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Die Wiedergutmachung gehört zu den zentralen Themen in der Auseinandersetzung der deutschen Nachkriegsgesellschaft mit dem "Dritten Reich". Ihre Leistungen und Mängel wirken bis heute nach. Tobias Winstel analysiert die administrative Praxis der Entschädigung und Rückerstattung, stellt Regelwerke, Institutionen und konkurrierende Ansprüche vor. Er macht die Erwartungen der ehemaligen Verfolgten und ihre Erfahrungen im Prozess der Wiedergutmachung sichtbar. Eingebunden werden Perspektiven der Politik-, Verwaltungs- und Rechtsgeschichte bis hin zur Wirkungs- und Erfahrungsgeschichte. Indem…mehr

Produktbeschreibung
Die Wiedergutmachung gehört zu den zentralen Themen in der Auseinandersetzung der deutschen Nachkriegsgesellschaft mit dem "Dritten Reich". Ihre Leistungen und Mängel wirken bis heute nach. Tobias Winstel analysiert die administrative Praxis der Entschädigung und Rückerstattung, stellt Regelwerke, Institutionen und konkurrierende Ansprüche vor. Er macht die Erwartungen der ehemaligen Verfolgten und ihre Erfahrungen im Prozess der Wiedergutmachung sichtbar. Eingebunden werden Perspektiven der Politik-, Verwaltungs- und Rechtsgeschichte bis hin zur Wirkungs- und Erfahrungsgeschichte. Indem Winstel die bundesdeutsche Entwicklung im internationalen Zusammenhang analysiert, leistet er auch einen grundsätzlichen Beitrag zur Frage nach Möglichkeiten und Grenzen "verhandelter Gerechtigkeit" beim Umgang mit historischer Schuld.

Dieser Download kann aus rechtlichen Gründen nur mit Rechnungsadresse in A, B, BG, CY, CZ, D, DK, EW, E, FIN, F, GR, HR, H, IRL, I, LT, L, LR, M, NL, PL, P, R, S, SLO, SK ausgeliefert werden.

Autorenporträt
Tobias Winstel, geboren 1972, studierte Neuere und neueste Geschichte, Alte Geschichte, Germanistik und Romanistik in München und Paris; von 2001 bis 2005 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Historischen Seminar der LMU München und veröffentlichte zur Geschichte des Nationalsozialismus und zur Nachkriegszeit. Heute arbeitet er im Siedler und Pantheon Verlag, München.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Gelungen findet Constantin Goschler Tobias Winstels "große Fallstudie" über die Entschädigungspraxis jüdischer NS-Opfer in Bayern. Goschler lobt das Moderate von Winstels Darstellung juristischer und administrativer Strukturen. "Kritische Töne" vernimmt er bei den subjektiven Auslegungen der Entschädigungen durch die Betroffenen. Insgesamt aber erscheint ihm die Arbeit nicht zu skandalisieren, sondern auf ein "freundliches Gesamtbild" hinauszulaufen. Die Frage, ob die bayerische Perspektive im aktuellen internationalen Diskurs besondere Berechtigung hat, muss Goschler allerdings verneinen. Die "Zukunft der Wiedergutmachung" sieht er jedenfalls in den transnationalen Gerichtssälen, vor der Weltöffentlichkeit.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.09.2006

Entrechtete als Berechtigte
Entschädigung für jüdische Opfer des Nationalsozialismus in Bayern

Tobias Winstels Beitrag zur "Erfahrungs-, Organisations- und Wirkungsgeschichte" von Rückerstattung und Entschädigung kann sich sehen lassen. Es geht dabei ausschließlich um die jüdischen Berechtigten, die ja bei weitem die Mehrheit ausmachen, und um die Erfahrungen in Bayern, wenn diese auch mit denen in der sonstigen Bundesrepublik in Beziehung gesetzt werden. Sie erwiesen sich in manchem als prägend, was nicht zuletzt am ersten Präsidenten des Landesentschädigungsamtes, Philipp Auerbach, lag, einem Auschwitz- und Buchenwald-Häftling.

