Leni Behrendt nimmt längst den Rang eines Klassikers der Gegenwart ein. Mit großem Einfühlungsvermögen charakterisiert sie Land und Leute. Über allem steht die Liebe. Leni Behrendt entwickelt Frauenschicksale, wie sie eindrucksvoller nicht gestaltet werden können. Die Dame, die in einem Badeort an der Riviera gemächlich die schattige Promenade entlang spazierte, schrak zusammen, als sich von rückwärts ein Arm unter den ihren schob. Herumfahrend sah sie in ein strahlendes Mädchengesicht, und eine lachende Stimme sprach: »Tante Linda, du hast schon mal schlauer ausgesehen.« »Kann ich mir denken«, kam es gleichfalls lachend zurück. »Moment mal – so langsam beginnt es in meinem vor Schreck gelähmten Hirn zu tagen. Solltest du etwa Donata Hoog sein?« »Bin ich.« »Na, so was.« Sie besah sich kopfschüttelnd ihr reizendes Gegenüber. »Ausgerechnet hier müssen wir uns begegnen, nachdem wir seit dem Tod deiner Mutter nichts mehr voneinander hörten. Warum hast du dich auf meinen Brief nicht gemeldet, du böses Kind?« »Weil wir damals gerade im Umzug begriffen waren und der Brief in dem Wirrwarr verlorenging, bevor ich ihn gelesen hatte.« »Was war das denn für ein Umzug?« »Werde ich dir gleich erklären. Doch da es mit wenigen Worten nicht gesagt ist, setzen wir uns auf diese Bank – das heißt, wenn du willst.« »Natürlich will ich. Komm schon.« Als man Platz genommen hatte, musterte die Ältere ihre Nachbarin eingehend und sagte dann gedehnt: »Hübsch warst du ja schon immer, Dodo – aber jetzt bist du…« »Genier dich nicht«, lachte das Mädchen, als die Tante vielsagend innehielt.