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»Die öffentliche Gesundheitspflege und das Eigenthum« war die öffentliche Intervention eines jungen, demokratisch gesinnten Arztes auf eine im Vormärz stattfindende Gesundheitsreformdebatte im autoritär-monarchistischen Preußen, der sogenannten »preußischen Medizinalreform«. Die zu dieser Zeit beginnende Industrialisierung, die Preußen, und darin besonders seine Hauptstadt Berlin erfasste, führte zu »Pauperismus«, zu bis dato nie gekannter Armut. Ein staatlicher Wohlfahrtsstaat im heutigen Sinne existierte ebenso wenig wie eine öffentliche Gesundheitsvorsorge. Typhus-, Gelbfieber- und…mehr

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Produktbeschreibung
»Die öffentliche Gesundheitspflege und das Eigenthum« war die öffentliche Intervention eines jungen, demokratisch gesinnten Arztes auf eine im Vormärz stattfindende Gesundheitsreformdebatte im autoritär-monarchistischen Preußen, der sogenannten »preußischen Medizinalreform«. Die zu dieser Zeit beginnende Industrialisierung, die Preußen, und darin besonders seine Hauptstadt Berlin erfasste, führte zu »Pauperismus«, zu bis dato nie gekannter Armut. Ein staatlicher Wohlfahrtsstaat im heutigen Sinne existierte ebenso wenig wie eine öffentliche Gesundheitsvorsorge. Typhus-, Gelbfieber- und Choleraepidemien forderten im 19. Jahrhundert regelmäßig Tausende und Abertausende Opfer. Die Ärzte erlebten dieses Elend hautnah. Sie waren darauf angewiesen, möglichst wohlhabende Patienten zu behandeln, um selbst ein Auskommen zu erzielen. Doch die meisten Kranken konnten sich ärzliche Hilfe nicht leisten. Selbst für Tagelöhner oder Handwerker bedeutete eine schwere Erkrankung meist den Tod. Die Antwort des Staates verschlimmerte nur die Situation: Verkürzte Ausbildung billiger Halbärzte, Appelle an die Ärzte, Arme umsonst zu behandeln, unkoordinierte Zwangsmaßnahmen im Falle von Seuchen. In dieser Situation trat Salomon Neumann mit seinem Buch auf den Plan. Wenn das vorherrschende Recht des preußschen Staates das Eigentumsrecht war, aber die Masse seiner Bevölkerung nichts anderes besaß, als seine Gesundheit (sprich die Grundlage ihrer Arbeitskraft), war nach Neumanns Auffassung der Staat verpflichtet, eben diese Gesundheit wirkungsvoll zu schützen. Aus heutiger Sicht erscheinen die meisten Forderungen Neumanns völlig selbstverständlich, damals jedoch erschienen sie utopisch: Eine staatliche Verpflichtung zur Organisierung einer öffentlichen Gesundheitspflege, die Verbesserung der Armenkrankenpflege, durch die auch Minderbemittelte in den Genuss adäquater ärztlicher Versorgung kommen konnten, die Einrichtung von Gesundheitsämtern, die Schaffung einer Medizinalstatistik der Ursachen und Wirkungen von Krankheiten. Desweiteren forderte Neumann die Verbesserung der wissenschaftlichen Ausbildung der Ärzte, deren Selbstorgansiation und überhaupt die demokratische Umgestaltung des Staates. Das Scheitern der bürgerlichen Revolution von 1848 bedeutete zwar das Scheitern der Medizinalreformbewegung, doch Salomon Neumann hatte in seiner Schrift »Die öffentliche Gesundheitspflege und das Eigenthum« bereits das Credo der Sozialmedizin ausgesprochen, einer sich damals neu entwickelnden medizinischen Diziplin: »Die Medizin ist eine soziale Wissenschaft«. Ergänzt, aber ebenso kontrastiert wird Salomon Neumanns Buch durch die Artikelserie »Die öffentliche Gesundheitspflege« seines Freundes und Kampfgefährten Rudolf Virchow. Hatte Neumann seine Schrift 1847 noch unter den Bedingungen staatlicher Zensur formulieren müssen, konnte Virchow im Revolutionsjahr 1848 seine Ansichten nachdrücklich und ohne Beschränkungen publizieren. In seiner, gemeinsam mit Rudolf Leubuscher herausgegebenen Wochenzeitschrift »Die medicinische Reform« vertrat er die Forderung nach einer sozialen Medizin, nach der Verbesserung der Lebens- und Gesundheitsverhältnisse der ärmeren Bevölkerungsschichten durch Demokratie und Bildung, Forderungen, die im Licht der heutigen Gesundheitsreformdebatten immer noch aktuell erscheinen. Günter Regneri

