Den Roman stand lange bei mir im Regal, ohne dass er mich zum Lesen reizte. Der Grund war, dass ich einmal einen kurzen Blick hineingeworfen und ihn angelesen hatte, aber dieser erste Eindruck ließ mich vor ihm zurückschrecken. Die Schreibweise erschien mir zu direkt, zu brutal, die Handlung ohne
Hinführung und Einleitung zu unvermittelt und abrupt einsetzend; es fehlte mir der Zusammenhang.
…mehrDen Roman stand lange bei mir im Regal, ohne dass er mich zum Lesen reizte. Der Grund war, dass ich einmal einen kurzen Blick hineingeworfen und ihn angelesen hatte, aber dieser erste Eindruck ließ mich vor ihm zurückschrecken. Die Schreibweise erschien mir zu direkt, zu brutal, die Handlung ohne Hinführung und Einleitung zu unvermittelt und abrupt einsetzend; es fehlte mir der Zusammenhang.
Ich habe ihn nun doch hervorgeholt und gelesen, habe mich in seine Darstellungsweise allmählich hineingefunden und erkannt, dass sie dem Inhalt völlig angemessen ist und …bin von ihm sehr beeindruckt.
Es gelingt Ledig, das Grauen eines etwa siebzig Minuten dauernden Bombenangriffs (natürlich im Zweiten Weltkrieg) auf eine ungenannte deutsche Großstadt und damit den Wahnsinn des Krieges mit ungeheurer sprachlicher Intensität, Wucht und mit erbarmungslosen Realismus dem Leser zu vermitteln, dass es diesem pausenlos eiskalt den Rücken hinunterläuft. Jeder der eine leichte, angenehme Lektüre erwartet, sei gewarnt! Er muss sich vielmehr darauf gefasst machen, dass die ganze Brutalität, Grausamkeit und sinnlose Menschenschlächterei des Krieges ihm – völlig schonungslos und ungeschminkt – 200 Seiten lang unentwegt „um die Ohren“ gehauen wird! Nach einem Schlupfloch oder nach Trost wird er vergeblich suchen!
Aber nicht nur der Inhalt ist harte Kost, auch die Darstellungsweise verlangt dem Leser einiges ab. Er darf keine – ich habe es schon angedeutet – zusammenhängend und fortlaufend erzählte Handlung erwarten. Das Geschehen wird in kurze Bruchstücke, meist kaum länger als eine oder eineinhalb Seiten, zerhackt, die eine bestimmte Situation der Bombardierung und deren Auswirkung auf einzelne oder mehrere Personen beschreiben. Dann schwenkt der Verfasser unvermittelt – und sozusagen mit hartem Schnitt – um auf eine andere Situation mit anderen Personen. Die jeweiligen Personen werden aber dann im Verlaufe des Romans immer wieder aufgegriffen und in späteren Situationen (wiederum in kurzen Erzählepisoden und –splittern) gezeigt. Es herrscht somit keineswegs – wie man vielleicht zu Beginn der Lektüre glaubt – absolute Willkür und Regellosigkeit, sondern es kommt durchaus eine Kontinuität und Abfolge der Handlung zumindest für diese einzelnen Personen und Personengruppen zustande, so dass man ihr hartes Schicksal während des Bombenangriffs verfolgen kann. Dennoch stellt diese Form der Darstellung an den Leser beträchtliche Anforderungen.
Die dreizehn Kapitel des Buches bestehen aus lauter solchen Einzelepisoden mit einer Ausnahme: Am Beginn jedes Kapitels wird von jeweils einer wichtigen Person, die in mehreren Episoden auftaucht, eine Art knapper Lebensabriss entworfen.
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Ein absolut lesenswertes Buch, wenn man sich darauf einlassen will!