"Für mich ist das heute noch eine Geschäftsbeziehung mit gewissen Vorzügen" (Dorian),"Eigentlich habe ich mich mit ihm immer ganz gut verstanden. Aber bei solchen Belangen kannst du es vergessen" (Chiara). Was hier nach Einblicken in zwischenmenschliche Krisen im Arbeitskontext klingt, bezieht sich tatsächlich auf eine innerfamiliäre Transferaushandlung zwischen Kindern und ihren Vätern. Felix Gaillinger geht in seiner ethnographischen Studie der Frage nach, wie junge Erwachsene einen (Rechts-)Streit um Unterhalt gegen ein Elternteil führen. Im Zentrum stehen junge Volljährige in Ausbildung, die sich vor allem gegenüber ihren Vätern positionieren, die nach dem 18. Geburtstag aus verschiedenen Gründen keinen Unterhalt zahlen. Mit dem Erreichen der Volljährigkeit müssen sich junge Erwachsene selbst vertreten; Jugendamt und Eltern sind juristisch höchstens noch in einer beratenden Funktion aktiv. Damit beginnt von einem Tag auf den anderen eine konflikthafte Phase, in der Kinder zwar als erwachsen gelten, sich ihr Alltag und ihre Abhängigkeit von elterlichen Zuwendungen aber nicht gewandelt haben. Mit der Gesetzeslage und der prinzipiellen Unterhaltssituation der Ein-Eltern-Familien, in denen traditionelle Geschlechterrollen und strukturelle Ungleichheiten bestehen, werden aus passiv adressierten Kindern politisch und rechtlich aktivierte Subjekte im prekären Lebenszusammenhang. Wie wird mit Vätern, Jugendamt oder auch Anwält:innen kommuniziert? Wie gelingt es den jungen Erwachsenen, die Diskrepanz zwischen einerseits Emotionen, familiären Logiken und innerfamiliären Machtverhältnissen und andererseits der kühlen Ratio eines juristischen Vorgehens entlang der Gesetzeslage auszuhandeln? Durch die Analyse von Gesetzestexten, medialen Auszügen und Interviews mit jungen Volljährigen und institutionellen Rechtsberatenden sowie Briefen an die Väter eröffnet Felix Gaillinger ein für die Empirische Kulturwissenschaft neues Forschungsfeld im Schnittpunkt von Rechtsanthropologie, Prekarisierungs- und Familienforschung.
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