In der hier vorliegenden Arbeit, Vernetzung von Test- und Simulationsmethoden für die Entwicklung von Fahrerassistenzsystemen, wurden am Beispiel von ACC ein Prozess zur Bewertung des eigenschaftsabhängigen Sollverhaltens von Fahrerassistenzsystemen erarbeitet, einWerkzeug zum Einsatz dieses in der Simulation entwickelt sowie die Anwendbarkeit des Prozesses in der Simulation validiert. In einem ersten Schritt (Kapitel 2) wurde zunächst der Stand der Technik in der Fahrzeugsystem- Entwicklung erarbeitet, um einen Überblick über vorhandene Tools sowie Entwicklungsmethoden zu erhalten und diese einheitlich zu klassifizieren. Anschließend wurden Fahrerassistenzsysteme und danach das System ACC als Beispiele moderner Fahrzeugsysteme und schließlich als Untersuchungsbeispiel vorgestellt (Kapitel 3). Aufbauend auf diese Zusammenstellung wurden die Ziele und Ansätze dieser Arbeit definiert (Kapitel 4) und die drei konkreten Aufgaben abgeleitet:
• Entwicklung des eigenschaftsabhängigen Sollverhaltens von Fahrerassistenzsystemen am Beispiel des Adaptive Cruise Control (ACC).
• Konzeption und Aufbau eines FAS-Domänen-HILs als Simulationstool.
• Validierung der Anwendbarkeit der durch reale Testfahrten entwickelten Bewertungsfunktionen in der Simulation.
Für den ersten Teil der Aufgabendefinition (Kapitel 5), die Entwicklung des eigenschaftsabhängigen Sollverhaltens von ACC, wurde zunächst ein Bewertungsprozess definiert. So müssen über Testszenarien bzw. Fahrmanöver mithilfe einer geeigneten Messtechnik definierte physikalische Kennwerte wie Geschwindigkeit oder Fahrzeugbeschleunigung ermittelt werden. Da das Sollverhalten in Abhängigkeit von den Eigenschaften Sicherheit, Komfort, Dynamik und Sportlichkeit definiert werden soll, mussten Bewertungsfunktionen entwickelt werden, mit denen die physikalischen Kennwerte in diese Eigenschaften umgerechnet werden können. Hierür wurden aus der Vielzahl potentiell relevanter Verkehrssituationen die häufigsten ermittelt und die folgenden vier für die weiteren Betrachtungen ausgewählt: Folgefahrt, Auffahren auf Kolonne, Überholen, Reaktion auf Einscherer und Reaktion auf Ausscherer. Durch eine Studie, in der 36 Probanden jeweils drei unterschiedliche Systemausprägungen bewerten mussten, wurde mithilfe eines Paarvergleichs und der Auswertung nach dem Law of Comparative Judgement eine Rangfolge in den Eigenschaften Sicherheit, Komfort, Dynamik und Sportlichkeit ermittelt. Aus einer zweiten, identischen Studie mit denselben Probanden, jedoch einem Fahrzeug einer völlig anderen Fahrzeugklasse (Studie I: Geländewagen; Studie II: sehr sportliche Mittelklasse) konnte folgende Schlussfolgerung abgeleitet werden: Für die Bewertung von Fahrerassistenzsystemen kann angenommen werden, dass die Fahrzeugklasse bzw. das Fahrzeugsegment keinen Einfluss auf das gewünschte Sollverhalten in den untersuchten Eigenschaften hat. Zusätzlich konnten aus den Studien die folgenden Kennwerte herausgearbeitet werden: Verzögerung und Reaktionsabstand für die Manöver Auffahren auf Kolonne und Reaktion auf Einscherer bzw. Beschleunigung und Reaktionszeit für die Manöver überholen und Reaktion auf Ausscherer. Aus diesen wurde eine Dynamik-Reaktions-Ebene aufgespannt für die im Weiteren durch die Kombination der subjektiven und objektiven Studienergebnisse Bewertungsfunktionen entwickelt werden konnten. Es existiert nun also eine Methode, die es ermöglicht, anhand von physikalischen bzw. messbaren Kennwerten eine Aussage über das wahrscheinliche Systemempfinden der Nutzer zu treffen. Der zweite Teil der Aufgabe (Kapitel 6), die stärkere Integration der Simulation in den Produktentstehungsprozess, wurde im letzten Abschnitt der Arbeit betrachtet. Hierfür wurde aus den unterschiedlichen Simulationsmethoden die Hardware in the Loop (HIL) Simulation ausgewählt. Somit wurde ein Konzept für einen möglichst modularen ACCDomänen-HIL erarbeitet und umgesetzt. Ein wesentlicher Bestandteil, neben den Komponenten virtuelle Umwelt, Fahrer- und Fahrzeugmodell, Restbussimulation und Simulationsumgebung, ist hierbei das Sensormodell, da die Eigenschaften des jeweils eingesetzten Messprinzips und damit die des Sensors die