New York, 1967: Der gutaussehende, hochsensible Adam Walker will Dichter werden. Da bietet ihm auf einer Party ein reicher Franzose namens Rudolf Born das Geld zur Gründung einer Literaturzeitschrift an. Adam hält den Vorschlag zunächst für eine Schnapsidee, aber als Born ihn ein paar Tage später zum Essen einlädt, bekommt er die glaubhafte Bestätigung in Gestalt eines Schecks. Allerdings zeigt sich bei diesem Essen auch ein sinistrer Born, ein Mann voll verhaltenem Jähzorn, der Adam betrunken empfängt und ihn zu dem Eingeständnis nötigen will, er begehre seine Freundin. Das tut Adam in der Tat; und Margot sitzt ihm gegenüber und wirft ihm verschattete Blicke zu. Kurz darauf reist Born für ein paar Tage nach Paris, Margot ruft Adam an, und eine Amour fou beginnt. Doch Born ist zu fürchten, er geht, wie sich bald erweisen wird, über Leichen. AUSTER hat noch kein intensiveres und drastischeres Buch über die Liebe und das Schicksal geschrieben. In «Unsichtbar» ist er auf der Höhe seines Schaffens - erfindungsreich, abgründig und direkt am Puls des Lebens.
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 16.07.2010Als Mephisto noch Martinis trank
Paul Austers neuer Roman „Unsichtbar“ erzählt virtuos vom amerikanischen Sündenfall und dem traumatischen Frühling, der dem Summer of Love vorausging
Eines Morgens setzt es sich der siebenjährige Andy in den Kopf, allein eine Runde im See schwimmen zu gehen, während seine Mutter noch schläft. Auf dem Tisch hinterlässt er eine Nachricht für sie: „Liebe Mom ich bin im Seh“. Dann springt er ins Wasser und ertrinkt. Sein Bruder Adam erzählt von diesem tragischen Unfall in Paul Austers neuem, seinem fünfzehnten Roman „Unsichtbar“, der an diesem Freitag auf Deutsch erscheint. Und wenn er Andys Satz noch einmal wiederholt, wirkt es, als habe das jüngste Kind der Walkers seinen Tod vorausgesehen: „Ich bin im Seh.“
Obwohl der orthografische Fehler des Erstklässlers nur auf Deutsch einen philosophischen Nebensinn erhält – im englischen Original schreibt Andy „Ime in the lake“ –, spielt der deutsche Übersetzer Werner Schmitz damit subtil auf das Hauptmotiv des Romans an. Wie immer thematisiert Auster, der Transzendentalphilosoph unter den Romanciers, auch in „Unsichtbar“ die Bedingungen der Möglichkeit des Erzählens. Im Gegensatz zu vielen seiner früheren Bücher sind die gebrochene Form, die wechselnden Perspektiven, die Leerstellen im Plot (sozusagen das uneinholbare Ansich) mehr als nur Jahrmarkttricks eines postmodernen Gauklers, der am Ende die Spiegel zusammenklappt, mit denen er den Leser genarrt hat. Im neuen Buch heben vielmehr all die bekannten Bluffs die Geschichte tatsächlich auf eine andere Ebene. Weil der doppelte Boden hier nichts rein Zirzensisches hat, sondern die disparaten Motive des Romans zu synthetisieren vermag, ist „Unsichtbar“ Austers bislang bestes und tiefstes Buch.
Das titelgebende Wort „unsichtbar“ selbst taucht im Roman an zwei markanten Stellen auf und markiert die beiden Pole von Austers Thema. In einem Brief an seinen einstigen Mitstudenten Jim spricht Adam über „die Verachteten und die Unsichtbaren“, für die er sich als Armenanwalt 27 Jahre lang eingesetzt hat. Nach dem Romanistikstudium und dem gescheiterten Versuch, sich als freier Schriftsteller durchzuschlagen, hat er sich für Jura entschieden und kämpft für die Rechte der unterdrückten Minderheiten, jene, die objektiv „unsichtbar“ sind. Als Adam kurz vor seinem Tod versucht, ein Buch über seine Erlebnisse im Jahr 1967 zu schreiben, dem eigentlichen Wendepunkt seines Lebens, und irgendwann nicht weiter kommt, wird ihm klar: „Indem ich von mir selbst in der ersten Person schrieb, hatte ich mich lahmgelegt, mich unsichtbar gemacht, mir die Möglichkeit genommen, das zu finden, wonach ich suchte.“ Das ist die subjektive Unsichtbarkeit.
