Häuser erzählen Geschichten. Mit präziser Sorgfalt erkundet dieses Buch erinnernd das Haus einer Kindheit, einer Zeit des Wachsens und Erwachens. Die Tapetenmuster, der Handlauf im Treppenhaus, die Maserung der Fußbo¿den: Kein Ort auf der Welt ist uns vertrauter als das Haus unserer Kindheit - und keiner kann uns so fremd werden. Das Haus in diesem Buch ist nicht irgendeines, es ist besonders, und doch ist es wie jedes andere. Es erza¿hlt von einem Kind und seinem Heranwachsen, von der Heimat, die es darin findet und wieder verliert, von der Gescha¿ftigkeit des Vaters, seinem Wu¿ten, von der Rastlosigkeit der Mutter, von Eskalationen und vom Schweigen, von der Werkstatt des Großvaters und wie er mit der Schleifmaschine die Zeichenstifte anspitzt, vom Birnbaum vor dem Haus, der irgendwann einem Parkplatz weicht, von einer Zeit - den Sechziger- und Siebzigerjahren - und den Versprechungen eines immer noch besseren Lebens. Bis ins kleinste Detail macht sich die Frau, die dieses Kind war, das Haus gegenwa¿rtig, rekonstruiert es aus der Erinnerung mit pra¿ziser Sorgfalt und distanziertem Blick, um ihm und ihrer Geschichte na¿her zu kommen. Und sie erkennt, dass es den Ort, den sie sucht, gar nicht gibt, so nie gegeben hat, dass das Vaterhaus in sta¿ndiger Verwandlung begriffen war und ist.
Dieser Download kann aus rechtlichen Gründen nur mit Rechnungsadresse in A, B, BG, CY, CZ, D, DK, EW, E, FIN, F, GR, H, IRL, I, LT, L, LR, M, NL, PL, P, R, S, SLO, SK ausgeliefert werden.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.12.2015Protzige Schallwellen
Die Räume, in denen man aufwächst, sind einem auf besondere Weise vertraut. Die Gegenstände verbinden sich mit einem Gefühl oder einer Erinnerung. Andererseits kann man sich nicht trauen. Vielleicht ist alles nur halluziniert oder falsch erzählt worden? In diesem Zwischenraum bewegt sich Bea Diekers Debütroman über eine Kindheit und Jugend auf dem Land. Als helfe der Dokumentierwahn gegen die Übermächtigkeit des Erlebten, lässt die Ich-Erzählerin das Haus in knappen, griffigen Sätzen vor unseren Augen entstehen, die "Abende in deutscher Eiche", das Fünfziger-Jahre-Interieur, darin der elterliche HiFi-Laden, in dem man mit Schallwellen protzte. Die Stärke der dichten Prosa liegt in ihrer Sinnlichkeit. Und so sieht man schließlich auch die Kleinfamilie in diesem Haus. Erst schemenhaft, dann immer schärfer. Man will wissen, woher diese "Unheimlichkeit in den Wänden" kommt, die vor allem vom Vater ausgeht, um den sich alles zu drehen hat. Bea Dieker, 1960 geboren, lebt in Frankfurt und ist Künstlerin. In "Vaterhaus" verdichtet sie die Mächtigkeit des Innenlebens zu kühlen Bildern und trotzigen Diagnosen, ohne die Kontrolle über die Sprache zu verlieren.
hir.
Bea Dieker: "Vaterhaus". Roman. Verlag Jung und Jung, Salzburg 2015. 111 S., geb., 16,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Die Räume, in denen man aufwächst, sind einem auf besondere Weise vertraut. Die Gegenstände verbinden sich mit einem Gefühl oder einer Erinnerung. Andererseits kann man sich nicht trauen. Vielleicht ist alles nur halluziniert oder falsch erzählt worden? In diesem Zwischenraum bewegt sich Bea Diekers Debütroman über eine Kindheit und Jugend auf dem Land. Als helfe der Dokumentierwahn gegen die Übermächtigkeit des Erlebten, lässt die Ich-Erzählerin das Haus in knappen, griffigen Sätzen vor unseren Augen entstehen, die "Abende in deutscher Eiche", das Fünfziger-Jahre-Interieur, darin der elterliche HiFi-Laden, in dem man mit Schallwellen protzte. Die Stärke der dichten Prosa liegt in ihrer Sinnlichkeit. Und so sieht man schließlich auch die Kleinfamilie in diesem Haus. Erst schemenhaft, dann immer schärfer. Man will wissen, woher diese "Unheimlichkeit in den Wänden" kommt, die vor allem vom Vater ausgeht, um den sich alles zu drehen hat. Bea Dieker, 1960 geboren, lebt in Frankfurt und ist Künstlerin. In "Vaterhaus" verdichtet sie die Mächtigkeit des Innenlebens zu kühlen Bildern und trotzigen Diagnosen, ohne die Kontrolle über die Sprache zu verlieren.
hir.
Bea Dieker: "Vaterhaus". Roman. Verlag Jung und Jung, Salzburg 2015. 111 S., geb., 16,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main