Handlung. Trotzdem zeichnet Sutcliff ein klares Bild der charakteristischen Küstenlandschaft Südenglands, deren Fauna sie als Motiv mit anderen Motiven und Symbolen verwebt. So sind es Nussgewächse, die die Figur des Tristan repräsentieren, und der Geißblattstrauch, der für Iseult steht. Einzig das späte Aufeinandertreffen Tristans und Iseults nach erst ungefähr einem Viertel der Erzählung könnte ungeduldige Leser der ansonsten kurzweiligen und leichten Nacherzählung auf die Probe stellen.
VERONIKA HOCK
Rosemary Sutcliff: "Tristans Liebe". Roman.
Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 2017. 146 S., br., 10,- [Euro]. Ab 13 J.
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