Adam Walker ist ein Narziss, der wie sein Vorbild im Mythos sein Spiegelbild zerstört, als er es zu umarmen versucht, während die Welt um ihn herum zum bloßen Echo verkommt wie die gleichnamige verschmähte Nymphe. Auster bindet die Fabel von Narcissus und Echo zurück an den Tod des kleinen Andy, der im Echo Lake ertrank. Erst durch seinen Tod „im Seh“ war der zuvor unbeachtete Jüngste ja sichtbar geworden, denn das Trauma, das sein Unfall für die Familie bedeutet, verleiht ihm eine allgegenwärtige Präsenz. Und auch Adam muss einen symbolischen Tod als Dichter und seine Wiederauferstehung als Anwalt und Menschenrechtler erleben, um den Bann zu brechen. Erst durch seine Entscheidung für ein Leben der Selbstlosigkeiterringt er beides: ein Leben und ein Selbst.
Adam Walker ist Amerika, und sein Fluch der Fluch jener krisenhaften Jahre nach dem Tod Kennedys und vor dem Menetekel Vietnam. Schon sein Name spiegelt den Selbstbetrug einer ganzen Nation. Denn dieser Adam ist alles andere als ein Stammvater, unfruchtbar ist er als Dichter wie als biologischer Erzeuger. Und Walker ist nur die amerikanisierte Form des Namens polnischer Juden, die nach Amerika auswanderten.
Adams naiver Idealismus wirkt wie eine literarische Pose, als er im Frühling, der dem Summer of Love 1967 vorausgeht, eine doppelte Initiation erfährt, Sündenfall und Erweckungserlebnis zugleich. Er macht Bekanntschaft mit Eros und Thanatos in Gestalt eines Paares aus Europa. Der Tod, das ist der dandyhafte Zyniker und sinistre Menschenfeind Rudolf Born. Eros, das ist Borns sexbesessene Freundin Margot, mit der Born selbst Adam verkuppelt. Born, dieser dekadente Mephisto im zerknitterten Leinenanzug, ist ein Verführer in zweifacher Hinsicht. Er bietet dem jungen Mann nicht nur seine Geliebte an, sondern auch 25 000 Dollar, um eine literarische Zeitschrift zu gründen. Fast scheint es, als solle Adam, der unschuldige amerikanische Held, das Paar von sich selbst erlösen, als suchten beide, Born und Margot, nach Entsühnung. Dann jedoch sticht Born im Park einen jungen Farbigen nieder, und es kommt zum Bruch. Adam folgt Born nach Paris, um den Mord zu vergelten. Doch sein Racheplan ist allzu romantisch, um zu verfangen.
Um ein paar Illusionen ärmer kehrt Adam in die USA zurück, doch was er über sich und seine Abgründe gelernt hat, verarbeitet er als individuelle Erfahrung, die er nicht ins Allgemeine hochrechnet. Dieser Widerspruch zwischen dem Privaten und Politischen ist das eigentlich Fesselnde an Austers Roman. Einerseits ist da noch das scheinbar intakte, fortschrittsgläubige Wohlstandsamerika, in dem Sex und Drogen verpönt sind, andererseits sind die europäischen Eindringlinge mit ihrem Hedonismus und ihrer Amoral nur Vorboten der anarchischen Kräfte, die bald auch hier ausbrechen.
Man lebt zwar noch in der alten Ordnung, doch alles deutet voraus auf die kommenden sozialen Umbrüche. Noch führen Krisen zur Selbstzerstörung, bald schon zur Solidarisierung. Darum ist es so triftig, dass Auster offen lässt, ob Born tatsächlich gemordet hat, ob Adam wirklich mit seiner Schwester schlief oder ob es sich dabei nur um eine Inzest-Phantasie handelte. Schließlich ist Gwyn, die ihm wie ein Zwilling gleicht, nur ein Spiegel-Ich, eine Chimäre im Grunde, eine Ausfaltung seiner selbst. „Unsichtbar“ handelt von unausgelebten Latenzen, die noch nicht ins Politische umschlagen – diesen Gärzustand fängt Auster gerade dadurch ein, dass sein Roman auf der Handlungsebene unerlöst bleibt.
Kennzeichen der narzisstischen Störung, schrieb Richard Sennett in „Verfall und Ende des öffentlichen Lebens“, sei die Unfähigkeit, sein Selbstbild zu objektivieren. Diese Störung als amerikanisches Syndrom an einem entscheidenden Datum der Zeitgeschichte aufzuzeigen, macht „Unsichtbar“ zu einem großartigen Buch. Schlank, flüssig und geradezu plot-driven, erfüllt es die Tugenden des American writingin subversiver Absicht. Tatsächlich handelt der Roman, der sich perfekt mit dem Kolorit der sechziger Jahre – Martini-Moderne und Pariser Juliette-Gréco-Bohème – geschminkt hat, von der Gegenwart. Wieder verkommt das Land, weil Amerika gebannt in den Spiegel starrt. Paul Auster hat das vorausgesehen, indem er zurückblickt. CHRISTOPHER SCHMIDT
PAUL AUSTER: Unsichtbar. Roman. Aus dem Englischen von Werner Schmitz. Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2010. 320 Seiten, 19, 95 Euro.