Systemausprägung wesentlich beeinflussen. Das konkrete ACC, das in den HIL integriert wurde, verwendet hierbei zwei Radarsensoren. Für diese Ausprügung wurden die Systemeigenschaften über aufwendige statische wie auch dynamische Messungen analysiert und durch geeignete Methoden in Form eines Sensormodells umgesetzt. Abschließend wurde das Sensormodell validiert. Das Sensormodell wurde hierfür mit Referenzdaten aus realen Fahrversuchen stimuliert und der Ausgang des Modells mit den Daten des echten Sensorsystems verglichen. Die Auswertung zeigte dabei vergleichbare Ergebnisse zwischen dem Modell und dem realen Radarsensor. Den Abschluss bildete die Untersuchung bzw. der Vergleich der real durchgeführten Fahrmanöver mit den simulierten Fahrmanövern (Kapitel 6.3). Dazu wurden jeweils die Messgrößen der Dynamik-Reaktions-Ebene ermittelt und verglichen. Auch hier zeigte die Auswertung sehr gute Übereinstimmungen, wodurch die Anwendbarkeit der entwickelten Bewertungsfunktionen in der Simulation gezeigt werden konnte.In dieser Arbeit wurde der stärkere Einsatz der Simulation in die funktionalen Entwicklung der hochkomplexen Fahrerassistenzsysteme durch die Anwendung eines objektiven Bewertungsverfahrens untersucht. Um die erarbeiteten Theorien auch konkret anwenden zu können, wurde das Fahrerassistenzsystem ACC als Beispiel verwendet. Eine vollständige Integration der erarbeiteten Methodik, bestehend aus dem Bewertungsprozess und den Test- und Simulationswerkzeugen, in einen ACC-Serienentwicklungsprozess erfordert jedoch noch weitere Arbeiten auf diesem Gebiet. So wurden die vier Manöver Auffahren auf Kolonne,Überholen, Reaktion auf Einscherer und Reaktion auf Ausscherer in den Studien betrachtet und folglich auch nur für diese die Bewertungsfunktionen entwickelt. Ein vollständig simulierter Test, mit dessen Hilfe die Entwickler konkrete Aussagen treffen sollten, würde eine Erweiterung des Fahrmanöverkatalogs um wichtige Verkehrssituationen wie beispielsweise Fahren in dynamischen Kolonnen, sowie eine detaillierte Analyse der gesamten Fläche der Dynamik-Reaktions-Ebenen erfordern. Eine Übertragbarkeit der Methodik auf andere Fahrerassistenzsysteme kann folgendermaßen diskutiert werden: ACC ist ein System, welches den Fahrer bei seiner Fahraufgabe auf der Bahnführungsebene unterstützt bzw. aufgrund der bereits sehr hohen Verfügbarkeit und Zuverlässigkeit ihm die Längsführungsaufgaben in weiten Teilen der Fahraufgabe praktisch völlig abnehmen kann. ACC lässt sich damit zu den eingreifenden Systemen mit Aktuatorik zählen. Weitere Systeme, die auf der Bahnführungsebene zu dieser Kategorie gehören, sind der Lane Keeping Assist (LKA) und der Lane Change Assist (LCA). Zu den informierenden Systemen (ohne Aktuatorik) zählt das Lane DepartureWarning (LDW) und zu den autonomen Systemen mit Aktuatorik die Automatische Notbremsung (ANB) oder Systeme der Forschung, wie der Staupilot. Für all diese Systeme, die aus einem aktiven Fahrzeuglenker einen U¿ berwacher von Systemen machen, lässt sich annehmen, dass die im Zuge dieser Arbeit entwickelte Methodik auch auf sie adaptiert werden kann. Hingegen bei den Systemen der Navigationsebene Navigationssystem und Radiodienste (RDS-TMC) sowie Systemen der Stabilisierungsebene Antiblockiersystem (ABS), Antriebsschlupfregelung (ASR) und Elektronisches Stabilitätsprogramm (ESP) wird keine übertragbarkeit erwartet bzw. ist eine so aufwendige Modellierung von Bewertungsfunktionen nicht zielführend. Diese Systeme sollen in bestimmten Situationen, nach klaren Regeln und anhand von einfach zu definierenden physikalischen Messwerten funktionieren, was somit zu einer einfachen Bewertung wie ”Test erfüllt“ bzw. ”Test nicht erfüllt“ führen würde. Auch das entwickelte Konzept des FAS-Domänen-HILs sowie die angewendeten bzw. entwickelten Werkzeuge und Methoden lassen sich mit nur sehr geringem Aufwand an das jeweilige zu untersuchende System anpassen. Somit lässt sich abschließend festhalten, dass diese Methode und vor allem die Simulation für die Entwicklung moderner Fahrzeugsysteme auf der Bahnführungsebene ein erhebliches Potential bietet.
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