Die ausgewogene Untersuchung von der Besatzungszeit bis zur ersten Bundesgesetzgebung Anfang der fünfziger Jahre stützt sich auf Einzelfallakten der zuständigen Ämter sowie der Generalakten zur Wiedergutmachung in Bayern. Im Kapitel "Begegnungen: Akteure und ihr Verhalten in der Praxis" beleuchtet die Studie die eigens geschaffenen staatlichen Instanzen und die öffentliche Meinung, vor allem aber die Opfer sowie die Rückerstattungspflichtigen. Bei diesen reichte das Spektrum vom skrupellosen Profitmacher bis hin zum gutgläubigen Zweitoder Dritterwerber, der für die ursprüngliche "Arisierung" nicht verantwortlich war, nach dem Gesetz freilich genauso behandelt wurde. Der Freistaat kaufte 1952 zwecks Milderung solcher persönlicher Härten der Jewish Restitution Successor Organization die noch offenen Rückerstattungsansprüche vorzeitig ab, die er dann selbst - ausgleichend - eintreiben konnte. Derartige Probleme trugen dazu bei, daß die Wiedergutmachung "bei uns nicht volkstümlich" war, wie es Franz Böhm von der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag 1955 feststellte, der indes mit einem darauf gerichteten Programm in Frankfurt am Main direkt gewählt worden war.

Gelegentlich gab es Mißbräuche. Wie in anderen massenhaften Versorgungsbereichen kam es vereinzelt zu Betrugsfällen. An ihnen wirkten nicht nur Antragsteller, sondern auch Sachbearbeiter, Rechtsbeistände und andere am Verfahren Beteiligte mit. Dabei gilt es jedoch zwischen verschiedenen Graustufen zu unterscheiden. Beim Großteil dessen, was in der Verwaltung unter "Mißbrauch" verbucht wurde, handelte es sich aber um das, was man aus heutiger Sicht als eine Form von moralisch gerechtfertigter Selbsthilfe bezeichnen würde. Zumeist ging es darum, die peniblen und teilweise unerfüllbaren Beweisanforderungen zu umgehen. An gewissen Stammtischen wurden entsprechende Skandalmeldungen genüßlich erörtert. Dabei darf nicht außer acht gelassen werden, daß der Antisemitismus nach wie vor Relevanz besaß. Er hat beim ungebührlich aufgebauschten Verfahren gegen Auerbach und dessen tragischen Freitod 1952 zweifellos eine Rolle gespielt.

Die Behauptung, die Behörden hätten die Anträge der Opfer grundsätzlich zu deren Nachteil entschieden, ist falsch. Mitunter engagierten sich die Bearbeiter zudem fürsorglich zu ihren Gunsten, etwa mittels zinsloser Kredite, die später auf die Leistungen angerechnet wurden, womit finanzielle Schwierigkeiten überbrückt werden konnten. In den Akten finden sich nicht nur bittere Beschwerden, sondern eben auch herzliche Dankschreiben. Die Entschädigungen brachten den Verfolgten in allen Lebensbereichen materielle Vorteile. Sie hatten zudem psychologische Auswirkungen - ernüchternde, belastende und sogar traumatische sowohl wie durchaus auch günstige, etwa dadurch, daß ihnen das Gefühl vermittelt wurde, von Entrechteten wieder zu Berechtigten zu werden.

Das ermöglichte es manchen Überlebenden der Schoah, sich in Deutschland niederzulassen. Zu ihnen gehörte der Berliner Anwalt Walter Schwarz, einer der besten Kenner des Entschädigungsrechts, der häufig zitiert wird. Er schrieb 1984, was ergänzend angeführt sei, in einem Leserbrief an die Wochenzeitung "Die Zeit", wenn er eine Bilanz seines Lebens zöge, würde er meinen, "daß ein Deutscher das Recht hätte, auf das Werk der Wiedergutmachung stolz zu sein". Die Befunde des Buches sind für eine solche pauschale Folgerung zwar viel zu differenziert, doch bestätigen sie, daß die Wiedergutmachung, wenn damit auch das Unfaßliche der schlimmen zwölf Jahre nicht wieder "gut" zu machen war, einen wichtigen, positiven Beitrag zur Auseinandersetzung mit der "Vergangenheit" zu leisten vermochte.

NIELS HANSEN.

Tobias Winstel: Verhandelte Gerechtigkeit. Rückerstattung und Entschädigung für jüdische NS-Opfer in Bayern und Westdeutschland. R. Oldenbourg Verlag, München 2006. 426 S., 59,80 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Kluge und gelungene Studie" (Süddeutsche Zeitung, 2007)

"Winstels Studie öffnet Blickwinkel auf Facetten der bundesdeutschen Vergangengheit, die viel zu lange ignoriert worden sind." (Die Welt, 2006)