Narziss und Goldjunge:
Dies ist Paul Austers bisher
bestes und tiefstes Buch
Oben ein amerikanischer Student und seine französische Freundinim Paris der sechziger Jahre. Links Paul Auster bei der Pariser Buchmesse im Frühjahr 2010.
Fotos: Dean Loomis/Getty Images, Francesco Acerbis/Corbis
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
Paul Austers neuer Roman „Unsichtbar“ erzählt virtuos vom amerikanischen Sündenfall und dem traumatischen Frühling, der dem Summer of Love vorausging
Eines Morgens setzt es sich der siebenjährige Andy in den Kopf, allein eine Runde im See schwimmen zu gehen, während seine Mutter noch schläft. Auf dem Tisch hinterlässt er eine Nachricht für sie: „Liebe Mom ich bin im Seh“. Dann springt er ins Wasser und ertrinkt. Sein Bruder Adam erzählt von diesem tragischen Unfall in Paul Austers neuem, seinem fünfzehnten Roman „Unsichtbar“, der an diesem Freitag auf Deutsch erscheint. Und wenn er Andys Satz noch einmal wiederholt, wirkt es, als habe das jüngste Kind der Walkers seinen Tod vorausgesehen: „Ich bin im Seh.“
Obwohl der orthografische Fehler des Erstklässlers nur auf Deutsch einen philosophischen Nebensinn erhält – im englischen Original schreibt Andy „Ime in the lake“ –, spielt der deutsche Übersetzer Werner Schmitz damit subtil auf das Hauptmotiv des Romans an. Wie immer thematisiert Auster, der Transzendentalphilosoph unter den Romanciers, auch in „Unsichtbar“ die Bedingungen der Möglichkeit des Erzählens. Im Gegensatz zu vielen seiner früheren Bücher sind die gebrochene Form, die wechselnden Perspektiven, die Leerstellen im Plot (sozusagen das uneinholbare Ansich) mehr als nur Jahrmarkttricks eines postmodernen Gauklers, der am Ende die Spiegel zusammenklappt, mit denen er den Leser genarrt hat. Im neuen Buch heben vielmehr all die bekannten Bluffs die Geschichte tatsächlich auf eine andere Ebene. Weil der doppelte Boden hier nichts rein Zirzensisches hat, sondern die disparaten Motive des Romans zu synthetisieren vermag, ist „Unsichtbar“ Austers bislang bestes und tiefstes Buch.
Das titelgebende Wort „unsichtbar“ selbst taucht im Roman an zwei markanten Stellen auf und markiert die beiden Pole von Austers Thema. In einem Brief an seinen einstigen Mitstudenten Jim spricht Adam über „die Verachteten und die Unsichtbaren“, für die er sich als Armenanwalt 27 Jahre lang eingesetzt hat. Nach dem Romanistikstudium und dem gescheiterten Versuch, sich als freier Schriftsteller durchzuschlagen, hat er sich für Jura entschieden und kämpft für die Rechte der unterdrückten Minderheiten, jene, die objektiv „unsichtbar“ sind. Als Adam kurz vor seinem Tod versucht, ein Buch über seine Erlebnisse im Jahr 1967 zu schreiben, dem eigentlichen Wendepunkt seines Lebens, und irgendwann nicht weiter kommt, wird ihm klar: „Indem ich von mir selbst in der ersten Person schrieb, hatte ich mich lahmgelegt, mich unsichtbar gemacht, mir die Möglichkeit genommen, das zu finden, wonach ich suchte.“ Das ist die subjektive Unsichtbarkeit.
Adam Walker ist ein Narziss, der wie sein Vorbild im Mythos sein Spiegelbild zerstört, als er es zu umarmen versucht, während die Welt um ihn herum zum bloßen Echo verkommt wie die gleichnamige verschmähte Nymphe. Auster bindet die Fabel von Narcissus und Echo zurück an den Tod des kleinen Andy, der im Echo Lake ertrank. Erst durch seinen Tod „im Seh“ war der zuvor unbeachtete Jüngste ja sichtbar geworden, denn das Trauma, das sein Unfall für die Familie bedeutet, verleiht ihm eine allgegenwärtige Präsenz. Und auch Adam muss einen symbolischen Tod als Dichter und seine Wiederauferstehung als Anwalt und Menschenrechtler erleben, um den Bann zu brechen. Erst durch seine Entscheidung für ein Leben der Selbstlosigkeiterringt er beides: ein Leben und ein Selbst.
Adam Walker ist Amerika, und sein Fluch der Fluch jener krisenhaften Jahre nach dem Tod Kennedys und vor dem Menetekel Vietnam. Schon sein Name spiegelt den Selbstbetrug einer ganzen Nation. Denn dieser Adam ist alles andere als ein Stammvater, unfruchtbar ist er als Dichter wie als biologischer Erzeuger. Und Walker ist nur die amerikanisierte Form des Namens polnischer Juden, die nach Amerika auswanderten.
