Mitreißend: Janos Székelys Verlockung
Zuallererst ist dies ein wunderbares Buch, das tiefste und leidenschaftlichste, das mir bisher begegnet ist, und zugleich das spannendste und verrückteste, das traurigste und komischste, und ich weiß, dass selbst diese Superlative die Qualität des Buches
nicht beschreiben können. Und es gibt Bilder in Székelys Sprache, die sind umwerfend, weil sie so gut…mehrMitreißend: Janos Székelys Verlockung
Zuallererst ist dies ein wunderbares Buch, das tiefste und leidenschaftlichste, das mir bisher begegnet ist, und zugleich das spannendste und verrückteste, das traurigste und komischste, und ich weiß, dass selbst diese Superlative die Qualität des Buches nicht beschreiben können. Und es gibt Bilder in Székelys Sprache, die sind umwerfend, weil sie so gut sind.
Székely erzählt die Geschichte des Jungen Béla, der, in unfassbarer Armut aufwachsend, zum Liebhaber „Seiner Exzellenz“ aufsteigt und als Kämpfer zu den Seinen, den Mittel- und Rechtlosen, zurückfindet.
Es ist ein ganz und gar parteiisches Buch. Hier die Machtlosen, dem die Zuwendung des Autors gilt, und dort die Mächtigen, die er mit Spott, Hohn und Verachtung abhandelt. Und doch ist sein Roman alles andere als platt oder gar propagandistisch. Dafür sind die Machtlosen selbst zu fehlerhaft, lasterhaft und schwächlich. Und es gelingt dem Autor, seine Parteilichkeit auf den Leser zu übertragen. Ich habe mit Béla und seinen Leuten gelitten und gekämpft und gehofft, auf ein besseres Leben.
Gleichwohl, die Machtlosen sind nicht immer die Unterlegenen. Zwei Szenen, die ich für die besten des Buches halte, belegen dieses. Im Wettstreit des Händedrückens zerquetscht Bela die Hand des skrupellosen Abgeordneten, nachdem dieser zuvor das Gleiche bei Béla versucht hat und gescheitert ist. Und das im Angesicht „Seiner Exzellenz“, deren Schönheit und Laszivität alle Männer verrückt macht! Und dann die Szene, als Bela von „Seiner Exzellenz“ gerufen wird und sie ihn, halbnackt, in ihrem Zimmer empfängt. Sie spielt mit seiner Erregung, gerät selbst außer Sinnen und als er, angestachelt davon, über sie herfällt, nimmt sie sich, was ihr impotenter Mann nicht geben kann. Eindringlicher, leidenschaftlicher und ästhetischer kann Erotik nicht geschrieben werden; es ist das schärfste, was ich dazu gelesen habe. Und zugleich ist diese Szene viel mehr. Sie ist der Höhepunkt der gegenseitigen moralischen und psychischen Ausbeutung, und diese ist, naturgemäß, gegenseitig.
Insofern ist die Verlockung, der Béla erliegt, oberflächlich nichts anderes, als die Verlockung, der „Seine Exzellenz“ erliegt. Tatsächlich sind die Unterschiede aber eben doch gravierend, und deshalb entsagt Béla, als sein Verstand wieder die Oberhand gewinnt, seiner Leidenschaft, wenn auch unter großen Schmerzen, und kämpft hinfort auf der richtigen Seite um Leben und Freiheit, mit den Unterdrückten, gegen die Unterdrücker.
Warum leben Leute wie János Székely nicht länger? Der Roman ist ja nicht zu Ende, und ich hätte gern erfahren, was Béla die Jahre danach, in anderen Umständen, wie etwa unseren heutigen demokratisch verfassten Gesellschaftenn, widerfahren wäre. Verlockungen sind allgegenwärtig und entstehen in immer neuer Verkleidung, wie wäre er damit umgegangen?