»Gaitskill verdient ein Denkmal für diesen schönen, niederschmetternden Roman.« Elle.
Alison und Veronica lernen sich im nächtlichen Glamour des New York der 1980er Jahre kennen: ein Topmodel nach dramatischem Karriere-Aus und eine exzentrische Korrekturleserin mittleren Alters. Im Laufe der nächsten zwanzig Jahre muss die Freundschaft dieser ungleichen Frauen Narzissmus und Zärtlichkeit, Ausbeutung und Selbstaufopferung, Liebe und Tod aushalten. Gaitskill bewegt sich nahtlos zwischen den leuchtenden und den düsteren Seiten der Metropole, wo Schönheit und Stil dem Exzess Vorschub leisten, und der Welt der Überlebenden, die zwanzig Jahre später vor den Scherben ihres Daseins stehen. Meisterhaft beschwört »Veronica« die Zerbrechlichkeit und das Geheimnis menschlicher Beziehungen. Aufwühlend, unerschrocken und schmerzlich schön.
Shortlist für den National Book Award.
»Gaitskills Figuren bluten, schwitzen, weinen, und sie erleben Traurigkeit, Wut und Liebe ebenso stark als körperliche Empfindung wie als Emotion.« San Francisco Chronicle.
Alison und Veronica lernen sich im nächtlichen Glamour des New York der 1980er Jahre kennen: ein Topmodel nach dramatischem Karriere-Aus und eine exzentrische Korrekturleserin mittleren Alters. Im Laufe der nächsten zwanzig Jahre muss die Freundschaft dieser ungleichen Frauen Narzissmus und Zärtlichkeit, Ausbeutung und Selbstaufopferung, Liebe und Tod aushalten. Gaitskill bewegt sich nahtlos zwischen den leuchtenden und den düsteren Seiten der Metropole, wo Schönheit und Stil dem Exzess Vorschub leisten, und der Welt der Überlebenden, die zwanzig Jahre später vor den Scherben ihres Daseins stehen. Meisterhaft beschwört »Veronica« die Zerbrechlichkeit und das Geheimnis menschlicher Beziehungen. Aufwühlend, unerschrocken und schmerzlich schön.
Shortlist für den National Book Award.
»Gaitskills Figuren bluten, schwitzen, weinen, und sie erleben Traurigkeit, Wut und Liebe ebenso stark als körperliche Empfindung wie als Emotion.« San Francisco Chronicle.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.01.2023Wie man im Dämonenreich glücklich sein soll
Mary Gaitskills Roman "Veronica" stellt die Schattenseiten des Lebens der Boheme vor.
Ein kleines böses Mädchen, grausam und schön, ein Mädchen, das sich immer schon für etwas Besseres als die Familie hält und irgendwann, in einem tiefen Sumpf versinkend, ins Dämonenreich gelangt, wo es verwandelt wird und fortan mit Schlamm und Schlangen um den Hals gefangen bleibt: eine wilde Kindergeschichte mit weitreichender Wirkung. "Ich konnte das Mädchen spüren, das schön sein wollte. Eine Mutter, die es lieben, eine Dämonin, die es quälen wollte. Ich spürte, wie sich die Figuren in meiner Mutter so vermischten, dass ich sie nicht mehr auseinanderhalten konnte." So erinnert sich Alison, die Erzählerin, gleich zu Beginn dieses Romans daran, was ihr die Mutter ehedem vorgelesen hat. Und so legt der Roman gleich eine Spur, der auch wir als Leser folgen können, wenn wir uns seinen vielfachen Windungen und wilden Mischungen ohne Rückhalt überlassen wollen.
Die Geschichte, die er uns vermittelt, setzt sich allmählich erst zusammen, als ein Patchwork aus Reminiszenzen, Phantasien, Sehnsüchten und Ängsten. Alison ist Ende vierzig und hat ihr eigentliches Leben schon seit zwanzig Jahren hinter sich. Alternd, krank, verarmt und einsam fristet sie ihre Tage in einem kalifornischen Küstenkaff und lebt vor allem von Erinnerungen. Was sie sonst zum Leben braucht, muss sie durch einen Büroputzjob verdienen, den ihr ein abgelegter Lover überlassen hat. Die körperliche Anstrengung des Putzens aber kann sie nur mit Schmerztabletten mühsam durchstehen. Hepatitis C und ein schlecht verheilter Knochenbruch nach einem Unfall haben ihr den Körper ruiniert.