Adams naiver Idealismus wirkt wie eine literarische Pose, als er im Frühling, der dem Summer of Love 1967 vorausgeht, eine doppelte Initiation erfährt, Sündenfall und Erweckungserlebnis zugleich. Er macht Bekanntschaft mit Eros und Thanatos in Gestalt eines Paares aus Europa. Der Tod, das ist der dandyhafte Zyniker und sinistre Menschenfeind Rudolf Born. Eros, das ist Borns sexbesessene Freundin Margot, mit der Born selbst Adam verkuppelt. Born, dieser dekadente Mephisto im zerknitterten Leinenanzug, ist ein Verführer in zweifacher Hinsicht. Er bietet dem jungen Mann nicht nur seine Geliebte an, sondern auch 25 000 Dollar, um eine literarische Zeitschrift zu gründen. Fast scheint es, als solle Adam, der unschuldige amerikanische Held, das Paar von sich selbst erlösen, als suchten beide, Born und Margot, nach Entsühnung. Dann jedoch sticht Born im Park einen jungen Farbigen nieder, und es kommt zum Bruch. Adam folgt Born nach Paris, um den Mord zu vergelten. Doch sein Racheplan ist allzu romantisch, um zu verfangen.
Um ein paar Illusionen ärmer kehrt Adam in die USA zurück, doch was er über sich und seine Abgründe gelernt hat, verarbeitet er als individuelle Erfahrung, die er nicht ins Allgemeine hochrechnet. Dieser Widerspruch zwischen dem Privaten und Politischen ist das eigentlich Fesselnde an Austers Roman. Einerseits ist da noch das scheinbar intakte, fortschrittsgläubige Wohlstandsamerika, in dem Sex und Drogen verpönt sind, andererseits sind die europäischen Eindringlinge mit ihrem Hedonismus und ihrer Amoral nur Vorboten der anarchischen Kräfte, die bald auch hier ausbrechen.
Man lebt zwar noch in der alten Ordnung, doch alles deutet voraus auf die kommenden sozialen Umbrüche. Noch führen Krisen zur Selbstzerstörung, bald schon zur Solidarisierung. Darum ist es so triftig, dass Auster offen lässt, ob Born tatsächlich gemordet hat, ob Adam wirklich mit seiner Schwester schlief oder ob es sich dabei nur um eine Inzest-Phantasie handelte. Schließlich ist Gwyn, die ihm wie ein Zwilling gleicht, nur ein Spiegel-Ich, eine Chimäre im Grunde, eine Ausfaltung seiner selbst. „Unsichtbar“ handelt von unausgelebten Latenzen, die noch nicht ins Politische umschlagen – diesen Gärzustand fängt Auster gerade dadurch ein, dass sein Roman auf der Handlungsebene unerlöst bleibt.
Kennzeichen der narzisstischen Störung, schrieb Richard Sennett in „Verfall und Ende des öffentlichen Lebens“, sei die Unfähigkeit, sein Selbstbild zu objektivieren. Diese Störung als amerikanisches Syndrom an einem entscheidenden Datum der Zeitgeschichte aufzuzeigen, macht „Unsichtbar“ zu einem großartigen Buch. Schlank, flüssig und geradezu plot-driven, erfüllt es die Tugenden des American writingin subversiver Absicht. Tatsächlich handelt der Roman, der sich perfekt mit dem Kolorit der sechziger Jahre – Martini-Moderne und Pariser Juliette-Gréco-Bohème – geschminkt hat, von der Gegenwart. Wieder verkommt das Land, weil Amerika gebannt in den Spiegel starrt. Paul Auster hat das vorausgesehen, indem er zurückblickt. CHRISTOPHER SCHMIDT
PAUL AUSTER: Unsichtbar. Roman. Aus dem Englischen von Werner Schmitz. Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2010. 320 Seiten, 19, 95 Euro.
Narziss und Goldjunge:
Dies ist Paul Austers bisher
bestes und tiefstes Buch
Oben ein amerikanischer Student und seine französische Freundinim Paris der sechziger Jahre. Links Paul Auster bei der Pariser Buchmesse im Frühjahr 2010.
Fotos: Dean Loomis/Getty Images, Francesco Acerbis/Corbis
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.07.2010Mord, komm raus, du bist umzingelt!
Paul Auster legt in seinem Roman "Unsichtbar" viele Spuren aus, denen zu folgen sich lohnt. Dass man dabei an irgendein Ziel käme, ist vom Autor aber nicht beabsichtigt. Denn seine Wahrheit war schon immer die Lüge.
