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Vor achtzig Jahren brannten Bücher: Erich Kästner war dabei, als sein Roman "Fabian" ins Feuer geworfen wurde
Geplanter Höhepunkt der heute vor achtzig Jahren durchgeführten nationalsozialistischen Aktion gegen den "undeutschen Geist" war das Autodafé auf dem Berliner Opernplatz. Unter den Beschwörungen des Studentenführers Herbert Gutjahr sowie Joseph Goebbels', der im Anschluss an die Bücherverbrennung vom 10. Mai 1933 gleich einen neuen Menschen verkündigte - einen "Menschen des Buches" und einen des "Charakters" -, wurden Werke von insgesamt vierundneunzig als "zersetzend" eingestuften Autoren dem Feuer "übergeben", wie es damals hieß.
Das Feuer hatte eine eifrige Studentenschaft unter Anleitung der neuen Reichsführung entfacht - nicht ohne zuvor Erkundigungen über seine möglichen Auswirkungen aufs örtliche Kopfsteinpflaster einzuholen. Mit ein bisschen Sand unterlegt, so die Unbedenklichkeitserklärung einer Pyrotechnikfirma, sollte keine Gefahr für den Bodenbelag bestehen. Die Vorbereitungen liefen glatt. In einem Tagebucheintrag am 11. Mai schreibt Goebbels: "Am späten Abend Rede Opernplatz. Vor dem Scheiterhaufen der von Studenten entbrannten Schmutz- und Schundbücher. Ich bin in bester Form. Riesenauflauf."
Tatsächlich waren um die siebzigtausend Menschen gekommen. Bei Youtube finden sich heute Aufnahmen der Goebbels-Rede sowie Ausschnitte von der Bücherverbrennung selbst. Und wie immer, wenn es um den Gewaltapparat der Nationalsozialisten geht, ist man entsetzt über die Mischung aus ritualisiertem Wahn (Rede vom Ausmerzen "undeutscher" Ideen) und dem bürokratischen Anschein seiner Durchführung (bis hin zur pyrotechnischen Beratung).
Die Werke von Heinrich Heine, Sigmund Freud, Karl Marx, Kurt Tucholsky und andere Autoren standen 1933 in Flammen. Erich Kästner, der anwesend war, während sein Roman "Fabian" ins Feuer geworfen wurde, hat nach dem Krieg mehrfach öffentlich von den Abläufen berichtet. Ein kleines Büchlein aus Erich Kästners Stammhaus, dem Schweizer Atrium-Verlag, versammelt nun vier dieser Berichte. Über den eifernden Goebbels heißt es 1953: "Hier rächte sich ein durchgefallener Literat an der Literatur. Hier beseitigte ein durchtriebener Politiker für viele Jahre jede intellektuelle Opposition. Die List und der Witz der Geschichte war, dass die ,zersetzenden Intellektbestien', die diesen Handlangern des Untergangs im Wege waren, ausgerechnet von dem einzigen ,Intellektuellen' beseitigt wurden, den sie in ihren eigenen Reihen aufzuweisen hatten." Die Ambivalenz der nationalsozialistischen Kulturpolitik hat vor drei Jahren Christian Adam in seiner Studie "Lesen unter Hitler" präzise herausgearbeitet. Erich Kästner bringt die Koexistenz von Geist und Barbarei sowie die Verlogenheit der Propaganda bezüglich des Verfemten und des angeblich Zersetzenden auf einen Begriff: ",Die Lüge hat ein kurzes Bein', hieß es schon damals."
Doch Kästner stellt die Ereignisse vor achtzig Jahren auch in einen größeren Zusammenhang. Er erinnert uns an die Bücherverbrennungen unter Cromwell, Calvin, Cortés. 1965 wurde er selbst Opfer eines abermaligen Autodafés. Eine radikale Christengruppe hatte in den Düsseldorfer Rheinauen Bücher von ihm, Grass, Camus, Sagan und Nabokov verbrannt - nachdem die Polizei zuvor die Gefahr durch "Funkenflug" geprüft und verworfen hatte. Niemandem schien die Parallele zu 1933 aufzufallen. Als kürzlich der Künstler Martin Zet zu einer kollektiven "Re-cycling"-Aktion des Sarrazin-Bestsellers "Deutschland schafft sich ab" aufrief, regte sich hingegen kollektiver Widerstand. Die Sache wurde abgeblasen. Manchmal ist der Bürgersinn eben doch ein scharfer Hund.
Die wichtigste Lehre, die man aus Kästners Schilderungen heute zieht, ist so auch folgende: "Drohende Diktaturen lassen sich nur bekämpfen, ehe sie die Macht übernommen haben. Es ist eine Angelegenheit des Terminkalenders, nicht des Heroismus."
KATHARINA TEUTSCH
Erich Kästner: "Über das Verbrennen von Büchern". Atrium Verlag, Zürich 2013. 49 S., geb., 10,- [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
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