Dieses triste Dasein bietet dem Roman die Rahmung und Kontrastfolie, um Alisons bewegtes Leben in jungen Jahren zu erzählen. Aus vielerlei Versatzstücken und einzelnen Erinnerungsbrocken, die wie Magma hervorzubrechen scheinen und wild durcheinander wirbeln - "die gleißende, glühende Vergangenheit bricht wieder in die Gegenwart", heißt es an einer Stelle -, setzt sich so ein Mosaik zusammen, das einiges mit der Geschichte von dem Mädchen, das im Sumpf versinkt, gemein hat. Doch der Roman setzt viel daran, dass wir uns dieses Kind auch im Dämonenreich als glücklichen Menschen vorstellen sollen.
Alison stammt aus New Jersey, flieht als Teenager aus der Familie nach San Francisco, um das freie Leben mit Sex und Drogen zu erproben und sich als Blumenverkäuferin vor Nachtclubs durchzuschlagen. Durch Kontakte eines schmierigen Agenten, der ihr zwischen die Beine fasst, wird sie zum fashion model, jettet nach Paris und steigt schnell in eine Glamour-Welt aus Stars und Modefotografen auf. Doch der tägliche Genuss von Champagner, Koks und Trüffelpastete weckt in ihr nur die Sehnsucht nach dem schlichten Chemiegeschmack amerikanischer Pies aus dem heimischen Supermarkt.
Ohnehin folgt schnell der Absturz. Der Boss der Model-Industrie, dem Alison als heimliche Geliebte diente, lässt sie fallen, betrügt sie um ihr Geld und verhindert ihre weitere Karriere. So versucht sie in New York den Neuanfang mit College-Besuch und Büro-Job. Hier lernt sie auch Veronica kennen, eine deutlich ältere Kollegin, die Strickpullis mit Zopfmuster und bunten Tieren trägt, Opern liebt und in vielerlei Hinsicht einen gänzlich anderen Lebensentwurf hat. Zunächst kann Alison ihre Verachtung kaum verhehlen. Doch der Gegensatz zieht sie zunehmend an, eine echte Freundschaft entwickelt sich. Veronica erkrankt an Aids, in den Achtzigern die neue Seuche, und Alison begleitet ihre Freundin auf dem Weg zum Tod. Noch Jahrzehnte später, als Alison längst selbst erkrankt ist, umkreisen ihre fiebernden Gedanken diesen Abschied.
Damit findet der Roman spät sein eigentliches Thema. Lange wirbelt er bis dahin seine unterschiedlichen Erzählfetzen umeinander, verbindet Anrührendes (wie die Erinnerungen an die Schwestern) mit Abstoßendem (Einblicke ins Pariser Sadomaso-Milieu) und Zeittypischem (New Yorker Boheme der Achtziger) und sorgt insgesamt dafür, dass wir uns selbst wie jenes Mädchen aus der Kindergeschichte fühlen und die Dinge kaum mehr auseinanderhalten können.
Erzählt wird alles in einer metaphernreichen, oft üppig wuchernden Sprache, die Daniel Schreiber, der sich lange schon für die Autorin Mary Gaitskill einsetzt, schonungslos ins Deutsche gebracht hat. Manchmal kommt es so zu eindringlichen Bildern: "Achtlos weggeworfene Hosen versuchten, von der Couch zu fliehen; verwelkte Kleider schnarchten auf Küchenstühlen", manchmal zu hitziger Großstadtprosa: "Der Sommer war feucht und heiß. Die Stadt atmete aus, furzte und schwitzte durch die Gitterstäbe ihres Betonkäfigs wie ein riesiges Tier aus Fleisch und Stahl, Glas und strähnigem Haar. Sie verbreitete einen gewaltigen Gestank, ein Wirrwarr vieler kleiner Gerüche - Blumen, Schmutz, Autos, Müll, Pisse und Essen." Und manchmal bloß zu Stilblüten: "Unsere Unterhaltungen glichen zerrissenem Papier, das im reißenden Strom unserer nach vorn gerichteten vereinten Absichten taumelte."
Harter Sex, Geschlechterkampf und Drogen: Das sind seit dem Debütband "Bad Behavior" von 1988 die Markenzeichen von Mary Gaitskill (Jahrgang 1954) als unerbittlicher Chronistin unserer Triebwelt. Mit der deutschen Neuausgabe dieser Story-Sammlung vor drei Jahren und mit "Das ist Lust", einem erzählerischen Beitrag zur MeToo-Debatte, hat der Blumenbar-Verlag begonnen, zur Entdeckung ihrer Texte einzuladen. Doch gerade vor dem Eindruck dieser starken und zutiefst verstörenden Erzählungen wirkt der Roman "Veronica", im Original 2005 erschienen, deutlich schwächer. Vielleicht liegen knappe Formen der Autorin mehr. Was sich einprägt, sind vereinzelte Passagen. Als Ganzes wirkt ihr Roman unentschieden taumelnd und zu fahrig, um in seinem Strom je mitzureißen. TOBIAS DÖRING
Mary Gaitskill: "Veronica". Roman.
