Johann Wolfgang von Goethe praktizierte Selbstbildung als eine erfahrungsbasierte Umbildung. Er modellierte diese in einer Erkenntnispraxis von Aisthesis als Erkenntnisform eines anschauenden Denkens. Als Grundlage der Rekonstruktion dieser Selbstbildung dienen seine naturphilosophischen und ästhetischen Schriften. Diese enthalten zwar keine explizite Bildungstheorie, dokumentieren aber eine Bildungspraxis. Wahrnehmung wird für Goethe zu einer spezifischen Form von Erkenntnis vor allen Verarbeitungsprozessen des Verstandes. Seine Schriften haben deshalb nicht nur fachwissenschaftliche oder autobiographische Bedeutung, sondern dokumentieren einen Bildungsanspruch, der sich in der Begegnung mit den Dingen als umbildende Erfahrung realisiert. In diesem Kontext erfahren zentrale Begriffe wie Gestalt, Genie und Ganzheit eine Neubewertung.