Von Tobias Döring
Eigentlich ist das Erzählen ein ziemlich rätselhafter Vorgang: Jemand übermittelt uns etwas in Worten, von dessen Existenz wir meistens nur durch diese Worte überhaupt erfahren und das für uns in solcher Übermittlung gleichwohl Dringlichkeit und wahrhafte Präsenz gewinnen kann. Je stärker dies der Fall ist, also je mehr uns das Erzählte anspricht, bewegt, berührt, ergreift und fesselt, desto williger vergessen wir den Vorgang des Erzählens selbst und wollen uns ganz auf das einlassen, wovon die Rede ist - die eigentliche Gegenwart verblasst. Die Person eines Erzählers wird dadurch allerdings nur umso machtvoller. Richtig spannend gerät die Geschichte meistens dann, wenn wir uns darin verlieren können und die Rolle des Erzählers, der doch alles nur mit Worten ausmalt oder schlicht erfindet, aus dem Blick verlieren. Dann hat er uns ganz in der Hand. Wie ein Puppenspieler führt er nicht nur die Figuren an den Fäden, sondern auch sein Publikum. Seine größte Macht liegt darin, selber unsichtbar zu sein.
Der neue Roman von Paul Auster mit dem Titel "Unsichtbar" gibt reichlich Gelegenheit, dieses Rätsel zu erkunden. Wie in einem Selbstversuch unterzieht er altbewährte Kniffe der Erzählkunst einem neuerlichen Wirkungstest und nötigt uns ganz nebenbei, unsere eigene Verführbarkeit durch Wortbeschwörer, Weltversprecher oder andere Sprachartisten auszutesten.
Mit souveräner Könnerschaft werden wir hier immer wieder in den Sog einer Geschichte gezogen, die so ziemlich alles bietet, was das Leserherz begehrt: einen Campusroman mit literarisch ambitioniertem Helden; einen Spionagethriller aus den Zeiten, da der Kalte Krieg sich zu den Kolonialkriegen in Algerien und Vietnam ausweitet; eine Initiationsgeschichte, die den Helden durch Mord und andere Verbrechen in die Verderbtheit der modernen Welt einführt. Dazu diverse sexuelle Abenteuer sowie vor allem die so unerhörte wie gefühlsgewaltige Geschichte der verbotenen Geschwisterliebe, auf die sich der Protagonist für die Dauer eines kurzen, heißen Sommers einlässt. Doch immer, wenn die Sache hochkocht und wir uns vom Erzählten bedenkenlos mitreißen lassen wollen, bricht der Roman mit der Illusion: Der Vorgang des Erzählens selbst rückt in den Vordergrund und konfrontiert uns mit der Frage, ob Wortgespinsten überhaupt zu trauen ist. Die Macht dieses Erzählers liegt also eher darin, je nach Bedarf sichtbar zu sein.
Dazu genügt ein Wechsel der grammatischen Person, in der das Geschehen übermittelt wird. Denn keineswegs, so stellt sich bald heraus, ist Selbsterlebtes stets am besten in der ersten Person vorzutragen: "Indem ich von mir selbst in der ersten Person schrieb, hatte ich mich lahmgelegt, mich unsichtbar gemacht, mir die Möglichkeit genommen, das zu finden, wonach ich suchte. Ich musste mich von mir trennen, einen Schritt zurücktreten und ein wenig Raum zwischen mich und meinen Gegenstand (der ich selbst war) bringen."
Diesen Rat erteilt hier ein Erfolgsschriftsteller seinem alten Freund, zu dessen autobiographischem Nachlassverwalter er unversehens wird. Im Weiteren wird dieser "Raum", von dem er spricht, gleich mehrfach neu vermessen, denn mit jedem Ansatz, die Verwicklungen des Lebens zu Papier zu bringen, wechselt die grammatische Person: Aus der Ich- wird eine Duund schließlich eine Er-Erzählung, als ließe sich in jeweils anderer Sicht und Ansprache das eigentlich Gesuchte doch noch fassen. Das alles mag abstrakt und vielleicht etwas blutleer scheinen, gerät bei Altmeister Auster aber wie gewohnt zum vertrackt-spannenden Vexierspiel.
Alles beginnt auf einer Studentenparty in New York im Frühjahr 1967. Adam Walker, der an der Columbia University Literatur studiert, am liebsten aber selbst schon bald als Dichter reüssieren will, lernt einen Gastprofessor namens Born aus Frankreich kennen, dessen Name ihn an einen alten Troubadour erinnert. Darüber kommt man ins Gespräch und trifft sich, wie der Zufall spielt, schon zwei Tage später andernorts erneut. Es folgt eine Einladung zum Essen, die Adam umso lieber annimmt, als sie ihm Gelegenheit zum Wiedersehen mit der Freundin des Professors bietet, einer etwas düsteren Schönheit, die ihm schon auf der Party aufgefallen war. Tatsächlich scheint die Attraktion zwischen den beiden wechselseitig; dazu fordert Born ihn nicht nur beinah unverhohlen auf, eine Affäre mit ihr zu riskieren, sondern macht Adam zugleich das großzügige Angebot, auf seine Kosten eine Literaturzeitschrift zu gründen. Misstrauisch zunächst und völlig unsicher, was für Absichten der rätselhafte Fremde eigentlich verfolgt, gerät Adam doch schnell in den Sog von dessen Reden und lässt sich auf die Aussichten, die er eröffnet, ein - inklusive einer rauschhaften Beziehung mit der Freundin. Und gerade als diese Verwicklungen kulminieren, lernt er Born unvermittelt auch noch anders kennen: als einen brutalen Killer, der eiskalt zusticht.
