Wir schreiben das Jahr 1975, in Belfast, der Hauptstadt Nordirlands, eskaliert der Bürgerkrieg. Die vierundzwanzigjährige Cushla Lavery kümmert sich um ihre alkoholkranke Mutter Gina, wenn sie nicht gerade Grundschüler unterrichtet oder ihrem Bruder Eamonn in dem Familienpub hilft. Die Familie
Lavery ist katholisch, der Pub in einer überwiegend protestantischen Vorstadt, da wird jedes Wort auf die…mehrWir schreiben das Jahr 1975, in Belfast, der Hauptstadt Nordirlands, eskaliert der Bürgerkrieg. Die vierundzwanzigjährige Cushla Lavery kümmert sich um ihre alkoholkranke Mutter Gina, wenn sie nicht gerade Grundschüler unterrichtet oder ihrem Bruder Eamonn in dem Familienpub hilft. Die Familie Lavery ist katholisch, der Pub in einer überwiegend protestantischen Vorstadt, da wird jedes Wort auf die Goldwaage gelegt, jeder Satz seziert. Als Cushla sich in Michael Agnew verliebt, riskiert sie viel; der angesehene Prozessanwalt ist nicht nur doppelt so alt wie Cushla und verheiratet, sondern dazu auch Protestant. Als wäre das nicht explosiv genug, engagiert sich Cushla für Davy und dessen Familie, deren Familienoberhaupt fast totgeschlagen worden ist. Der Preis für ihren Einsatz ist hoch.
Der nordirische Bürgerkrieg nimmt im Buch einen großen Raum ein, auf fast jeder Seite sind die Auswirkungen auf das Leben der Menschen zu spüren. Die Liebesgeschichte zwischen Cushla und Michael daneben ist verstörend, verdient sie meiner Meinung nach diese Bezeichnung nicht. Ich würde von Hörigkeit sprechen, einer Abhängigkeit und Missbrauch, nichts anderes sehe ich darin. Die junge Frau ist fasziniert von Michael, der ältere Mann ist gebildet, charismatisch, vermögend und dazu manipulativ genug, um zu wissen, wie er vorgehen muss, um ein unbedarftes, naives Mädchen für sich einzunehmen. Viele Male bin ich angewidert, will Cushla schütteln, sie warnen, ihr sagen, was sie machen soll beziehungsweise was sie auf keinen Fall tun darf. Aber... Natürlich gibt es ein Aber, das gibt es fast immer, denn es gibt auch Augenblicke der Freude, der Hoffnung, liebevolle Zeiten neben all dem Zorn und der Wut. Die Auflösung sehe ich dennoch nicht kommen, trotz der Andeutung zu Beginn habe ich einen anderen Ausgang erwartet und bin überrascht, wie weh mir das Geschehene tut.
Arbeitslosigkeit, Ausweglosigkeit und keine Perspektive, wer so aufwachsen muss, der ist nicht zu beneiden. Louise Kennedy hat die damalige Zeit authentisch dargestellt, sehr detailliert abgebildet und realistisch wiedergegeben. Ein eindrucksvolles, wenn auch düsteres und trauriges Buch, das etwas Wissen über die geschilderte Zeit erfordert, das mir überwiegend fehlte, was dazu führte, das ich manche Situationen wahrscheinlich falsch eingeschätzt habe. Dennoch ein beeindruckendes Werk, das ich gerne gelesen habe und das mir im Gedächtnis bleiben wird. Vier Sterne und eine Leseempfehlung gibt es dafür von mir.