Das Buch beschreibt Schmerz als kulturelle Konstruktion, als Gemeinplatz der modernen Identitäts(-er)findung. Die Möglichkeit intensiver Schmerzerfahrung gilt als Privileg des Menschen. Dieses Privileg wird gerade bei chronischen Schmerzen zu einem Fluch. Neue Therapien schlagen deshalb vor, den ,eigenen Schmerz verstehen zu lernen', um damit alternative Wege der Heilung zu beschreiten. Untersucht werden deshalb zunächst die Zusammenhänge zwischen den zentralen Begriffen der hermeneutischen Theorie und den Metaphern der Schmerzkommunikation. Dabei wird deutlich, dass Schlüsselbegriffe wie ,Intensität' und grundlegende, die Beschreibung lenkende Unterscheidungen wie ,Oberfläche und Tiefe' oder ,das Ganze und die Tiefe' nicht auf diese Bereiche zu begrenzen sind, sondern ganz unterschiedliche Theorien und Disziplinen vorstrukturieren. Schmerz kann also als Präzedenzfall in einer von der Hermeneutik hervorgebrachten Begriffskette analysiert werden. Die Reihe der analysierten prekären Begriffe und Konzepte reicht dabei von Winckelmanns Kunst-Emphase in der Mitte des 18. Jahrhunderts und Nietzsches ,Lob der Oberflächlichkeit' bis zu Carl Schmitts Konzept einer intensiven Politik und der modernen Therapieszene. Das Gemeinplätzige des Schmerzes entpuppt sich als produktives Untersuchungsfeld einer Archäologie der Moderne.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.07.1999Ein anderes Gefühl von Schmerz
Er macht den seelentiefen Dichter und den psychologisch wachen Philosophen: Heiko Christians spürt einem Gemeinplatz des heroischen Individualismus nach
Schmerzen wären gar nicht so schlimm, schreibt der englische Romanautor Martin Amis in "Die Anderen", wenn sie nicht manchmal so weh täten. Und an anderer Stelle, noch knapper: "Das Problem beim Schmerz ist, daß er weh tut". Das ist absolut treffend gesagt und läuft auf die Pointe zu, daß begriffliche Definitionen auch komisch sein können. Als Faustregel solcher Bestimmungskunst bietet sich an: was an formaler Genauigkeit zu gewinnen ist, muß auf der Inhaltsseite verloren gegeben werden.
Theoretiker pflegen in derartigen Fällen von Tautologien zu sprechen: Schmerz - das ist halt, wenn es weh tut. Nun sind allerdings Erfahrungsbereiche denkbar, wo diese Art der Darstellung nicht nur nicht unbefriedigend, sondern statthaft, ja sogar zweckmäßig erscheint. Besonders ist dies da zu erwarten, wo die Sprachnot Teil des Syndroms ist. Schmerzen sind in diesem Sinne referenzlos und unteilbar, sie bleiben ganz und gar auf den konzentriert, der sie hat. Aus dieser Qualität der Ausschließlichkeit schöpft die bedeutungsgeschichtliche Darstellung des Schmerzes, die Heiko Christians jetzt vorgelegt hat, ihren theoretischen Reiz. Der Schmerz, dem kein Wort, keine Beschreibung und keine Abstraktion gerecht zu werden vermag, ist das Elementare, das Bezuglose und Unsagbare schlechthin: "Der Schmerz ist der Schmerz."
Christians zieht den Satz aus Wolfgang Sofskys vor drei Jahren erschienenem "Traktat über die Gewalt", um ihn dem Gefüge moderner Schmerzdiskurse einzugliedern. Charakteristisch ist demnach eine auffällige Ambivalenz. Ist der Schmerz einerseits überwältigend und absolut, so vereinzelt er nach der anderen Seite hin das Individuum, das sich an ihm als seiner ureigenen, seiner persönlichen Herausforderung zu bewähren hat. Ein Tagebucheintrag Franz Kafkas aus dem Februar 1922 findet im Schmerz eine Wahrheit, die unwidersprechlich sei; um so merkwürdiger, so Kafka weiter, "daß nicht der Gott des Schmerzes der Hauptgott der ersten Religion war, sondern vielleicht erst der späteren".
