Das erste Mal, 1964, in Gesellschaft einer jungen Frau. Dann, 1982, mit dem Orientexpress. Erst beim zehnten Mal das Wagnis: eine Gondelfahrt. Und schließlich, 2018, kappt ein heftiger Sturm die einzige Landverbindung zwischen der Stadt und dem Rest der Welt und sorgt dafür, dass der Gast länger bleibt als geplant. Cees Nootebooms Liebe zu Venedig dauert nun schon über 50 Jahre an. Viele Male hat er die Stadt besucht, wohnt in prachtvollen Hotels und düsteren Apartments, huldigt den Malern und Schriftstellern, die hier lebten und arbeiteten, beobachtet den drohenden Ausverkauf Venedigs ebenso wie das Verhalten der Bewohner und Besucher: klug und selbstironisch, fast zärtlich.
Der große niederländische Autor und Reisende Cees Nooteboom stellt sich die Frage: »Weshalb liebe ich diesen Ort mehr als andere Orte?« In seinen Texten aus drei Jahrzehnten gibt er die Antwort - und setzt Venedig, La Serenissima, ein Denkmal von ungeheurer Strahlkraft.
Der große niederländische Autor und Reisende Cees Nooteboom stellt sich die Frage: »Weshalb liebe ich diesen Ort mehr als andere Orte?« In seinen Texten aus drei Jahrzehnten gibt er die Antwort - und setzt Venedig, La Serenissima, ein Denkmal von ungeheurer Strahlkraft.
Dieser Download kann aus rechtlichen Gründen nur mit Rechnungsadresse in A, D, I ausgeliefert werden.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.09.2019Im Gespräch mit den Lebenden und den Toten
Riechen, Hören, Sehen, Verzeihen: Cees Nooteboom wandert durch die Fata Morgana Venedig
Es gibt in diesem wortgewaltigen Buch über Venedig wunderbare Passagen: flimmernd impressionistische Beschreibungen von Himmel und Wasser, von Sonnenuntergängen, Sonnenaufgängen, plötzlichen Regenschauern, schunkelnden Gondeln und über das Wasser der Lagune dahinjagenden Taxibooten. Und dazu sehr persönliche Reflexionen über Sehnsucht, Heimweh, das Wegfahren und das Zurückkommen.
Cees Nooteboom ist ein großer Reiseschriftsteller. Man kann sich in den Kapiteln dieses Buches - der früheste der Texte stammt aus dem Jahr 1998 - gelegentlich auch wie im Kino fühlen, so bildmächtig, dabei elegant und gänzlich unangestrengt, oft hochpoetisch und manchmal auch drastisch beschreibt der Autor Venedig; oder besser seine Liebesgeschichte mit der Lagunenstadt. Und die begann mit seiner ersten Venedig-Reise im Jahr 1964. Seitdem ist er immer wieder zurückgekehrt; hat in Hotels gewohnt, in ehemaligen Klöstern, in Palazzi oder in über Freunde angemieteten Wohnungen. Er kennt die Stadt zu jeder Jahreszeit. Den schneebedeckten Markusplatz ebenso wie das regelmäßige Hochwasser, das Venedig an betörend lichten Frühlingstagen, aber auch die in den Sommermonaten vom Massentourismus entstellte Stadt.
Vor allem - und allein das macht das Buch so lesenswert - durchstreift dieser Autor seit mehr als einem halben Jahrhundert dieses seltsame Venedig. Er sieht und beobachtet, vergleicht, riecht und hört und verzeiht - wie jeder wirklich Liebende - manche venezianische Extravaganz. Und er tut all das mit der weltläufigen Eleganz eines Flaneurs des neunzehnten Jahrhunderts: "Minutiös bis ins letzte Detail hin impressionistisch beschreiben, was es zu sehen gibt", reflektiert der Autor (im Reisegepäck ein Buch von Hippolyte Taine aus dem Jahr 1866) gleich zu Beginn einer seiner Venedig-Aufenthalte, während er in einem Wassertaxi auf die vor ihm auftauchende Stadt zurast.
Seine verschiedenen Venedig-Reisen werden in diesem Buch zu einer einzigen. Die Erinnerungen an das Gesehene und Erlebte aus fünf Jahrzehnten verweben sich zu einem großen Tableau; ähnlich einem komplizierten Wandteppich, der mehrere Geschichten gleichzeitig erzählt, und auf dem der Leser fast schon durch das Nooteboomsche Gedanken- und Erkenntnisuniversum fliegen zu können glaubt. Die ganze Lagune wird zu einer märchenhaften Fata Morgana. Nooteboom selbst - und damit auch seine Leser - sind in Venedig nie allein, denn: "man befindet sich fortwährend in der Gesellschaft Lebender und Toter, man nimmt Teil an einer seit Jahrhunderten geführten Konversation".
Gemeint sind damit Thomas Mann, Marcel Proust, Rilke, Ruskin, Brodsky oder Casanova; eben all die Dichter und Schriftsteller, die am Ruhm Venedigs mitgeschrieben haben, und die Cees Nooteboom auf seinen Spaziergängen durch die Stadt ständig herbeiimaginiert. Die Vergangenheit ist allgegenwärtig in diesem langsam untergehenden Venedig. So ganz in der Gegenwart kommt dieses Buch dann auch nicht an. Zwar beklagt der Autor den alles banalisierenden und korrumpierenden Massentourismus, die Umweltverschmutzung und das von Korruptionsskandalen umwitterte "MO.S.E- Projekt" - ein Sturmflutsperrwerk, das Venedigs historische Altstadt künftig vor Hochwasser schützen soll -, doch vor allem erliegt er der morbiden Grandezza der Stadt.
