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Pradelski, Lustiger und Bendzin
Die Zeit auf dem Fürstenberg-Gymnasium begann vielversprechend für Arno Lustiger. Im polnischen Bendzin kaufte seine Mutter ihm vor 70 Jahren seine erste Schuluniform. Er lernte Latein und Hebräisch auf der jüdischen Eliteschule, spielte Trompete im Blasorchester, schloß Freundschaften. Dann, im September 1939, kamen die Nazis in die Stadt. Es ist seine Jugend, über die der Historiker Arno Lustiger im Wiesbadener Ministerium für Wissenschaft und Kunst spricht. Die Jahre in seiner Heimatstadt Bendzin endeten für ihn 1943 mit der Deportation nach Auschwitz. Bis heute sei die Schoa in Oberschlesien von den Historikern nicht ausreichend erforscht, bedauert Lustiger. Um so mehr freut es ihn, daß nun ein Buch seiner Heimat zu Aufmerksamkeit verhilft: Minka Pradelskis erster Roman "Und da kam Frau Kugelmann". Er ist ihm, Arno Lustiger, gewidmet, und Bendzin und das Fürstenberg-Gymnasium spielen eine wichtige Rolle darin.
Die Autorin kennt der in Frankfurt lebende Historiker schon, "seit ihre Mama sie im Kinderwagen herumschob". Inzwischen ist die Frankfurterin als Soziologin und Dokumentarfilmerin bekannt, hat lange für Steven Spielbergs Shoah Foundation gearbeitet. Und nun einen Roman geschrieben über die Großstadtneurotikerin Zippy, die aus Frankfurt nach Tel Aviv reist, um ein geerbtes Fischbesteck in Empfang zu nehmen, und dort die dicke Frau Kugelmann trifft. Die erzählt von ihrer Jugend in Bendzin, und aus diesen Geschichten liest Minka Pradelski nach Arno Lustigers Einführung.
Es sind humorvolle Erinnerungen, die Zippy in Israel zu hören bekommt. Aber Frau Kugelmann erzählt auch bedrückende Erlebnisse, die zeigen, wie schwer die Bewohner Bendzins unter dem Nazi-Terror litten. Eine Passage liegt Pradelski besonders am Herzen. Ganz zum Schluß liest sie sie vor. Zippy, die von den vielen Anekdoten ihrer Gesprächspartnerin ermüdet ist, fragt entnervt: "Haben Sie denn schon irgendwann irgend jemand mal damit verschont?" Die Antwort: "Meine Kinder." Und sie gesteht, daß sie ihren zwei Söhnen gegenüber das Wort "Bendzin" nie in den Mund genommen, ihnen nicht das geringste von ihrem Leben in Polen erzählt habe. "Ich wollte nicht, daß sie mit dem Gedanken an Tod und Verwüstung groß werden." Und: "Ich wäre an meinen eigenen Worten zerbrochen." Dieses Schweigen ist es, das Minka Pradelski brechen möchte mit ihrem Roman. Die Vergangenheit "dem Vergessen zu entreißen" ist ihr und Arno Lustiger, der das Buch lektoriert hat, ein Bedürfnis. Es ist ihnen auf beeindruckende Weise gelungen.
FRIEDERIKE HAUPT
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
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