Dieser Download kann aus rechtlichen Gründen nur mit Rechnungsadresse in A, B, BG, CY, CZ, D, DK, EW, E, FIN, F, GR, HR, H, IRL, I, LT, L, LR, M, NL, PL, P, R, S, SLO, SK ausgeliefert werden.
Aufbau-Verleger Elmar Faber blickt zurück auf die DDR
Siegfried Unseld saß am Grenzübergang Friedrichstraße fest. Es war Herbst 1985, der Suhrkamp-Verleger wollte nach Ost-Berlin, er hatte Bücher im Gepäck. Das machte ihn verdächtig. Erregt rief Unseld bei Elmar Faber, dem Chef des Aufbau Verlags, an. Der blieb gelassen. Auf seinem Schreibtisch lag heißere Ware: die druckfrische Erstausgabe von Christoph Heins Roman "Horns Ende", den Faber nach fruchtlosen Verhandlungen mit den offiziellen Stellen schließlich ohne Genehmigung aufgelegt hatte. Als Unseld kurz darauf ins Gebäude des Aufbau Verlags stürzte, überreichte Faber ihm ein Exemplar. Stunden später wurde das Geschenk auf einer Toilette im Verlagsgebäude entdeckt. "Unseld wollte sich mit halbverbotener Ware nicht wieder den Infamitäten deutsch-deutscher Grenzübertritte aussetzen", erinnert sich Faber: "Der Vorgang hatte - bei allem miserablen Hintergrund - etwas Rührendes. Auch ein Heros, dachte ich, war irritierbar."
Diese Anekdote ist eine Randnotiz in der Autobiographie "Verloren im Paradies", die Elmar Faber nun, im Alter von achtzig Jahren, vorlegt. Aber sie illustriert, wie anders die Bedingungen waren, unter denen Verleger in der DDR arbeiteten: die Auseinandersetzungen mit den Zensoren, die Launen der Politik, die allgemeine Materialknappheit. Eindrücklich beschreibt Faber immer wieder Bürden, die täglich einen Großteil seiner Kräfte banden und für die westdeutsche Verleger oft nur wenig Verständnis hatten. Zugleich rückt Faber mit Unseld nicht nur einen bewunderten Freund ins Bild: "Ich wollte", schreibt er mehrmals, "den Suhrkamp des Ostens." Hoher literarischer Anspruch, eine Bibliothek internationaler Klassiker, mehrere hundert Neuerscheinungen pro Jahr und ein enges Verhältnis zu den Autoren zeichneten auch Aufbau aus.
Zehn Jahre lang leitete Faber den Verlag von Anna Seghers, Erwin Strittmatter oder Christa Wolf. Es war der Höhepunkt einer fünfzig Jahre zählenden Karriere im Verlagswesen. Nach dem Germanistikstudium in Leipzig und einer kurzzeitigen Tätigkeit als Redakteur hatte Faber zunächst als Lektor und später als Verleger der Edition Leipzig gearbeitet, in der vor allem aufwendige Bildbände und Faksimile-Ausgaben erschienen. Die Leitung des Aufbau Verlags, damals noch "Volkseigentum", übernahm er 1983. Nach Wende und Privatisierung verließ er Aufbau 1992 und konzentrierte sich fortan auf den eigenen neugegründeten Verlag Faber & Faber.
In strikter Chronologie führt uns Faber aus seinem thüringischen Heimatdorf Deesbach zur Zeit des Nationalsozialismus bis ins quirlige Berlin der Wendejahre. Wie im Zeitraffer fliegt die Geschichte des geteilten Landes vorbei. Leider gerät die Erzählung streckenweise zur schlichten Reihung einzelner Erlebnisse. Beim Ritt durch die siebziger und achtziger Jahre verfällt Faber mitunter in fast stichwortartigen Stil. Die Sätze werden kürzer, die Übergänge abrupter, der Text wirkt stellenweise wie flüchtig diktiert.
Zusammenhängender und spannender sind Fabers Ausführungen über die Zeit der Wiedervereinigung, als er um den Fortbestand des Aufbau Verlags kämpfte, der nun der freien Marktwirtschaft ausgesetzt war. Den Westen charakterisiert er als selbstgefälligen historischen Sieger, der die Lorbeeren der Wiedervereinigung für sich reklamierte und den Ideen reformorientierter Kräfte im Osten kaum Gehör schenkte: "Eine unverzeihliche Unterlassungssünde, die sich Jahrzehnte danach in der Sturzgeburt des Turbokapitalismus als das eigentliche Krankheitsbild des Unternehmertums im 21. Jahrhundert entlarven sollte."
Faber hat Konflikte nie gescheut. Im Herbst 1990 verlegte er den Gesprächsband "Der Sturz - Erich Honecker im Kreuzverhör". Den Vorwurf des ökonomischen Opportunismus und lautstarke Proteste im eigenen Verlag nahm er dabei in Kauf. Westdeutschen Verlegern wirft er vor, sie hätten nach der Wiedervereinigung noch immer "auf den Klaviaturen der Hallstein-Doktrin" gespielt, das "westdeutsche Wohlstandsparadies" bezeichnet er als "verschleierte Diktatur des Kapitals". Zum Kapitel "Plusauflagen" bringt er nun eine eigenwillige Deutung. Systematisch hatten DDR-Verlage westliche Autoren in höherer Stückzahl gedruckt, als mit den Lizenzgebern vereinbart war. Fabers Kommentar: "Juristisch waren die Plusauflagen Betrug, ideell waren sie ein Manöver, das die Bewegungsfreiheit westlicher Literatur in der DDR vergrößerte." Die Aufrechnung nach der Wende sei hier, wie in so vielem anderen, "einseitig" gewesen.
FRIEDEMANN BIEBER.
Elmar Faber: "Verloren im Paradies. Ein Verlegerleben".
Aufbau Verlag, Berlin 2014. 398 S., geb., 22,99 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
© Perlentaucher Medien GmbH