Was die von Kafka zitierten Problemfelder verbindet, sind die Herausforderungen der Darstellung. Wie die Gegenstände des Glaubens ist auch der Schmerz unmittelbar und vorbegrifflich. Dementsprechend ist seine Rhetorik metaphorisch und reich an Projektionen. Christians' Abhandlung erzählt die Geschichte dieser Verlegenheit und der Versuche ihrer Bewältigung. Die Kölner Dissertation untersucht die "semantischen Felder", die speziellen Beglaubigungsrituale und Evidenzstiftungen, die für dieses Thema bezeichnend sind. Bezweckt ist weniger eine Begriffsgeschichte als eine Topik, die ihren Gegenstand als Präparat von Darstellungskonventionen, Denkmustern und "Gemeinplätzen" erfaßt.
Die Pointe der Versuchsanordnung ist eine Verschiebung, die kaum von Dingen, von Empfindungen und Erfahrungen handelt, um so ausführlicher aber davon, wie sie zur Sprache kommen. Im Falle des Schmerzes führt diese Aufmerksamkeitserweiterung rasch zu griffigen Formeln. Mit zunehmender Deutlichkeit, so Christians' grundlegende These, tritt die Rede vom Schmerz als Ausdruck der Suche nach Unmittelbarkeit und Authentizität hervor. Eine auffällige Schwelle markiert auch in dieser Bedeutungsgeschichte das achtzehnte Jahrhundert: "Ich fühle mich!" - so persifliert Herder die Cogito-Formel von Descartes - "Ich bin!"
Wie Christians darlegt, durchläuft die historische Semantik des Schmerzes in den westlichen Kulturen eine weit ausholende Spiralbewegung. Anfangs ist der Schmerz anonym. Daß jemand sich den Schmerz ausdrücklich als den seinen zurechnet, ist eher ungewöhnlich. Der Schmerz wird als Minderung eines allgemeinen Harmoniezustandes begriffen, der überindividuell ist - eine Vorstellung, die in den "Krankheitsbildern" der Neuzeit noch fortlebt. Bereits Augustinus schafft jedoch die Voraussetzungen für die späteren Individualisierungstendenzen, in dem er den Seelenschmerz aufwertet, und es ist Montaigne, der, nach einer nochmaligen Verschiebung der Akzente, die Authentizität des körperlichen Schmerzes, die Vergewisserung des individuellen Daseins und die Verschriftlichung des gelebten Lebens erstmals erfolgreich zusammenzieht. Wie selbstverständlich die Anerkennung des körperlichen Leidens hier schon geworden ist, zeigt das Kopfschütteln des Moralisten angesichts der Abstraktionen der Weltweisen: "Warum schweigt die Philosophie, die auf das wesentliche und auf die Wirkungen sieht, Bey diesen grausamen Anblicken still?"
Die Aufklärer entdecken das Thema für die Psychologie und rücken es neben die Empfindsamkeit. Der Schmerz, der jetzt immer auch Seelenschmerz ist, macht schließlich sogar den Dichter. Damit ist eine Neubestimmung vorgenommen, die - so Hebbel in einer kühnen Spekulation über "die Philosophie des Schmerzes" - das Leid und die Leidensfähigkeit zur Voraussetzung einer gesteigerten, einer "neuen" Gesundheit erhebt. Nietzsche kann hier anknüpfen und endgültig den Schmerz als die Herausforderung des Menschen bezeichnen, der zu kämpfen gelernt hat. Die für Nietzsche charakteristische Synthese aus Metaphysik und Physiologie stilisiert den Schmerz als Auszeichnung, die nach Ausnahmefiguren verlangt, nach Individuen, die etwas aushalten und an ihren Selbstprüfungen wachsen.
