Thüringen, ein Land mit 1000 Facetten. Johannes Wilkes lässt aus den gesammelten Mosaiksteinen ein buntes Bild entstehen. Seine humorvolle Entdeckungsreise beschreibt nicht nur kulinarische Köstlichkeiten, liebliche Landschaften und kostbare Kunstschätze, sondern weiß auch von Bräuchen, Liedgut und Dialekt zu berichten. Gewitzt nähert er sich der thüringischen Seele. Und lässt nicht zuletzt Dichtern, Erfindern, Helden, Künstlern und Sportlern mit thüringischen Wurzeln viel Raum. Eine Fundgrube für jeden Thüringen-Liebhaber!
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.11.2019Vöglein sangen Lieder
Ja, die Geschichte mit dem Rennsteiglied. Ein Frisör hat es erfunden. Jedenfalls die Melodie. Herbert Roth. Den Text schrieb ein Freund: "Diesen Weg auf den Höh'n bin ich oft gegangen / Vöglein sangen Lieder. / Bin ich weit in der Welt, habe ich Verlangen, / Thüringer Wald nur nach dir." Im April 1951 war in einem Dorfsaal mitten im Thüringer Wald Welturaufführung. Der für die DDR typische Ärger folgte prompt. Was soll solch ein Schmachtfetzen, und dann noch mit Jodeln. Und "weit in der Welt" - war das ein Hinweis auf Republikflucht? Der DDR-Mächtigste damals, Walter Ulbricht, ein Sachse, ließ sich das Lied vorspielen, und als er begeistert mit den Füßen wippte, war die Sache erledigt. Herbert Roth wurde berühmt und das schlichte Lied ein Schlager. Viele werden es wohl unwillkürlich noch heute singen, wenn sie über den Rennsteig wandern. Weniger bekannt dürfte den Wanderern sein, dass man sich auf dem Rennsteig stilecht mit "Gut Runst" grüßt. Oder den Läufern, denn es gibt manchen, der über den Rennsteig rennt. Runst kommt übrigens von Rennen. Solche Geschichten hat Johannes Wilkes aufgeschrieben. Sein Buch ist eine Sammlung kleiner Geschichten, unterhaltsam und anregend, manchmal auch witzig. Ein Kapitel etwa ist ein Brief an Volker Schlöndorff, der nie abgeschickt wurde. Schlöndorff hatte für einen Film eine "nicht-spezifische Stadt" gesucht, seine Wahl fiel auf Erfurt. Wilkes gibt den empörten Heimathuber: "Uns stockt der Atem. Erfurt und unspezifisch?" Das gibt ihm dann die Gelegenheit, so viel von Erfurt zu schwärmen, dass die Stadt unbedingt das nächste Reiseziel sein muss: "Die weltberühmte Krämerbrücke etwa? Womit soll man dieses Prachtstück denn verwechseln? Die älteste Synagoge Europas? Unspezifisch? Wir können's nicht glauben!" Reizvoll ist das Büchlein auch wegen seiner Retro-Aufmachung. Da ergänzen sich Inhalt und Form auf wunderbare Weise.
F.P.
"Unser schönes Thüringen" von Johannes Wilkes. Gmeiner-Verlag, Meßkirch 2019. 320 Seiten, einige Schwarzweißfotos. Gebunden, 16 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Ja, die Geschichte mit dem Rennsteiglied. Ein Frisör hat es erfunden. Jedenfalls die Melodie. Herbert Roth. Den Text schrieb ein Freund: "Diesen Weg auf den Höh'n bin ich oft gegangen / Vöglein sangen Lieder. / Bin ich weit in der Welt, habe ich Verlangen, / Thüringer Wald nur nach dir." Im April 1951 war in einem Dorfsaal mitten im Thüringer Wald Welturaufführung. Der für die DDR typische Ärger folgte prompt. Was soll solch ein Schmachtfetzen, und dann noch mit Jodeln. Und "weit in der Welt" - war das ein Hinweis auf Republikflucht? Der DDR-Mächtigste damals, Walter Ulbricht, ein Sachse, ließ sich das Lied vorspielen, und als er begeistert mit den Füßen wippte, war die Sache erledigt. Herbert Roth wurde berühmt und das schlichte Lied ein Schlager. Viele werden es wohl unwillkürlich noch heute singen, wenn sie über den Rennsteig wandern. Weniger bekannt dürfte den Wanderern sein, dass man sich auf dem Rennsteig stilecht mit "Gut Runst" grüßt. Oder den Läufern, denn es gibt manchen, der über den Rennsteig rennt. Runst kommt übrigens von Rennen. Solche Geschichten hat Johannes Wilkes aufgeschrieben. Sein Buch ist eine Sammlung kleiner Geschichten, unterhaltsam und anregend, manchmal auch witzig. Ein Kapitel etwa ist ein Brief an Volker Schlöndorff, der nie abgeschickt wurde. Schlöndorff hatte für einen Film eine "nicht-spezifische Stadt" gesucht, seine Wahl fiel auf Erfurt. Wilkes gibt den empörten Heimathuber: "Uns stockt der Atem. Erfurt und unspezifisch?" Das gibt ihm dann die Gelegenheit, so viel von Erfurt zu schwärmen, dass die Stadt unbedingt das nächste Reiseziel sein muss: "Die weltberühmte Krämerbrücke etwa? Womit soll man dieses Prachtstück denn verwechseln? Die älteste Synagoge Europas? Unspezifisch? Wir können's nicht glauben!" Reizvoll ist das Büchlein auch wegen seiner Retro-Aufmachung. Da ergänzen sich Inhalt und Form auf wunderbare Weise.
F.P.
"Unser schönes Thüringen" von Johannes Wilkes. Gmeiner-Verlag, Meßkirch 2019. 320 Seiten, einige Schwarzweißfotos. Gebunden, 16 Euro.
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