Coordt und Franziska leben mit ihrem kleinen Sohn Frieder in einer Wohnung im Münchner Stadtteil Untergiesing und sind mit ihrer Wohnsituation eher unzufrieden. Doch plötzlich bietet sich ihnen die Möglichkeit, in eine mondäne Altbauwohnung in Schwabing einzuziehen. Was komfortabel klingt, hat
allerdings einen Haken. Denn die Bedingung der Vermieterin ist nicht ohne: Ihr erkrankter Ex-Mann müsste…mehrCoordt und Franziska leben mit ihrem kleinen Sohn Frieder in einer Wohnung im Münchner Stadtteil Untergiesing und sind mit ihrer Wohnsituation eher unzufrieden. Doch plötzlich bietet sich ihnen die Möglichkeit, in eine mondäne Altbauwohnung in Schwabing einzuziehen. Was komfortabel klingt, hat allerdings einen Haken. Denn die Bedingung der Vermieterin ist nicht ohne: Ihr erkrankter Ex-Mann müsste dort in einem Extrazimmer wohnen bleiben, ohne dass er der Familie in die Quere kommt. Dennoch entscheidet sich das Paar für den Einzug - mit schwerwiegenden Konsequenzen...
"Unser Glück" ist der zweite Roman von Natalie Buchholz, die mit schnörkelloser Sprache und kurzen, prägnanten Sätzen die Leser:innen unmittelbar teilhaben lässt am Gentrifizierungs-Wahnsinn in deutschen Großstädten. Die oben geschilderte Ausgangssituation ist dabei so kühn wie hochspannend. Denn während sich Franziska mit dem unsichtbaren Mitbewohner zu arrangieren scheint, merkt man Protagonist Coordt dessen Unwohlsein eigentlich durchgehend an. Ständig fürchtet er sich vor einem möglichen Auftauchen des Mannes, nachts sitzt er in der Küche und beobachtet dessen verschlossene Zimmertür.
In diesem ersten Drittel des Romans entfaltet die Geschichte eine subtile Spannung, die sich mit einem permanenten Gefühl der Bedrohung vermengt. Dies erzeugte bei mir eine seltsame Faszination für den Roman und diese ungewöhnliche Wohnkonstellation. Im weiteren Verlauf verliert die Handlung ein wenig an Glaubwürdigkeit, bietet dafür aber allerlei Überraschungen. Auch hier blieb die Sogkraft der Lektüre bestehen, auch wenn ich vor allem eine große Wut auf die Figuren und ihre Taten entwickelte. Leider flacht der Spannungsbogen jedoch zu früh ab, so dass das Finale eher beliebig und erwartbar erscheint.
Während die Nebenfiguren gerade gegen Ende hin ein wenig blass geraten, ist Hauptfigur Coordt der Autorin sehr gut gelungen. Denn auch wenn man als Leser:in wohl nicht durchgehend mit ihm sympathisiert, entwickelt er eine Ambivalenz, der man sich schwer entziehen kann - was auch daran liegen mag, dass der Erzähler kaum einmal Coordts Perspektive verlässt. So scheint er gefangen zwischen den gesellschaftlichen Erwartungen an einen Familienvater und dem immer stärker werdenden Leidensdruck. Denn einerseits soll er auch aus Sicht seiner Frau für das nötige Einkommen sorgen, um die Wohnung beziehen zu können, doch andererseits bezeichnet sie ihn auch als "Butterbrot" - ganz lecker eben, aber doch nicht der kulinarische Hochgenuss.
Ob die Figuren den Leser:innen zur Identifikation taugen, ist also eher fraglich, denn sie sind entweder zu unsympathisch oder berühren nur in Ansätzen. Dass die Autorin mit der beschwerlichen Wohnungssuche in Großstädten aber einen hochaktuellen Nerv trifft, steht nicht zur Debatte. Denn "Unser Glück" konfrontiert die Leserschaft direkt mit der Frage: "Wie weit würdest du gehen, um deine Traumwohnung zu bekommen?" Oder als Annonce zusammengefasst: "Suche Altbauwohnung, biete Leben".
Natalie Buchholz' "Unser Glück" ist ein Roman, der die Leser:innen vor allem in der ersten Hälfte packt, aufrüttelt und zum Nachdenken anregt. Wer sich der aufregenden, aber ein wenig überzeichneten Handlung hingibt, wird belohnt mit einem spannenden Familiendrama, dem erst gegen Ende ein wenig die Luft ausgeht.