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Was unterscheidet Rom von allen anderen Orten, fragt sich Marco Lodoli. Er kann das vielleicht gar nicht beantworten, denn der Journalist, Schriftsteller und Lehrer ist in der Ewigen Stadt geboren. Und kann man das Besondere an seiner Heimat beurteilen oder überhaupt erkennen? Schwerlich. Dennoch zeigt Lodoli in "Unter dem blauen Himmel Roms" sein Rom, wie es nur wenige sehen können, weil ihnen der Blick fehlt für die Geheimnisse und die Unscheinbarkeiten einer solchen Stadt. Man taumelt auf seinen leichten Worten mit ihm heraus aus dem ewig jungen "Piper", dem Nachtclub, der zu Rom gehört wie Petersplatz und Pantheon, hinaus in den frühen Morgen, an dem Rom laut Lodoli Tag für Tag seine beste Seite zeigt. Das Kolosseum ist für ihn nur Teil eines lästigen Kreisverkehrs, aber er kennt die verborgenen Schätze, wie den Freskenzyklus im Oratorio del Crocifisso, das allerdings kaum jemand betritt, denn es liegt um die Ecke der Fontana di Trevi, die alle Besucher anzieht. Oder die Murales im Viertel Il Quadraro, die anstelle von leidenden Heiligen Straßenkunst wie grüne Hulk-Babys zeigen. Lodoli kennt auch die Römer und damit sich selbst: Sie seien heiter und pessimistisch zugleich, im Wissen, dass alles im Fluss ist und alles vorübergeht. Das steht ihnen in ruinöser Form täglich vor Augen, und ist vielleicht schon immer in ihren Genen. Lodoli beschreibt Roms Wege als Romane, die in einer überraschenden Handlung zusammenkommen, oder als Puzzle, das man erst noch zusammensetzen muss. Puzzleteile und Romanseiten sind für Lodoli etwa die Gedenktafel für den kleinen Ugo Forno, dem letzten Toten der Resistenza Romana, das Krankenhaus für Fledermäuse oder die "Statue parlanti", die "sprechenden Statuen", an die im sechzehnten Jahrhundert nachts heimlich anonyme Schmähgedichte und Beschwerden angebracht wurden. Mit einer reizenden Poesie und Wärme in seinen Worten führt Marco Lodoli so durch ein römisches Jahr, ebenfalls im Fluss, nicht durch Kapitel unterbrochen und langsam dahintreibend wie ein Blatt auf dem Tiber. Und am Ende hat er vielleicht sogar eine Antwort auf seine Frage gefunden, sie ist in der Via Veneto zu lesen: Roma lenta quia eterna. Rom ist langsam, weil es ewig ist.
kari
"Unter dem blauen Himmel Roms" von Marco Lodoli. Insel Verlag, Berlin 2016. 200 Seiten. Broschiert, 10 Euro.
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