Die moderne Debatte um Bedeutung und Anliegen des Begriffs "Sari¿a" ging seit Beginn des 20. Jahrhundert mit der Frage nach Beständigkeit, Allgemeingültigkeit und Wandelbarkeit koranischer Moralnormativität einher. Während sich eine Vielzahl unsystematischer populärwissenschaftlicher Erklärungsansätze mit der vermeintlichen Krise islamischer Moralität beschäftigten, blieb der theologisch-akademische Diskurs zu den grundliegenden zeitgenössischen Fragen islamischer Ethik weitgehend unterentwickelt, mit der Begründung, er sei angesichts der Bildungsferne des muslimischen Empfängers nicht kommunikabel. Und bis heute findet man kaum Studien, die sich ideengeschichtlich und epistemologisch mit Blick auf die ganze Bedeutungstiefe islamisch-ethischer Begriffe und den Wandel des normativen Konzepts der "Sari¿a" in den unterschiedlichen Epochen der islamischen Geistesgeschichte befassen. Ausgehend von einer erkenntnistheoretischen Auseinandersetzung mit der Ethiktheorie der sogenannten "maqa¿id", die die Ziele der "Sari¿a" bzw. die Intentionen des Gesetzgebers zum Gegenstand hat, unternimmt Mohammed Nekroumi einen Rekonstruktionsversuch zur Verhältnisbestimmung zwischen islamischer Moralität und Ethikfragen der Moderne wie Gewissen, Freiheit, Verantwortlichkeit, Tugend oder Glückseligkeit. Im Mittelpunkt der theologisch-hermeneutischen Reflexion steht dabei das Werk des andalusischen Universalgelehrten Abu Is¿aq Ibrahim ibn Musa aS-satibi (gest. 790/1388), das die Blütezeit und die epistemologische Reife der islamischen theologischen Ethik kennzeichnet.
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