Hier bricht die Erzählung vorerst ab. Was weiterhin geschieht, wie Adam sich entsetzt von Born abwendet und eine neue Lebensperspektive sucht, wie er ihm in Paris im Herbst desselben Jahres dennoch wiederbegegnet und beschließt, das verlogene Glück, das Born sich offensichtlich gerade aufbaut, durch die Enthüllung seiner Mordtat zu zerstören und wie sich Adam gerade dadurch immer mehr in einem Netzwerk undurchsichtiger Machenschaften verfängt - all das erfahren wir in zwei neuerlichen Ansätzen zum Schreiben sowie einem späteren Nachsatz, wenn der Freund nach Adams Tod versucht, die Geschichte aus den Hinterlassenschaften und dem Zeugnis Hinterbliebener zu bergen.
Dabei verschiebt sich allerdings nicht nur die Perspektive; auch der Fokus des Erzählens geht fast unmerklich auf immer andere Rätselhaftigkeiten über: Ob Adam wirklich Zeuge eines Mordes wurde, ob ihn Born oder dessen Freundin sexuell verführen wollten, ob er selbst eine Achtzehnjährige verführen kann, um sich an Born zu rächen, und ob er überhaupt je mit der Schwester seine hemmungslose Lust auslebt, ist daher letztlich ungewiss. Die Wahrheit des Erzählten bleibt verborgen.
Stattdessen sind wir ständig den Versionen ausgeliefert, die ein professioneller Autor aus den Aufzeichnungen und Erzählungen, die ihm übermittelt werden, wie ein treuer Eckermann bearbeitet und für den Druck herausgibt. Ganz zum Schluss folgt doch noch eine völlig überraschende Enthüllung, die aber weniger die alten Rätsel auflöst als vielmehr noch ein neues stellt. So verbindet sich die literarische Collage - Auster kombiniert Formen des Briefromans, der Tagebuchaufzeichnung und der bekannten Herausgeberfiktion mit einer Vielzahl weiterer Anspielungen, nicht zuletzt auf sein eigenes Werk - abermals mit der Spurensuche eines klassischen Detektivs, der aus nichts als allerhand Indizien und den Aussagen von zweifelhaften Zeugen einen Fall rekonstruieren muss, doch letztlich seine Hoffnungen auf halbwegs sicheres Terrain verliert: "Jeder würde in ihrer Situation lügen, alle würden lügen. Lügen wären die einzige Möglichkeit." Zugleich aber sind Lügen, wie man weiß, seit jeher ein Grundstoff des Erzählens.
Gewiss, dergleichen hat man oft gehört und oft gelesen, und auch die Postmoderne, die uns das immer wieder gerne ins Gedächtnis rief, ist längst schon in den Jahren. Aber wer auf Neues aus ist, sollte Paul Auster ohnehin strikt meiden. Denn seine ganze Kunst liegt darin, Altbewährtes einer neuen Probe auszusetzen und Fund- wie Bruchstücke der Tradition in immer weiteren Mustern anzuordnen, wie um herauszufinden, wozu sie uns noch taugt. So auch jetzt in seinem siebzehnten Roman. Wer sich als Leser von Geschichten am liebsten ganz darin verliert und im Erzählten das Erlebte sucht, wird "Unsichtbar" verstörend, ja verdrießlich finden. Dagegen folgt die wahre Lust dieser Lektüre - ganz wie bei jeder prickelnden Affäre - aus der Distanz, in die das heiß Begehrte immer wieder rückt. Der Kitzel liegt im fortwährenden Hoffen und Erahnen; das Machtvolle bleibt unsichtbar.
Paul Auster: "Unsichtbar". Roman. Aus dem Amerikanischen von Werner Schmitz. Rowohlt Verlag, Reinbek 2010. 320 S., geb., 19,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Paul Auster legt in seinem Roman "Unsichtbar" viele Spuren aus, denen zu folgen sich lohnt. Dass man dabei an irgendein Ziel käme, ist vom Autor aber nicht beabsichtigt. Denn seine Wahrheit war schon immer die Lüge.
