Acht Jahre ist es her, dass sich Anne Elliot von ihrem Vater überreden ließ, den Heiratsantrag Frederick Wentworths zurückzuweisen. Fortan hat Anne freudlos auf dem Herrensitz ihres Vater gelebt, während aus Wentworth ein wohlhabender und weltgewandter Marineoffizier geworden ist. Als sich beide eines Tages wieder begegnen, beginnt eine zaghafte Annäherung, die in einer der originellsten Liebeserklärungen der Weltliteratur ihren Höhepunkt findet.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.07.19971817
Jane Austen "Überredung"
Wie jener Vogel, von dem Borges erzählt (er fliege rückwärts, denn er wolle nicht wissen, wohin es gehe, sondern woher er komme), so gehn wir hier in die geschriebene Welt zurück. Und wenn uns einer stirbt, dann erst beginnen seine Jahre; so jetzt die Jahre Jane Austens. Sie starb, einundvierzigjährig, 1817, und hinterließ (vermeiden Sie eine neuerdings fertiggeschriebene Version!) ein unfertiges Buch, "Sanditon", witzig, temporeich, und mehr als ihre Romane sonst getränkt mit jener Ironie, deren fast verklärende Milde (als trage die Autorin eine dunkel getönte Brille, daß man nicht erkennt, wie schrecklich genau sie beobachtet) so elegant hinwegtäuscht über ihren profunden Sarkasmus; und hinterließ ferner ein fertiges Buch, das im Jahr nach ihrem Tod erschien, "Persuasion" (Überredung, mitunter deutsch als "Anne Elliot"). Bei Jane Austen, in deren Büchern auch sonst schon, ganz wie bei andern großen Porträtisten der Gesellschaft, ein nicht einmal direkt ausgesprochenes Ja oder Nein mehr wiegt als anderswo Ruin, Triumph und Mord und Jüngstes Gericht, bei Jane Austen ist hier die Zeit selbst für Ja und Nein schon vorbei: Eine junge Frau hat vor Jahren aus gesellschaftlichen Rücksichten nein gesagt zu einem Mann nicht ganz ihres Standes; aber dieser ganze Stand ist inzwischen endgültig tönern geworden, hohl, das ist ihr - sie ist unverheiratet geblieben - in den Jahren seither klargeworden. Nun trifft sie jenen Mann wieder, sie liebt ihn noch, er sie wohl auch, aber sie muß erst allmählich wieder zu sich kommen, muß auch erst allmählich ihr halb verblühtes Leben wieder zurückgewinnen, das fast verlorengegangene Gefühl ihrer Liebenswürdigkeit - ehe sie spüren kann, wie jener Mann auch wieder dahinterkommt, wer sie für ihn einst war und immer mehr auch wieder ist, und ehe sie dann (und dieser Schritt gehört bei Jane Austen immer zu den schönsten, die sie ihre Frauenfiguren machen läßt) den Geliebten dazu bewegen kann, ihr endlich zu sagen, daß er sie will. Das hätte ihr nicht unbedingt glücken müssen, alles hätte danebengehn können; aber wie es nun doch gelingt, das läßt besonders deutlich und deutlicher als die Verbitterung, wenn alles in Scherben ginge, das Schwankende erkennen in den Bedingungen unsres Glücks. (Jane Austen: "Überredung". Aus dem Englischen übersetzt von Ursula und Christian Grawe. Reclam Verlag, Stuttgart 1984. 320 S., br., 12,- DM; auch, in andern Übersetzungen, bei Manesse, Insel, Diogenes.) R.V.
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Jane Austen "Überredung"
Wie jener Vogel, von dem Borges erzählt (er fliege rückwärts, denn er wolle nicht wissen, wohin es gehe, sondern woher er komme), so gehn wir hier in die geschriebene Welt zurück. Und wenn uns einer stirbt, dann erst beginnen seine Jahre; so jetzt die Jahre Jane Austens. Sie starb, einundvierzigjährig, 1817, und hinterließ (vermeiden Sie eine neuerdings fertiggeschriebene Version!) ein unfertiges Buch, "Sanditon", witzig, temporeich, und mehr als ihre Romane sonst getränkt mit jener Ironie, deren fast verklärende Milde (als trage die Autorin eine dunkel getönte Brille, daß man nicht erkennt, wie schrecklich genau sie beobachtet) so elegant hinwegtäuscht über ihren profunden Sarkasmus; und hinterließ ferner ein fertiges Buch, das im Jahr nach ihrem Tod erschien, "Persuasion" (Überredung, mitunter deutsch als "Anne Elliot"). Bei Jane Austen, in deren Büchern auch sonst schon, ganz wie bei andern großen Porträtisten der Gesellschaft, ein nicht einmal direkt ausgesprochenes Ja oder Nein mehr wiegt als anderswo Ruin, Triumph und Mord und Jüngstes Gericht, bei Jane Austen ist hier die Zeit selbst für Ja und Nein schon vorbei: Eine junge Frau hat vor Jahren aus gesellschaftlichen Rücksichten nein gesagt zu einem Mann nicht ganz ihres Standes; aber dieser ganze Stand ist inzwischen endgültig tönern geworden, hohl, das ist ihr - sie ist unverheiratet geblieben - in den Jahren seither klargeworden. Nun trifft sie jenen Mann wieder, sie liebt ihn noch, er sie wohl auch, aber sie muß erst allmählich wieder zu sich kommen, muß auch erst allmählich ihr halb verblühtes Leben wieder zurückgewinnen, das fast verlorengegangene Gefühl ihrer Liebenswürdigkeit - ehe sie spüren kann, wie jener Mann auch wieder dahinterkommt, wer sie für ihn einst war und immer mehr auch wieder ist, und ehe sie dann (und dieser Schritt gehört bei Jane Austen immer zu den schönsten, die sie ihre Frauenfiguren machen läßt) den Geliebten dazu bewegen kann, ihr endlich zu sagen, daß er sie will. Das hätte ihr nicht unbedingt glücken müssen, alles hätte danebengehn können; aber wie es nun doch gelingt, das läßt besonders deutlich und deutlicher als die Verbitterung, wenn alles in Scherben ginge, das Schwankende erkennen in den Bedingungen unsres Glücks. (Jane Austen: "Überredung". Aus dem Englischen übersetzt von Ursula und Christian Grawe. Reclam Verlag, Stuttgart 1984. 320 S., br., 12,- DM; auch, in andern Übersetzungen, bei Manesse, Insel, Diogenes.) R.V.
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