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Er nennt sich Simon, seitdem er illegal nach Deutschland eingeschleust und in Niedersachsen abgesetzt wurde. Nur mit dem, was er am Leibe trägt, und seinen bruchstückhaften Erinnerungen versucht er, sich im fremden Land zurechtzufinden. Wenigstens spricht er Deutsch. In einer verlassenen Mühle trifft er auf Valentina und den jungen verstörten Roddy - auch sie Flüchtlinge aus Osteuropa. Simon möchte für die beiden sorgen, etwas Neues aufbauen. Sie tun sich zusammen und für die Wahlfamilie beginnt eine lange und beschwerliche Reise. Alle drei sind traumatisiert und ohne Angehörige. Sie leben in…mehr

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Produktbeschreibung
Er nennt sich Simon, seitdem er illegal nach Deutschland eingeschleust und in Niedersachsen abgesetzt wurde. Nur mit dem, was er am Leibe trägt, und seinen bruchstückhaften Erinnerungen versucht er, sich im fremden Land zurechtzufinden. Wenigstens spricht er Deutsch. In einer verlassenen Mühle trifft er auf Valentina und den jungen verstörten Roddy - auch sie Flüchtlinge aus Osteuropa. Simon möchte für die beiden sorgen, etwas Neues aufbauen. Sie tun sich zusammen und für die Wahlfamilie beginnt eine lange und beschwerliche Reise. Alle drei sind traumatisiert und ohne Angehörige. Sie leben in ständiger Angst, entdeckt zu werden, schlagen sich durch und hoffen, irgendwann anzukommen. Oft denkt Simon an seine erste Nacht auf dem Feld unter freiem Himmel, auch die dunklen Bilder aus der Vergangenheit tauchen auf. Dann gelingt es ihm, Arbeit in einem Fahrradladen zu finden, der alte Besitzer will ihnen sogar bei der Legalisierung helfen, aber es ist ein täglicher Kampf. Nach einem Streit läuft Roddy weg, Valentina und Simon suchen das behinderte Kind verzweifelt. Obwohl sie sich nähergekommen sind, driften die beiden während der Suche auseinander. Jeder geht seinen eigenen Weg, in die Mühle können sie nicht zurück. Die junge Valentina sehnt sich nach dem großen Leben in der Stadt. Simon nimmt mehr als die Oberfläche anderer Menschen wahr, aber er wird von seinen Erinnerungen und Verletzungen gequält. Erst als Valentina wieder zu ihm stößt, bekommt er neuen Mut. Als sie auf die vierzehnjährige Kari treffen - sie kam mit Simon in derselben Flüchtlingsgruppe nach Deutschland -, scheint der Traum einer Familie in greifbare Nähe zu rücken: Doch dafür müssen sie Roddy finden. Wie Koch durch Simons Blick die Atmosphäre, das soziale und psychische Gefüge dieser kleinen Gruppe in deutscher Gegenwart lebendig werden lässt, das ist poetischer Realismus in Reinform.

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Autorenporträt
Geboren 1959 in Hagen. Promovierte über Heimito von Doderer und lebt mit seiner Familie als freier Schriftsteller in Köln. Er veröffentlichte u. a. zahlreiche Kurzgeschichten, den Erzählband "Helle Nächte" (1995) sowie die Romane "Das braune Mädchen" (1998), "Paare" (2000), "Ins leise Zimmer" (2003), "Ich dachte an die vielen Morde" (2009) und "Unter fremden Himmel" (2010), "Dinge, die ich von ihm weiß" (2011). 2002 gab er die Anthologie "Der wilde Osten. Neueste deutsche Literatur" heraus. Für sein Werk wurde er vielfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Bettina-von-Arnim-Preis.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.09.2011

Wo geht's nach oben?
Neorealistische Schreibaufgabe: Roland E. Koch begleitet illegale Immigranten

Integrationsgeschichten sind als Gegengewicht zu allerlei mehr oder minder kritischen Diagnosen und politischen Absichtserklärungen derzeit sehr willkommen und preiswürdig. Nur in der Form der Erzählung kann ermessen werden, welche Schwierigkeiten und Möglichkeiten sich im Einzelfall ergeben. Melinda Abonji ist selbst über ihre oft klischeehafte Sprache hinweg in "Tauben fliegen auf" eine lebendige Darstellung des Immigrantenschicksals in der Schweiz gelungen, noch eindringlicher wirkt das erfindungsreich fremdartige Deutsch, in dem Léda Forgó in "Vom Ausbleiben der Schönheit" beschreibt, was im Berliner Exil verkraftet werden muss. Solche Erfahrungen aber aus zweiter Hand erzählerisch zu gestalten ist selbst für einen Lehrbeauftragten für Kreatives Schreiben keine leichte Aufgabe.

