1921: Knud Rasmussen will zusammen mit einer Gruppe von Wissenschaftlern die bislang unerforschten Regionen Nordkanadas kartografieren - vor allem aber will er den Menschen begegnen und ihre Mythen und Geschichten aufzeichnen. Über ein Jahr lang besucht er verschiedene Inuit-Gemeinschaften und macht die Bekanntschaft mit dem großen Schamanen Awwa und dessen Familie. Awwa ist der letzte der Schamanen, denn auch die christlichen Missionare sind bis hoch in den Norden vorgedrungen. Das Leben der Inuit steht vor dem großen Umbruch. Ab 1923 führt Knud Rasmussens große Forschungsreise entlang der legendären, fast 6000 Kilometer langen Nordwestpassage bis zur Beringstraße. Mit nur einem Hundeschlitten unterwegs, ist die dreiköpfige Expeditionsgemeinschaft ganz auf sich gestellt.
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 21.11.2006Wenn die Seelen Fußball spielen
Der Polarforscher Knud Rasmussen bewegt sich zwischen Selbst- und Fremdbeobachtung
„Gib mir Schnee, gib mir Hunde und den Rest kannst du behalten” – mit diesen Worten hat der Polarforscher und Ethnologe Knud Rasmussen einmal seine größte Leidenschaft erklärt: das Leben in der Arktis. Nicht nur die Kälte, die Schneestürme oder das Walfleisch, das ihm auf seinen Reisen von den Küsteneskimos gereicht wurde, haben ihn zu seinen sieben Expeditionen ins Eis veranlasst. Seine eigentliche Neugier galt den Menschen dort, den Inuit, die er als das „sonderbarste Volk der Welt” beschreibt. Liebevoll berichtet er von ihnen als „Augenblicksmenschen”, die mit „primitiver Weisheit” von vielen wundersamen Dingen erzählen können – zum Beispiel von ihrem Glauben daran, dass das Nordlicht eine Zeichnung der Seelen sei, die auf der Erde sichtbar wird, wenn die Toten im jenseitigen Tagland mit Walrossschädeln Fußball spielen.
Geisterbeschwörern, Zauberern und Geschichtenerzählern ist Knud Rasmussen auf seiner großen Forschungsreise entlang der knapp 6000 Kilometer langen Nordwestpassage begegnet. Freundlich haben sie ihn aufgenommen, um ihm so absurde wie phantasie- und humorvolle Geschichten zu Protokoll zu geben. Dass er ein ebenso ausgezeichneter Beobachter wie Zuhörer ist, beweisen Passagen, in denen er die Wucht der Walross- und Rentierjagd beschreibt oder die Kunst des Schneehausbaus, die er miterlebt hat, als sich in weniger als einer Stunde ein ganzes Igludorf vor ihm aus den Schneewehen erhoben hat. Bemerkenswert an Rasmussens Aufzeichnungen ist die Unvoreingenommenheit, mit der ihm seine Beobachtungen gelingen. Selbst in Grönland, in der traditionellen Welt seiner Inuit-Vorfahren aufgewachsen, hat er das Jagen und den Umgang mit dem Hundeschlitten gelernt. Erst diese Fähigkeiten, seine eskimoische Muttersprache und sein vertrautes Aussehen haben es ihm ermöglicht, so weit in das Land und die Kultur der Inuit vorzudringen. Trotzdem beobachtet er aus einer gewissen wissenschaftlichen Distanz, die ihm wohl seine Ausbildungsjahre in Dänemark ermöglicht haben. Mit nahezu naiver Begeisterung schildert er seine Begegnungen und Erlebnisse mit dem eigenen Volk, fast als würde er im Moment der Reise eine zweite Kindheit in einer ihm fremden Kultur erleben.
1921 ist Knud Rasmussen zu seiner „Thule-Fahrt” aufgebrochen, 85 Jahre später erscheint nun die deutsche Neuausgabe seines Reisetagebuchs. Zu einer Zeit, in der Polarexpeditionen mit Flugzeugen und Motorschlitten bewerkstelligt werden und sich Forscher statt von Karibufleisch auch von Hamburgern aus dem Dorfsupermarkt ernähren können, sind die Abenteuer dieses Pioniers der Polarforschung für den Leser nicht nur eine Reise in eine andere Kultur, sondern auch in eine andere Ära der Arktis.
KALINE THYROFF
Knud Rasmussen
Unter Jägern und Schamanen
Unionsverlag, Zürich 2006, 347 Seiten, 12,90 Euro
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
Der Polarforscher Knud Rasmussen bewegt sich zwischen Selbst- und Fremdbeobachtung
„Gib mir Schnee, gib mir Hunde und den Rest kannst du behalten” – mit diesen Worten hat der Polarforscher und Ethnologe Knud Rasmussen einmal seine größte Leidenschaft erklärt: das Leben in der Arktis. Nicht nur die Kälte, die Schneestürme oder das Walfleisch, das ihm auf seinen Reisen von den Küsteneskimos gereicht wurde, haben ihn zu seinen sieben Expeditionen ins Eis veranlasst. Seine eigentliche Neugier galt den Menschen dort, den Inuit, die er als das „sonderbarste Volk der Welt” beschreibt. Liebevoll berichtet er von ihnen als „Augenblicksmenschen”, die mit „primitiver Weisheit” von vielen wundersamen Dingen erzählen können – zum Beispiel von ihrem Glauben daran, dass das Nordlicht eine Zeichnung der Seelen sei, die auf der Erde sichtbar wird, wenn die Toten im jenseitigen Tagland mit Walrossschädeln Fußball spielen.