Das tut er ganz wundervoll und mit altmodischem Pathos. Eher unscharf aber werden Nootebooms Betrachtungen, wenn er über seine Verehrung für die amerikanische Krimiautorin Donna Leon und ihren Commissario Brunetti fabuliert: Mman braucht nur zwei Krimis von Donna Leon zu lesen, um zu wissen, was los ist." Venezianische, aber auch italienische Realitäten überhaupt sind doch noch etwas komplexer.
ANDREAS SCHLÜTER
Cees Nooteboom: "Venedig". Der Löwe, die Stadt und das Wasser.
Fotografien von Simone Sassen. Aus dem Niederländischen von Helga van Beuningen. Suhrkamp Verlag, Berlin 2019. 240 S., geb., 24,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Riechen, Hören, Sehen, Verzeihen: Cees Nooteboom wandert durch die Fata Morgana Venedig
Es gibt in diesem wortgewaltigen Buch über Venedig wunderbare Passagen: flimmernd impressionistische Beschreibungen von Himmel und Wasser, von Sonnenuntergängen, Sonnenaufgängen, plötzlichen Regenschauern, schunkelnden Gondeln und über das Wasser der Lagune dahinjagenden Taxibooten. Und dazu sehr persönliche Reflexionen über Sehnsucht, Heimweh, das Wegfahren und das Zurückkommen.
Cees Nooteboom ist ein großer Reiseschriftsteller. Man kann sich in den Kapiteln dieses Buches - der früheste der Texte stammt aus dem Jahr 1998 - gelegentlich auch wie im Kino fühlen, so bildmächtig, dabei elegant und gänzlich unangestrengt, oft hochpoetisch und manchmal auch drastisch beschreibt der Autor Venedig; oder besser seine Liebesgeschichte mit der Lagunenstadt. Und die begann mit seiner ersten Venedig-Reise im Jahr 1964. Seitdem ist er immer wieder zurückgekehrt; hat in Hotels gewohnt, in ehemaligen Klöstern, in Palazzi oder in über Freunde angemieteten Wohnungen. Er kennt die Stadt zu jeder Jahreszeit. Den schneebedeckten Markusplatz ebenso wie das regelmäßige Hochwasser, das Venedig an betörend lichten Frühlingstagen, aber auch die in den Sommermonaten vom Massentourismus entstellte Stadt.
Vor allem - und allein das macht das Buch so lesenswert - durchstreift dieser Autor seit mehr als einem halben Jahrhundert dieses seltsame Venedig. Er sieht und beobachtet, vergleicht, riecht und hört und verzeiht - wie jeder wirklich Liebende - manche venezianische Extravaganz. Und er tut all das mit der weltläufigen Eleganz eines Flaneurs des neunzehnten Jahrhunderts: "Minutiös bis ins letzte Detail hin impressionistisch beschreiben, was es zu sehen gibt", reflektiert der Autor (im Reisegepäck ein Buch von Hippolyte Taine aus dem Jahr 1866) gleich zu Beginn einer seiner Venedig-Aufenthalte, während er in einem Wassertaxi auf die vor ihm auftauchende Stadt zurast.
Seine verschiedenen Venedig-Reisen werden in diesem Buch zu einer einzigen. Die Erinnerungen an das Gesehene und Erlebte aus fünf Jahrzehnten verweben sich zu einem großen Tableau; ähnlich einem komplizierten Wandteppich, der mehrere Geschichten gleichzeitig erzählt, und auf dem der Leser fast schon durch das Nooteboomsche Gedanken- und Erkenntnisuniversum fliegen zu können glaubt. Die ganze Lagune wird zu einer märchenhaften Fata Morgana. Nooteboom selbst - und damit auch seine Leser - sind in Venedig nie allein, denn: "man befindet sich fortwährend in der Gesellschaft Lebender und Toter, man nimmt Teil an einer seit Jahrhunderten geführten Konversation".
Gemeint sind damit Thomas Mann, Marcel Proust, Rilke, Ruskin, Brodsky oder Casanova; eben all die Dichter und Schriftsteller, die am Ruhm Venedigs mitgeschrieben haben, und die Cees Nooteboom auf seinen Spaziergängen durch die Stadt ständig herbeiimaginiert. Die Vergangenheit ist allgegenwärtig in diesem langsam untergehenden Venedig. So ganz in der Gegenwart kommt dieses Buch dann auch nicht an. Zwar beklagt der Autor den alles banalisierenden und korrumpierenden Massentourismus, die Umweltverschmutzung und das von Korruptionsskandalen umwitterte "MO.S.E- Projekt" - ein Sturmflutsperrwerk, das Venedigs historische Altstadt künftig vor Hochwasser schützen soll -, doch vor allem erliegt er der morbiden Grandezza der Stadt.
Das tut er ganz wundervoll und mit altmodischem Pathos. Eher unscharf aber werden Nootebooms Betrachtungen, wenn er über seine Verehrung für die amerikanische Krimiautorin Donna Leon und ihren Commissario Brunetti fabuliert: Mman braucht nur zwei Krimis von Donna Leon zu lesen, um zu wissen, was los ist." Venezianische, aber auch italienische Realitäten überhaupt sind doch noch etwas komplexer.
ANDREAS SCHLÜTER
Cees Nooteboom: "Venedig". Der Löwe, die Stadt und das Wasser.
Fotografien von Simone Sassen. Aus dem Niederländischen von Helga van Beuningen. Suhrkamp Verlag, Berlin 2019. 240 S., geb., 24,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
»[Nootebooms] Venedig-Texte sind Etüden auf die Vergänglichkeit, in denen Beobachtung und Gedächtnis, lyrische Sensibilität und epische Phantasie sich auf eine poetische Weise durchdringen.« Andrea Köhler Neue Zürcher Zeitung 20190620