Studienarbeit aus dem Jahr 2004 im Fachbereich Germanistik - Neuere Deutsche Literatur, Note: 1,3, Humboldt-Universität zu Berlin, Sprache: Deutsch, Abstract: "Die Erzählung", so konstatierte schon Thomas Mann in seinem Roman „Der Zauberberg“, "hat zweierlei Zeit: ihre eigene erstens, die musikalisch-reale, die ihren Ablauf, ihre Erscheinung bedingt; zweitens aber die ihres Inhalts, die perspektivisch ist, und zwar in so verschiedenem Maße, daß die imaginäre Zeit der Erzählung fast, ja völlig mit ihrer musikalischen zusammenfallen, sich aber auch sternenweit von ihr entfernen kann." Und während die musikalisch-reale Zeit individuell und subjektiv ist und so nur bedingt zum Thema analytischer Arbeit werden kann, ist zumindest die Betrachtung der imaginären Zeit der Erzählung auch unter streng wissenschaftlichen Maßstäben möglich. Jeder Text, der nicht nur eine bloße Zustandsbeschreibung ist, schildert einen Verlauf, eine Zeitspanne zwischen zwei Punkten und wird so zu einer Erzählung. Normalerweise wird Zeitlichkeit über konkrete Begriffe der Zeit transportiert, entweder durch die Verwendung von Temporalwörtern, oder die bildliche Beschreibung wachsender und fortschreitender Prozesse. Wenn Entwicklung zu einem bestimmten Zeitpunkt einen Verlauf nimmt, wird der entstehende Fortschritt auf der Zeitlinie gekennzeichnet. Eine Erzählung, die frei von Begrifflichkeiten bleibt, die einen konkreten Zeitbezug haben, muss Zeitlichkeit über andere Wege vermitteln. „Gehen“ von Thomas Bernhard ist ein Text, dem eben jene genannten direkten Zugriffe auf die ihm inne wohnende Zeitlichkeit fehlen und sich einer Analyse unter diesem Gesichtspunkt zu entziehen scheint. Dass sich aber trotzdem Möglichkeiten für eine solche Interpretation bieten, will diese Arbeit zeigen. Dabei sollen die Begriffe, die von Gérard Genette in seinem Werk „Die Erzählung“ definiert wurden, die Funktion übernehmen, den Bezug zu einer anerkannten Zeitlichkeitstheorie zu stellen. Gerade weil eine strikte Analyse nach den Maßstäben von Genette aber scheitern muss, dient dieser Bezug mehr dazu sich definierter und bekannter Begrifflichkeiten bedienen zu können. Diese Arbeit versucht den zeitlichen Rahmen der Erzählung herauszuarbeiten, um damit ein Instrumentarium zu liefern, über das dann grundsätzliche Angaben zur erzählten Zeit gemacht werden können. Dabei soll die Entwicklung, die im Mittelpunkt von „Gehen“ steht, auf ihren linearen Ablauf hin geprüft werden und nach Hinweisen gesucht werden, die eine genauere zeitliche Ordnung des Geschehens ermöglichen.