Roland E. Koch erzählt die Geschichte von Simon, einem illegal aus Osteuropa eingewanderten jungen Mann, aus der Ich-Perspektive, was auch dadurch motiviert wird, dass der von sich behauptet, gut Deutsch zu sprechen. Simon wird von Schleppern auf freiem Feld in Niedersachsen abgesetzt und genießt trotz Hungers und Kälte zunächst die Erleichterung des Entronnenseins. "Diesen ersten Abend werde ich nie vergessen, ich war so naiv, hoffnungsvoll und glücklich, weil ich frei war." Bald aber stellen sich schmerzhafte Erinnerungen ans Verlorene und Zurückgelassene ein, die sich mit der Angst vor Entdeckung mischen.

Als er Valentina kennenlernt, die mit Roddy, einem behinderten Kind, ebenfalls aus Osteuropa geflüchtet ist, hofft er auf ein gemeinsames Leben, zumal er Arbeit in einer Fahrradwerkstatt gefunden hat. Er erkennt aber gleichzeitig, wie leer seine Träume von Unabhängigkeit gewesen waren und "dass wir so leicht keine Deutschen werden konnten". Valentina aber hat kein Verständnis für seine Bescheidenheit und seine "Opferhaltung". Sie will nach oben, zum guten Leben in der großen Stadt. Schon die Einigung über den Bodenbelag der erträumten gemeinsamen Wohnung fällt schwer. Er möchte Linoleum, sie Landhausdielen. Nach einem Streit verschwindet auch noch Roddy.

Roland E. Koch gestaltet die Perspektive auf das fremde Land häufig durch einen registrierenden Blick auf die Dingwelt. "Wir hatten Toastbrot, Käse, Gurken, Oliven, Frühstücksfleisch in Dosen." So wird auch die Arbeit in der Fahrradwerkstatt als Aufzählung beschrieben. "Schäden und Macken an den Rädern, gesprungene Kunststoffschutzbleche, verbogene Felgen, gerissene Bremszüge, schleifende Ketten."

Gegenüber solcher Nüchternheit in der Beschreibung der Außenwelt werden für die Schilderungen der Erinnerungen und Träume, manchmal etwas linkisch, poetische Mittel aufgeboten. "Die Musik war schön, und ich lauschte jetzt mit dem ganzen Körper, sie schnitt tief in mich ein, wie ein Faden, aber sie entfernte zugleich etwas, das vernäht und zugewachsen gewesen war." Der Autor möchte offenbar den Gefühlen seines Protagonisten nicht zu nahe treten, läuft aber dabei Gefahr, die Evokation von Erinnerungen durch Kitsch oder summarische Abstraktion zu ersetzen. "Ich sah hundert Szenen, und sowenig sie auch zusammenzubringen waren, so gehörten die doch alle in mein Leben, waren von mir erlebt."

Einerseits lässt er den Leser in Simon eine differenzierte Persönlichkeit erahnen, andererseits stattet er ihn mit ziemlich trivialen Träumen und im Verhältnis zur Umwelt zudem mit den stilistischen Mitteln des Besinnungsaufsatzes aus, die ihn ziemlich einfältig erscheinen lassen. "Ich ging einkaufen und entdeckte einen mittelgroßen Supermarkt, der ordentlich zwischen den sauberen Häusern lag. Im Laden war es ziemlich voll, und ich brauchte lange, bis ich fand, was ich jeweils suchte."

"Unter fremdem Himmel" ist ein redlicher Versuch, das Erleben des Immigranten nicht bemächtigend ins Eigene zu ziehen. Der Leser mag das respektieren, aber die Geschichte geht ihm bei aller mitfühlenden Einsicht nicht nahe, weil er sich über weite Strecken des Eindrucks nicht erwehren kann, dass es sich bei Roland E. Kochs Integrationsroman um die angestrengte Erledigung einer neorealistischen Schreibaufgabe handelt.

FRIEDMAR APEL

Roland E. Koch: "Unter fremdem Himmel". Roman.

Dittrich Verlag, Berlin 2010, 240 S., geb., 19,80 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

"Integrationsgeschichten" stehen derzeit hoch im Kurs, meint Friedmar Apel, der aber Roland E. Kochs Roman trotzdem nicht viel abgewinnen kann. Zwar lobt er Kochs Bemühungen, die ihm persönlich fehlende Migrationserfahrung erzählerisch glaubhaft zu rekonstruieren, doch das Ergebnis erscheint Apel wie "die angestrengte Erledigung einer neorealistischen Schreibaufgabe". Apel lobt den nüchternen Stil und die Konzentration auf die Dinge, mit der Koch die Erinnerungsmomente seiner Hauptfigur Simon gestaltet. Dessen Träume scheinen Apel allerdings trivial und sind dazu noch ein wenig linkisch dahin emotionalisiert. Überhaupt nicht nahe gegangen ist Apel deshalb die ganze Geschichte.

© Perlentaucher Medien GmbH