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Autorenporträt
Salomon Neumann wurde am 22. Oktober 1819 im pommerschen Pyritz als Kind einer jüdischen Kleinhändlerfamilie geboren. Er legte 1838 in Berlin das Abitur ab und studierte anschließend Medizin an den Universitäten zu Berlin und Halle-Wittenberg, wo er 1842 promovierte. In Wien und in Paris, den damaligen Zentren der modernen Schulmedizin, erweiterte er seine Kenntnisse bevor er sich 1845 in Berlin als Arzt niederließ. Wenig später, im Jahr 1847, mischte sich Neumann mit dem hier vorliegenden Buch »Die öffentliche Gesundheitspflege und das Eigenthum« ein in die Debatte um eine Medizinalreform in Preußen. Einer seiner Mitstreiter in dieser Zeit war der Pathologe Rudolph Virchow (1821-1902), mit dem Salomon Neumann eine lebenslage Freundschaft verband. Nach der gescheiterten Revolution von 1848, die auch das Ende einer demokraktischen und sozial verfassten Gesundheitsreform bedeutete, engagierte sich Neumann im Berliner Gesundheitspflegeverein. Aus den gesammelten Daten, die die Ärzte dieses Vereins zusammentrugen, publizierte er regelmäßige Berichte über Mortalität und Krankheitsverteilung. Dies stellte die erste wissenschaftlich fundierte, medizinische Gewerbestatistik in Deutschland dar. Zur Mitte des 19. Jahrhundert galt Berlin als die schmutzigste und ungesundeste Metropole der Welt, ohne ein eigenes städtisches Krankenhaus, ohne Kanalisationssystem für die Abwässer und einer nur unzureichenden Trinkwasserversorgung. Das rief den sozial engagierten Mediziner Neumann auf den Plan. Im Dezember 1858 kandidierte er erstmals und erfolgreich für einen Sitz im Berliner Kommunalparlament. Als Stadtverordneter verschrieb sich Salomon Neumann in den folgenden 46 Jahren besonders der hygienischen Modernisierung Berlins. Bis zur Jahrhundertwende 1900 entwickelte sich Berlin zum weltweiten Vorbild in Fragen großstädtischer Hygiene. Im Jahr 1861 organisierte Salomon Neumann die Volkszählung in der Stadt Berlin. Für die Zählung entwickelte er ein System mit Zähl- und Kontrolllisten, das die Erhebung von Sozialdaten und deren Nutzung durch die Kommune ermöglichte. Die Zählung, durchgeführt unter Beteiligung von mehr als 7.400 freiwilliger Helfern (bei einer Gesamteinwohnerzahl von weniger als 550.000), verlief so erfolgreich, dass Neumanns Organisationsprinzipien in der nächsten Volkszählung von mehreren preußischen Großstädten übernommen wurden. 1905 erlitt Neumann einen Schlaganfall und zog sich aus der Öffentlichkeit zurück. Am 20. September 1908 starb Salomon Neumann. Während Neumanns Verdienste als Kommunalpolitiker und Statistiker heute - zu Unrecht - fast vergessen sind, halten die Sozialmediziner die Erinnerung an den engagierten Arzt weiterhin wach. Seit 1986 verleiht die Deutsche Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention (DGSMP) mit der »Salomon-Neumann-Medaille« jährlich eine Auszeichnung an Personen und Institutionen, die die Anliegen der Sozialmedizin befördern. Günter Regneri