Von Tobias Döring
Eigentlich ist das Erzählen ein ziemlich rätselhafter Vorgang: Jemand übermittelt uns etwas in Worten, von dessen Existenz wir meistens nur durch diese Worte überhaupt erfahren und das für uns in solcher Übermittlung gleichwohl Dringlichkeit und wahrhafte Präsenz gewinnen kann. Je stärker dies der Fall ist, also je mehr uns das Erzählte anspricht, bewegt, berührt, ergreift und fesselt, desto williger vergessen wir den Vorgang des Erzählens selbst und wollen uns ganz auf das einlassen, wovon die Rede ist - die eigentliche Gegenwart verblasst. Die Person eines Erzählers wird dadurch allerdings nur umso machtvoller. Richtig spannend gerät die Geschichte meistens dann, wenn wir uns darin verlieren können und die Rolle des Erzählers, der doch alles nur mit Worten ausmalt oder schlicht erfindet, aus dem Blick verlieren. Dann hat er uns ganz in der Hand. Wie ein Puppenspieler führt er nicht nur die Figuren an den Fäden, sondern auch sein Publikum. Seine größte Macht liegt darin, selber unsichtbar zu sein.
Der neue Roman von Paul Auster mit dem Titel "Unsichtbar" gibt reichlich Gelegenheit, dieses Rätsel zu erkunden. Wie in einem Selbstversuch unterzieht er altbewährte Kniffe der Erzählkunst einem neuerlichen Wirkungstest und nötigt uns ganz nebenbei, unsere eigene Verführbarkeit durch Wortbeschwörer, Weltversprecher oder andere Sprachartisten auszutesten.
Mit souveräner Könnerschaft werden wir hier immer wieder in den Sog einer Geschichte gezogen, die so ziemlich alles bietet, was das Leserherz begehrt: einen Campusroman mit literarisch ambitioniertem Helden; einen Spionagethriller aus den Zeiten, da der Kalte Krieg sich zu den Kolonialkriegen in Algerien und Vietnam ausweitet; eine Initiationsgeschichte, die den Helden durch Mord und andere Verbrechen in die Verderbtheit der modernen Welt einführt. Dazu diverse sexuelle Abenteuer sowie vor allem die so unerhörte wie gefühlsgewaltige Geschichte der verbotenen Geschwisterliebe, auf die sich der Protagonist für die Dauer eines kurzen, heißen Sommers einlässt. Doch immer, wenn die Sache hochkocht und wir uns vom Erzählten bedenkenlos mitreißen lassen wollen, bricht der Roman mit der Illusion: Der Vorgang des Erzählens selbst rückt in den Vordergrund und konfrontiert uns mit der Frage, ob Wortgespinsten überhaupt zu trauen ist. Die Macht dieses Erzählers liegt also eher darin, je nach Bedarf sichtbar zu sein.
Dazu genügt ein Wechsel der grammatischen Person, in der das Geschehen übermittelt wird. Denn keineswegs, so stellt sich bald heraus, ist Selbsterlebtes stets am besten in der ersten Person vorzutragen: "Indem ich von mir selbst in der ersten Person schrieb, hatte ich mich lahmgelegt, mich unsichtbar gemacht, mir die Möglichkeit genommen, das zu finden, wonach ich suchte. Ich musste mich von mir trennen, einen Schritt zurücktreten und ein wenig Raum zwischen mich und meinen Gegenstand (der ich selbst war) bringen."
Diesen Rat erteilt hier ein Erfolgsschriftsteller seinem alten Freund, zu dessen autobiographischem Nachlassverwalter er unversehens wird. Im Weiteren wird dieser "Raum", von dem er spricht, gleich mehrfach neu vermessen, denn mit jedem Ansatz, die Verwicklungen des Lebens zu Papier zu bringen, wechselt die grammatische Person: Aus der Ich- wird eine Duund schließlich eine Er-Erzählung, als ließe sich in jeweils anderer Sicht und Ansprache das eigentlich Gesuchte doch noch fassen. Das alles mag abstrakt und vielleicht etwas blutleer scheinen, gerät bei Altmeister Auster aber wie gewohnt zum vertrackt-spannenden Vexierspiel.
Alles beginnt auf einer Studentenparty in New York im Frühjahr 1967. Adam Walker, der an der Columbia University Literatur studiert, am liebsten aber selbst schon bald als Dichter reüssieren will, lernt einen Gastprofessor namens Born aus Frankreich kennen, dessen Name ihn an einen alten Troubadour erinnert. Darüber kommt man ins Gespräch und trifft sich, wie der Zufall spielt, schon zwei Tage später andernorts erneut. Es folgt eine Einladung zum Essen, die Adam umso lieber annimmt, als sie ihm Gelegenheit zum Wiedersehen mit der Freundin des Professors bietet, einer etwas düsteren Schönheit, die ihm schon auf der Party aufgefallen war. Tatsächlich scheint die Attraktion zwischen den beiden wechselseitig; dazu fordert Born ihn nicht nur beinah unverhohlen auf, eine Affäre mit ihr zu riskieren, sondern macht Adam zugleich das großzügige Angebot, auf seine Kosten eine Literaturzeitschrift zu gründen. Misstrauisch zunächst und völlig unsicher, was für Absichten der rätselhafte Fremde eigentlich verfolgt, gerät Adam doch schnell in den Sog von dessen Reden und lässt sich auf die Aussichten, die er eröffnet, ein - inklusive einer rauschhaften Beziehung mit der Freundin. Und gerade als diese Verwicklungen kulminieren, lernt er Born unvermittelt auch noch anders kennen: als einen brutalen Killer, der eiskalt zusticht.
