In jeder Kultur oder Gruppe, in jedem Volk oder Individuum gibt es eine geschichtliche Ansammlung, auf deren Grundlage die Welt gedeutet wird. Die Ideale, Befürchtungen und Hoffnungen eines Volkes sind nicht als „kalte Ideen“ verankert, sondern als dynamische Bilder, welche die menschlichen Verhaltensweisen in die eine oder andere Richtung antreiben. Jede geschichtliche Epoche besitzt solche grundlegenden und zweifelsfreien Gewissheiten, deren kollektive mythische Struktur – ob sakralisiert oder nicht – dem Zusammenhalt der menschlichen Gruppen dient und ihnen Identität verleiht. Silo beschränkt sich in diesem Werk auf die großen Wurzelmythen, wobei er unter Wurzelmythos jenen Kern der mythischen Ideenbildung versteht, der sich unter Beibehaltung seines zentralen Handlungsablaufs von Volk zu Volk fortgepflanzt und so Universalität erreicht hat, auch wenn sich dabei die Namen, Figuren und sekundären Merkmale geändert haben. Sollten in der gegenwärtigen Situation der Menschheit neue Mythen auftauchen, so ist zu hoffen, dass diese gewaltigen Kräfte, welche die Geschichte freisetzt, dazu dienen mögen, eine weltweite und wahrhaft menschliche Zivilisation entstehen zu lassen, in der die Ungleichheit und Intoleranz für immer verbannt sind.