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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
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Berufsschwadroneur: Ludwig Laher besucht die Asservatenkammer
Ludwig Laher, Jahrgang 1955, kennt man vor allem als Verfasser dokumentarischer Romane. In "Herzfleischentartung" recherchierte er 2001 die Geschichte des NS-Lagers im oberösterreichischen St. Pantaleon. "Bitter" thematisierte 2014 das Leben eines Kriegsverbrechers. Jetzt hat sich Laher in den Kopf eines Justizverwaltungsinspektors hineinbegeben. Er heißt Oskar Brunngraber und ist Hüter der Asservatenkammer, die mit Mordwaffen und Kuriosa gut bestückt ist, mit sogenannten "Überführungsstücken" - so auch der Titel des Romans.
Die Objekte und ihre Geschichten versprechen Spannung oder eine Art morbide Komik. Da ist zum Beispiel ein Fels, mit dem sich jemand ertränkte und den Brunngraber einst zum Prozessauftakt ins Gerichtszimmer schieben musste. Von verbotenen Laserpointern über Blaulichtleuchten bis zu Drogen (genug für Massendelirien) verwahrt er einen gewaltigen Fundus. Bei "Geschäftsanfall", wie es im Amtsdeutsch heißt, werden Haschtütchen oder "NS-Andachtsstücke" aus Flohmärkten von Brunngraber ordentlich "eingeschlichtet" und nach Prozessende auf den Weg gebracht, um entsorgt zu werden. Er kolportiert auch gern das ein oder andere grobe Wort, das einem Polizisten am Tatort beim Anblick der Blutlache über die Lippen kommt: "Pah, do tunk' i mei Weißwurscht nei."
Als Sprungbrett in einen Roman taugen seine Impressionen und Meinungen etwa über den inflationären Gebrauch des Wortes "Mahlzeit" aber nur bedingt. Denn immer, wenn es interessant werden könnte, verlässt Brunngraber seinen Erzählgegenstand, um eigene biographische Details zu enthüllen. Beim Plauderparcours durchs Justizzentrum erinnert er daran, dass er auch als Rezitator auf Bühnen steht, eine Stempelsammlung sein Eigen nennt und die Frucht einer unglücklichen Ehe ist, die ihren Ursprung wiederum in Flucht und Vertreibung hat. Seine Sonderperspektive beim Blick über die Schultern der Verbrecher spielt er nicht aus.
Dass man den Dreh vom Berufsschwadroneur zum narzisstischen Identitätsphilosophen nicht recht mitmachen möchte, liegt auch an der gewählten Form. In gut österreichischer Erzähltradition wird monologisiert. Nur warum? Wer genau ist der Adressat? Brunngrabers geduldiger Zuhörer, der kaum in Erscheinung tritt und nur hin und wieder mal "ich" sagt, ist möglicherweise sein eigenes inneres Ohr oder aber ein Journalist, der sich in den Hochsicherheitstrakt führen und sich alles zeigen lässt; eine Schattenfigur jedenfalls, mehr Chronist als Handelnder, was dem Text jede Chance auf Situationskomik nimmt. Weder filtert Laher Brunngrabers Rede groß, noch verleiht er seiner Hauptfigur durch originelle Außenbeschreibungen Kontur - anders als etwa der gleichfalls recherchefreudige Autor Gerhard Roth, der einen solchen Typus des stillen Zuhörers in seinen Essays über die Stadt Wien kunstvoll einzubinden weiß: als Entdecker nämlich, der den Fachleuten kuriose Fakten über Einzelobjekte entlockt und sie begeistert ergänzt. Da springt der Funke über. Bei Laher, dessen Material als Reportage oder Ein-Mann-Stück für ein Zimmertheater sicherlich gut funktioniert hätte, fühlt man sich diesmal verloren.
ANJA HIRSCH.
Ludwig Laher: "Überführungsstücke".
Wallstein Verlag, Göttingen 2016.
177 S., geb., 19,90 [Euro].
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