Hier bricht die Erzählung vorerst ab. Was weiterhin geschieht, wie Adam sich entsetzt von Born abwendet und eine neue Lebensperspektive sucht, wie er ihm in Paris im Herbst desselben Jahres dennoch wiederbegegnet und beschließt, das verlogene Glück, das Born sich offensichtlich gerade aufbaut, durch die Enthüllung seiner Mordtat zu zerstören und wie sich Adam gerade dadurch immer mehr in einem Netzwerk undurchsichtiger Machenschaften verfängt - all das erfahren wir in zwei neuerlichen Ansätzen zum Schreiben sowie einem späteren Nachsatz, wenn der Freund nach Adams Tod versucht, die Geschichte aus den Hinterlassenschaften und dem Zeugnis Hinterbliebener zu bergen.
Dabei verschiebt sich allerdings nicht nur die Perspektive; auch der Fokus des Erzählens geht fast unmerklich auf immer andere Rätselhaftigkeiten über: Ob Adam wirklich Zeuge eines Mordes wurde, ob ihn Born oder dessen Freundin sexuell verführen wollten, ob er selbst eine Achtzehnjährige verführen kann, um sich an Born zu rächen, und ob er überhaupt je mit der Schwester seine hemmungslose Lust auslebt, ist daher letztlich ungewiss. Die Wahrheit des Erzählten bleibt verborgen.
Stattdessen sind wir ständig den Versionen ausgeliefert, die ein professioneller Autor aus den Aufzeichnungen und Erzählungen, die ihm übermittelt werden, wie ein treuer Eckermann bearbeitet und für den Druck herausgibt. Ganz zum Schluss folgt doch noch eine völlig überraschende Enthüllung, die aber weniger die alten Rätsel auflöst als vielmehr noch ein neues stellt. So verbindet sich die literarische Collage - Auster kombiniert Formen des Briefromans, der Tagebuchaufzeichnung und der bekannten Herausgeberfiktion mit einer Vielzahl weiterer Anspielungen, nicht zuletzt auf sein eigenes Werk - abermals mit der Spurensuche eines klassischen Detektivs, der aus nichts als allerhand Indizien und den Aussagen von zweifelhaften Zeugen einen Fall rekonstruieren muss, doch letztlich seine Hoffnungen auf halbwegs sicheres Terrain verliert: "Jeder würde in ihrer Situation lügen, alle würden lügen. Lügen wären die einzige Möglichkeit." Zugleich aber sind Lügen, wie man weiß, seit jeher ein Grundstoff des Erzählens.
Gewiss, dergleichen hat man oft gehört und oft gelesen, und auch die Postmoderne, die uns das immer wieder gerne ins Gedächtnis rief, ist längst schon in den Jahren. Aber wer auf Neues aus ist, sollte Paul Auster ohnehin strikt meiden. Denn seine ganze Kunst liegt darin, Altbewährtes einer neuen Probe auszusetzen und Fund- wie Bruchstücke der Tradition in immer weiteren Mustern anzuordnen, wie um herauszufinden, wozu sie uns noch taugt. So auch jetzt in seinem siebzehnten Roman. Wer sich als Leser von Geschichten am liebsten ganz darin verliert und im Erzählten das Erlebte sucht, wird "Unsichtbar" verstörend, ja verdrießlich finden. Dagegen folgt die wahre Lust dieser Lektüre - ganz wie bei jeder prickelnden Affäre - aus der Distanz, in die das heiß Begehrte immer wieder rückt. Der Kitzel liegt im fortwährenden Hoffen und Erahnen; das Machtvolle bleibt unsichtbar.
Paul Auster: "Unsichtbar". Roman. Aus dem Amerikanischen von Werner Schmitz. Rowohlt Verlag, Reinbek 2010. 320 S., geb., 19,95 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension
Routiniert bespricht Hubert Winkels einen anscheinend ebenso routinierten neuen Auster-Roman. Dieser Roman, lesen wir beispielsweise, sei genauso halbseiden, so spannend wie akademisch, unentschieden zwischen Suspense-Dramaturgie und poetologischem Rätsel wie andere Auster-Romane auch. Nur mit den Sexszenen sei es diesmal anders, da es sich um Inzest handele, was Winkels als Tabuüberschreitungsversuchs aber eher "angegraut" findet. Insgesamt kommt ihm diese Geschichte wie eine Art postmodernes "Wälsungenblut" vor, leicht eklektizistisch, mäßig fesselnd. Erst am Ende kommt Intensität auf, wie Winkels schreibt.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Paul Austers 13. Roman zeigt den Meister des intelligent mysteriösen Suspense auf dem Höhepunkt seiner Kunst. Der Tagesspiegel