Die Helden des Schmerzes, heißen sie nun Ernst Jünger oder Carl Schmitt, Monsieur Teste oder Professor Kien, wissen sich von dieser Idee inspiriert. Der junge Thomas Mann beschwört die "Schmerzfähigkeit" als Tugend einer kulturkritischen Verschärfung, die sich in den Zeiten der Abstumpfung und "Anästhetisierung" auf das kalte Beobachten verlegt, "blitzschnell und mit einer schmerzlichen Bosheit", dabei jede Einzelheit gewahrend, "die im literaischen Sinne charakteristisch ist, typisch bedeutsam ist".
Hier, in der nietzscheanischen "Cultur der Ausnahme", wird der Schmerz wieder anonym. Er dient als Projektionsfläche, die der heroischen Individualität den Vorwand für ihre Bewährungsrituale liefert. Zugleich fingiert er eine Unmittelbarkeit, die - dies zu erweisen ist Christians' besonderes Anliegen - den konventionellen Charakter, das "Gemeinplätzige und Verbrauchte" solcher Kommunikation ebenso subtil wie erfolgreich überspielt. Spätestens die Literatur des zwanzigsten Jahrhunderts nimmt den Topos des Schmerzes als Redeanlaß, um einen Heroismus als authentisch herauszustellen, der in Wirklichkeit immer schon unzeitgemäß war.
Der ideologiekritische Befund ist deutlich, und niemand wird bestreiten, daß diese Bedeutungsgeschichte des Schmerzes reich dokumentiert und flott geschrieben ist. Dennoch wird man nicht recht froh damit. Denn je opulenter Christians seine Zeugnisse ausbreitet, desto rabiater greift er auch durch, um seine These zu sichern. Kurzerhand werden Fundstücke "leicht umformuliert", "zurückübersetzt" oder assoziativ montiert, und die ungezählten Gewährsleute marschieren gerade so kunterbunt auf, wie der Zettelkasten sie freigibt: Verklärungen soldatischer Härte, Opferberichte über die Tortur - alles irgendwie dasselbe, nämlich Ausdrucksgestalt eines im verborgenen drängenden, von Christians gern als "hermeneutisch" geschmähten Authentizitätsverlangens.
Solche Entdifferenzierung ist, um das mindeste zu sagen, unbefriedigend. Sie verschleudert beträchtliche Energien an ein allzu simples Fazit, und vor allem folgt sie jenem Muster, das Christians doch eigentlich zu destruieren wünscht: dem ",blow up' des isolierten Details", den holzschnittartigen Vergröberungen einer an singulären Bezügen nicht weiter interessierten Typologie.
RALF KONERSMANN
Heiko Christians: "Über den Schmerz". Eine Untersuchung von Gemeinplätzen. Akademie Verlag, Berlin 1999. 299 S., geb., 74,- DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Er macht den seelentiefen Dichter und den psychologisch wachen Philosophen: Heiko Christians spürt einem Gemeinplatz des heroischen Individualismus nach
Schmerzen wären gar nicht so schlimm, schreibt der englische Romanautor Martin Amis in "Die Anderen", wenn sie nicht manchmal so weh täten. Und an anderer Stelle, noch knapper: "Das Problem beim Schmerz ist, daß er weh tut". Das ist absolut treffend gesagt und läuft auf die Pointe zu, daß begriffliche Definitionen auch komisch sein können. Als Faustregel solcher Bestimmungskunst bietet sich an: was an formaler Genauigkeit zu gewinnen ist, muß auf der Inhaltsseite verloren gegeben werden.
