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Ein Bildband für Erwachsene wird zum Bestseller, weil junge Eltern in aller Welt eine bittere Erfahrung eint: die Schlaflosigkeit.
Nur wer selbst Kinder hat, weiß, was es heißt, wenn ein Baby friedlich schlummert. Denn der lautlosen Idylle geht oft genug ein nicht enden wollender Nervenkrieg voraus. Es ist eine Binsenweisheit: Kleine Kinder schlafen nicht gern ein, und allein schon gar nicht, weshalb sie alle Register ziehen. Da sind Gespenster, quengeln sie, und: Such mir meinen Teddy. Lies mir etwas vor, oder: Ich habe Durst. Herzzerreißend reibt sich der Zwerg die Augen, um dann, kaum im Bett, loszuschreien, so dass Väter und Mütter Stunde um Stunde auf der Bettkante ausharren. Weil das Ritual oft die halbe Nacht dauert, sind nicht nur die stolzen Blicke typische Merkmale neuer Eltern, sondern eben auch die dunklen Augenringe.
Wie sehr die nächtlichen Turbulenzen familiäres Reizthema werden können, spiegelt seit je die Flut von Ratgebern, die mit so waghalsigen Titeln wie "Jedes Kind kann schlafen lernen" die elterliche Krise meist nur noch mehr befeuern. Zwar hat auch der Amerikaner Adam Mansbach kein Rezept für schlafbedürftige Eltern parat. Doch seine Bilderbuch-Satire "Verdammte Scheiße, schlaf ein!", die in Amerika über Nacht zum Bestseller wurde und heute auf Deutsch erscheint, fesselt Eltern aller Länder, weil sie eine universelle Leidenserfahrung witzig-ironisch aufgreift.
Wie oft bei Werken, die den Zeitgeist treffen, ging auch diesen Reimen persönliches Erleben voraus: Der vierunddreißigjährige Mansbach hat eine kleine Tochter, ohne die, wie er im Vorwort schreibt, "all dies nicht möglich wäre". Seine von Ricardo Cortés in klassischer Gute-Nacht-Geschichte-Manier illustrierten Verse beginnen stets arglos und führen geradewegs in die kalte Wut: "Der Tiger dämmert im Dschungel. / Der Spatz lässt das Zwitschern sein. / Scheiß auf den Teddy, ich hol überhaupt nichts. / Augen zu. Keine Zicken. Schlaf ein."
Mansbach, derzeit Gastprofessor an der Rutgers-Universität, hat einige Romane wie "The End of the Jews" oder "Angry White Black Boy" veröffentlicht, die zusammen weniger Auflage gemacht haben als sein Einschlafbuch noch vor Erscheinen. Begonnen hatte alles mit einem Internet-Scherz. Im vorigen Sommer, die Tochter war gerade zwei, alberte der Übernächtigte auf seiner Facebook-Seite herum, dass bald sein neues Buch "Go the Fuck to Sleep" erscheine. Die Resonanz war groß, und Mansbach dämmerte, dass er nicht allein war mit seinem Problem: Es existierten noch viele andere, die ihre Nächte nicht im eigenen Bett verbrachten, und bald gab es für ihn nur noch eine Frage: Wie viele Verse reimen sich auf "Schlaf ein"? Der Dumont-Verleger Jo Lendle hat das amerikanische Original lakonisch stimmig in vierhebige Volksliedreime übertragen. Auch er aber scheiterte an dem englischen Wörtchen fuck, das über so viel mehr Bedeutungen und Nuancen verfügt als das klobige deutsche "Scheiße". Doch auch die englische Fassung ruft nicht nur Freude hervor: So hat Wal-Mart den Verkauf des Buch in seinen Märkten untersagt.
Den Siegeszug konnte die mächtige Kette dennoch nicht aufhalten. Der kleine unabhängige Verlag Akashic Books aus Brooklyn ließ, vom Interesse überrannt, noch vor dem offiziellen Buchstart in der vorigen Woche bereits dreihunderttausend Exemplare drucken. Längst steht "GTFTS" bei Amazon auf Platz eins in der Sparte Elternbücher, und Hollywood hat die Filmrechte erworben. Bleibt nur die eine Frage: Warum nur schlafen Kinder nicht ein? Vielleicht ist es ein Trost, dass die Wissenschaft bis heute nicht einmal beantworten kann, warum der Mensch überhaupt schläft.
SANDRA KEGEL.
Adam Mansbach: "Verdammte Scheiße, schlaf ein".
Aus dem Englischen von Jo Lendle. Dumont Verlag, Köln 2011. 32 S., geb., 9,99 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
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