Geisterbeschwörern, Zauberern und Geschichtenerzählern ist Knud Rasmussen auf seiner großen Forschungsreise entlang der knapp 6000 Kilometer langen Nordwestpassage begegnet. Freundlich haben sie ihn aufgenommen, um ihm so absurde wie phantasie- und humorvolle Geschichten zu Protokoll zu geben. Dass er ein ebenso ausgezeichneter Beobachter wie Zuhörer ist, beweisen Passagen, in denen er die Wucht der Walross- und Rentierjagd beschreibt oder die Kunst des Schneehausbaus, die er miterlebt hat, als sich in weniger als einer Stunde ein ganzes Igludorf vor ihm aus den Schneewehen erhoben hat. Bemerkenswert an Rasmussens Aufzeichnungen ist die Unvoreingenommenheit, mit der ihm seine Beobachtungen gelingen. Selbst in Grönland, in der traditionellen Welt seiner Inuit-Vorfahren aufgewachsen, hat er das Jagen und den Umgang mit dem Hundeschlitten gelernt. Erst diese Fähigkeiten, seine eskimoische Muttersprache und sein vertrautes Aussehen haben es ihm ermöglicht, so weit in das Land und die Kultur der Inuit vorzudringen. Trotzdem beobachtet er aus einer gewissen wissenschaftlichen Distanz, die ihm wohl seine Ausbildungsjahre in Dänemark ermöglicht haben. Mit nahezu naiver Begeisterung schildert er seine Begegnungen und Erlebnisse mit dem eigenen Volk, fast als würde er im Moment der Reise eine zweite Kindheit in einer ihm fremden Kultur erleben.
1921 ist Knud Rasmussen zu seiner „Thule-Fahrt” aufgebrochen, 85 Jahre später erscheint nun die deutsche Neuausgabe seines Reisetagebuchs. Zu einer Zeit, in der Polarexpeditionen mit Flugzeugen und Motorschlitten bewerkstelligt werden und sich Forscher statt von Karibufleisch auch von Hamburgern aus dem Dorfsupermarkt ernähren können, sind die Abenteuer dieses Pioniers der Polarforschung für den Leser nicht nur eine Reise in eine andere Kultur, sondern auch in eine andere Ära der Arktis.
KALINE THYROFF
Knud Rasmussen
Unter Jägern und Schamanen
Unionsverlag, Zürich 2006, 347 Seiten, 12,90 Euro
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Der Rezensent Georg Sütterlin ist beeindruckt von diesem Erlebnisbericht des dänischen Inuit-Forschers Knud Rasmussen, der auf einer 18 Monate dauernden Expedition das Leben der kanadischen Inuit erforschte - und freut sich schon auf die Fortsetzung, die Erzählung seiner Alaska-Reise, die im kommenden Herbst erscheinen soll. Hervorhebenswert findet Sütterlin, dass Rasmussen, anders als viele Forscher seiner Zeit, sich mit den Eingeborenen auf Augenhöhe befand. Ihm waren "Standesdünkel und Überlegenheitsgefühl fremd". Darüber hinaus war er in den Augen des Rezensenten ein "begnadeter Erzähler", dem man die Abenteuerlust und die "Liebe zu einer extremen Natur" anmerkt.
© Perlentaucher Medien GmbH
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»Im Gegensatz zu anderen Forschern, die Eingeborene zwar studieren, sie aber nicht unbedingt als gleichwertig betrachen und den Erfolg schon gar nicht mit ihnen teilen mögen, waren Rasmussen Standesdünkel und Überlegenheitsgefühl fremd. Kameradschaftlichkeit und das Fehlen von übertriebenem Ehrgeiz gehörten zu den anziehendsten Seiten dieser aussergewöhnlichen Persönlichkeit. Rasmussen ist ein begnadeter Erzähler. Die Freude am puren Abenteuer, die Liebe zu einer extremen Natur, die Zuneigung zu den Inuit und seine Vertrautheit mit ihrer Kultur sind auf jeder Seite spürbar. Die Männer leben mit den Inuit und sind ihnen bei der Jagd und anderen Arbeiten behilflich. Abends hält Rasmussen dann fest, was ihm die Inuit an Mythen, Märchen und Glaubensvorstellungen anvertrauen. Faszinierend sind die Auskünfte der Schamanen, auch wenn diese Gespräche nicht immer den gewünschten Erfolg zeitigen.« Georg Sütterlin Neue Zürcher Zeitung