Theoretiker pflegen in derartigen Fällen von Tautologien zu sprechen: Schmerz - das ist halt, wenn es weh tut. Nun sind allerdings Erfahrungsbereiche denkbar, wo diese Art der Darstellung nicht nur nicht unbefriedigend, sondern statthaft, ja sogar zweckmäßig erscheint. Besonders ist dies da zu erwarten, wo die Sprachnot Teil des Syndroms ist. Schmerzen sind in diesem Sinne referenzlos und unteilbar, sie bleiben ganz und gar auf den konzentriert, der sie hat. Aus dieser Qualität der Ausschließlichkeit schöpft die bedeutungsgeschichtliche Darstellung des Schmerzes, die Heiko Christians jetzt vorgelegt hat, ihren theoretischen Reiz. Der Schmerz, dem kein Wort, keine Beschreibung und keine Abstraktion gerecht zu werden vermag, ist das Elementare, das Bezuglose und Unsagbare schlechthin: "Der Schmerz ist der Schmerz."
Christians zieht den Satz aus Wolfgang Sofskys vor drei Jahren erschienenem "Traktat über die Gewalt", um ihn dem Gefüge moderner Schmerzdiskurse einzugliedern. Charakteristisch ist demnach eine auffällige Ambivalenz. Ist der Schmerz einerseits überwältigend und absolut, so vereinzelt er nach der anderen Seite hin das Individuum, das sich an ihm als seiner ureigenen, seiner persönlichen Herausforderung zu bewähren hat. Ein Tagebucheintrag Franz Kafkas aus dem Februar 1922 findet im Schmerz eine Wahrheit, die unwidersprechlich sei; um so merkwürdiger, so Kafka weiter, "daß nicht der Gott des Schmerzes der Hauptgott der ersten Religion war, sondern vielleicht erst der späteren".
Was die von Kafka zitierten Problemfelder verbindet, sind die Herausforderungen der Darstellung. Wie die Gegenstände des Glaubens ist auch der Schmerz unmittelbar und vorbegrifflich. Dementsprechend ist seine Rhetorik metaphorisch und reich an Projektionen. Christians' Abhandlung erzählt die Geschichte dieser Verlegenheit und der Versuche ihrer Bewältigung. Die Kölner Dissertation untersucht die "semantischen Felder", die speziellen Beglaubigungsrituale und Evidenzstiftungen, die für dieses Thema bezeichnend sind. Bezweckt ist weniger eine Begriffsgeschichte als eine Topik, die ihren Gegenstand als Präparat von Darstellungskonventionen, Denkmustern und "Gemeinplätzen" erfaßt.
Die Pointe der Versuchsanordnung ist eine Verschiebung, die kaum von Dingen, von Empfindungen und Erfahrungen handelt, um so ausführlicher aber davon, wie sie zur Sprache kommen. Im Falle des Schmerzes führt diese Aufmerksamkeitserweiterung rasch zu griffigen Formeln. Mit zunehmender Deutlichkeit, so Christians' grundlegende These, tritt die Rede vom Schmerz als Ausdruck der Suche nach Unmittelbarkeit und Authentizität hervor. Eine auffällige Schwelle markiert auch in dieser Bedeutungsgeschichte das achtzehnte Jahrhundert: "Ich fühle mich!" - so persifliert Herder die Cogito-Formel von Descartes - "Ich bin!"
Wie Christians darlegt, durchläuft die historische Semantik des Schmerzes in den westlichen Kulturen eine weit ausholende Spiralbewegung. Anfangs ist der Schmerz anonym. Daß jemand sich den Schmerz ausdrücklich als den seinen zurechnet, ist eher ungewöhnlich. Der Schmerz wird als Minderung eines allgemeinen Harmoniezustandes begriffen, der überindividuell ist - eine Vorstellung, die in den "Krankheitsbildern" der Neuzeit noch fortlebt. Bereits Augustinus schafft jedoch die Voraussetzungen für die späteren Individualisierungstendenzen, in dem er den Seelenschmerz aufwertet, und es ist Montaigne, der, nach einer nochmaligen Verschiebung der Akzente, die Authentizität des körperlichen Schmerzes, die Vergewisserung des individuellen Daseins und die Verschriftlichung des gelebten Lebens erstmals erfolgreich zusammenzieht. Wie selbstverständlich die Anerkennung des körperlichen Leidens hier schon geworden ist, zeigt das Kopfschütteln des Moralisten angesichts der Abstraktionen der Weltweisen: "Warum schweigt die Philosophie, die auf das wesentliche und auf die Wirkungen sieht, Bey diesen grausamen Anblicken still?"
