Ochotsk liegt am Eismeer, es ist kalt dort und wahrscheinlich immer dunkel, warum sollte irgend jemand nach Ochotsk wollen? Die Menschen in Eleonore Freys Roman – die Buchhändlerin Sophie, die am liebsten eben jenes Buch verkauft, das "Unterwegs nach Ochotsk" heisst, und der Schriftsteller Robert, der nur dieses eine Buch geschrieben hat und in jeder Frau seine Schwester sucht, oder die ältere, etwas verwirrte und in Robert verliebte Frau, der Hausarzt Otto, der als Schiffsarzt nach Ochotsk will, und Sophies Onkel und Chef –, sie alle stehen etwas verloren im Leben, sie leiden eher an Kälte in der Seele als an Kälte auf der Haut. Sie sehnen sich nach einem andern Leben. Doch so zufällig sie auch mit- und nebeneinander leben: sie geben sich gegenseitig etwas Wärme und Halt und finden fast beiläufig ein kleines bisschen Glück auf ihrem Weg nach Ochotsk.
Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Ein Juwel aus nicht mal 125 Seiten. Für Martin Zingg ist das ein Schatz. Wenn Eleonore Frey von der Sehnsucht erzählt, von Fingerreisen auf der Landkarte, dem Aufbrechen und davon, wie sich nie, wirklich niemals Entspannung oder Ruhe einstellt im Leben, spürt Zingg die Meisterschaft dieser Autorin. Besonders die Knappheit bei gleichzeitiger Intensität, in der sich das Aufbäumen der Sehnsucht oder das Fernweh für den Rezensenten hier unweigerlich zeigen, hat ihm imponiert. Ebenso, wie Frey eine Atmosphäre der Unruhe schafft, indem sie gerade ruhig erzählt.
© Perlentaucher Medien GmbH
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