Studienarbeit aus dem Jahr 2005 im Fachbereich Germanistik - Literaturgeschichte, Epochen, Note: 2,0, Universität Münster (Institut für Deutsche Philologie II), Veranstaltung: Gotthold Ephraim Lessing: Literatur - Ästhetik - Kritik, Sprache: Deutsch, Abstract: Ein bürgerliches Trauerspiel! Mein Gott! Findet man in Gottscheds critischer Dichtkunst ein Wort von so einem Dinge? Der berühmte Lehrer hat nun länger als zwanzig Jahre seinem lieben Deutschland die drey Einheiten vorgeprediget, und dennoch wagt man es auch hier, die Einheit des Orts recht mit Willen zu übertreten. Keinem Gottsched-Anhänger, sondern Gotthold Ephraim Lessing selbst wird dieses prägnante Zitat aus der Berlinischen Privilegirten Zeitung vom 3. Mai 1755 zugeschrieben. Als leidenschaftlicher Polemiker ließ er es sich nicht nehmen, eine Rezension seines eigenen Dramas Miss Sara Sampson zu veröffentlichen und die sichere Kritik der Gottschedianer im Vorfeld zu karikieren. Lessing markiert hier eine provokative Oppositionshaltung gegenüber dem gewichtigsten deutschen Theaterreformator, dessen dramentheoretische Agenda den literarischen Diskurs der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts dominierte. Das Erscheinen seiner Sara weist den Weg hin zu einem veränderten Aufklärungskonzept und zeitigt einen neuen Typus literarischer Produktion - das Bürgerliche Trauerspiel. Diesen vermeintlichen Paradigmenwechsel gilt es, in dieser Hausarbeit nachzuvollziehen: Welche dramaturgischen Elemente prägten die Trauerspielproduktion des Frühaufklärers Gottsched? Welche ausländischen Vorbilder initiierten den Richtungswechsel? Und wie positioniert sich die Mitleidstheorie Lessings in diesem Faktorengeflecht? Exemplarisch möchte ich diese drei Fragen anhand der beiden bereits erwähnten Primärtexte - Gottscheds Versuch einer Critischen Dichtkunst und Lessings Miss Sara Sampson - beantworten. Dabei soll den zentralen theoretischen Begrifflichkeiten „3-Einheiten-Lehre“, „Ständeklausel“, „Katharsis“ und „Empfindsamkeit“ eine zentrale Rolle zukommen.