Die Aufklärer entdecken das Thema für die Psychologie und rücken es neben die Empfindsamkeit. Der Schmerz, der jetzt immer auch Seelenschmerz ist, macht schließlich sogar den Dichter. Damit ist eine Neubestimmung vorgenommen, die - so Hebbel in einer kühnen Spekulation über "die Philosophie des Schmerzes" - das Leid und die Leidensfähigkeit zur Voraussetzung einer gesteigerten, einer "neuen" Gesundheit erhebt. Nietzsche kann hier anknüpfen und endgültig den Schmerz als die Herausforderung des Menschen bezeichnen, der zu kämpfen gelernt hat. Die für Nietzsche charakteristische Synthese aus Metaphysik und Physiologie stilisiert den Schmerz als Auszeichnung, die nach Ausnahmefiguren verlangt, nach Individuen, die etwas aushalten und an ihren Selbstprüfungen wachsen.
Die Helden des Schmerzes, heißen sie nun Ernst Jünger oder Carl Schmitt, Monsieur Teste oder Professor Kien, wissen sich von dieser Idee inspiriert. Der junge Thomas Mann beschwört die "Schmerzfähigkeit" als Tugend einer kulturkritischen Verschärfung, die sich in den Zeiten der Abstumpfung und "Anästhetisierung" auf das kalte Beobachten verlegt, "blitzschnell und mit einer schmerzlichen Bosheit", dabei jede Einzelheit gewahrend, "die im literaischen Sinne charakteristisch ist, typisch bedeutsam ist".
Hier, in der nietzscheanischen "Cultur der Ausnahme", wird der Schmerz wieder anonym. Er dient als Projektionsfläche, die der heroischen Individualität den Vorwand für ihre Bewährungsrituale liefert. Zugleich fingiert er eine Unmittelbarkeit, die - dies zu erweisen ist Christians' besonderes Anliegen - den konventionellen Charakter, das "Gemeinplätzige und Verbrauchte" solcher Kommunikation ebenso subtil wie erfolgreich überspielt. Spätestens die Literatur des zwanzigsten Jahrhunderts nimmt den Topos des Schmerzes als Redeanlaß, um einen Heroismus als authentisch herauszustellen, der in Wirklichkeit immer schon unzeitgemäß war.
Der ideologiekritische Befund ist deutlich, und niemand wird bestreiten, daß diese Bedeutungsgeschichte des Schmerzes reich dokumentiert und flott geschrieben ist. Dennoch wird man nicht recht froh damit. Denn je opulenter Christians seine Zeugnisse ausbreitet, desto rabiater greift er auch durch, um seine These zu sichern. Kurzerhand werden Fundstücke "leicht umformuliert", "zurückübersetzt" oder assoziativ montiert, und die ungezählten Gewährsleute marschieren gerade so kunterbunt auf, wie der Zettelkasten sie freigibt: Verklärungen soldatischer Härte, Opferberichte über die Tortur - alles irgendwie dasselbe, nämlich Ausdrucksgestalt eines im verborgenen drängenden, von Christians gern als "hermeneutisch" geschmähten Authentizitätsverlangens.
Solche Entdifferenzierung ist, um das mindeste zu sagen, unbefriedigend. Sie verschleudert beträchtliche Energien an ein allzu simples Fazit, und vor allem folgt sie jenem Muster, das Christians doch eigentlich zu destruieren wünscht: dem ",blow up' des isolierten Details", den holzschnittartigen Vergröberungen einer an singulären Bezügen nicht weiter interessierten Typologie.
RALF KONERSMANN
Heiko Christians: "Über den Schmerz". Eine Untersuchung von Gemeinplätzen. Akademie Verlag, Berlin 1999. 299 S., geb., 74,- DM.
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