Aus dem amerikanischen Englisch von Daniel Schreiber. Blumenbar, Berlin 2022. 301 S., geb., 22,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Mary Gaitskills Roman "Veronica" stellt die Schattenseiten des Lebens der Boheme vor.
Ein kleines böses Mädchen, grausam und schön, ein Mädchen, das sich immer schon für etwas Besseres als die Familie hält und irgendwann, in einem tiefen Sumpf versinkend, ins Dämonenreich gelangt, wo es verwandelt wird und fortan mit Schlamm und Schlangen um den Hals gefangen bleibt: eine wilde Kindergeschichte mit weitreichender Wirkung. "Ich konnte das Mädchen spüren, das schön sein wollte. Eine Mutter, die es lieben, eine Dämonin, die es quälen wollte. Ich spürte, wie sich die Figuren in meiner Mutter so vermischten, dass ich sie nicht mehr auseinanderhalten konnte." So erinnert sich Alison, die Erzählerin, gleich zu Beginn dieses Romans daran, was ihr die Mutter ehedem vorgelesen hat. Und so legt der Roman gleich eine Spur, der auch wir als Leser folgen können, wenn wir uns seinen vielfachen Windungen und wilden Mischungen ohne Rückhalt überlassen wollen.
Die Geschichte, die er uns vermittelt, setzt sich allmählich erst zusammen, als ein Patchwork aus Reminiszenzen, Phantasien, Sehnsüchten und Ängsten. Alison ist Ende vierzig und hat ihr eigentliches Leben schon seit zwanzig Jahren hinter sich. Alternd, krank, verarmt und einsam fristet sie ihre Tage in einem kalifornischen Küstenkaff und lebt vor allem von Erinnerungen. Was sie sonst zum Leben braucht, muss sie durch einen Büroputzjob verdienen, den ihr ein abgelegter Lover überlassen hat. Die körperliche Anstrengung des Putzens aber kann sie nur mit Schmerztabletten mühsam durchstehen. Hepatitis C und ein schlecht verheilter Knochenbruch nach einem Unfall haben ihr den Körper ruiniert.
Dieses triste Dasein bietet dem Roman die Rahmung und Kontrastfolie, um Alisons bewegtes Leben in jungen Jahren zu erzählen. Aus vielerlei Versatzstücken und einzelnen Erinnerungsbrocken, die wie Magma hervorzubrechen scheinen und wild durcheinander wirbeln - "die gleißende, glühende Vergangenheit bricht wieder in die Gegenwart", heißt es an einer Stelle -, setzt sich so ein Mosaik zusammen, das einiges mit der Geschichte von dem Mädchen, das im Sumpf versinkt, gemein hat. Doch der Roman setzt viel daran, dass wir uns dieses Kind auch im Dämonenreich als glücklichen Menschen vorstellen sollen.
Alison stammt aus New Jersey, flieht als Teenager aus der Familie nach San Francisco, um das freie Leben mit Sex und Drogen zu erproben und sich als Blumenverkäuferin vor Nachtclubs durchzuschlagen. Durch Kontakte eines schmierigen Agenten, der ihr zwischen die Beine fasst, wird sie zum fashion model, jettet nach Paris und steigt schnell in eine Glamour-Welt aus Stars und Modefotografen auf. Doch der tägliche Genuss von Champagner, Koks und Trüffelpastete weckt in ihr nur die Sehnsucht nach dem schlichten Chemiegeschmack amerikanischer Pies aus dem heimischen Supermarkt.
Ohnehin folgt schnell der Absturz. Der Boss der Model-Industrie, dem Alison als heimliche Geliebte diente, lässt sie fallen, betrügt sie um ihr Geld und verhindert ihre weitere Karriere. So versucht sie in New York den Neuanfang mit College-Besuch und Büro-Job. Hier lernt sie auch Veronica kennen, eine deutlich ältere Kollegin, die Strickpullis mit Zopfmuster und bunten Tieren trägt, Opern liebt und in vielerlei Hinsicht einen gänzlich anderen Lebensentwurf hat. Zunächst kann Alison ihre Verachtung kaum verhehlen. Doch der Gegensatz zieht sie zunehmend an, eine echte Freundschaft entwickelt sich. Veronica erkrankt an Aids, in den Achtzigern die neue Seuche, und Alison begleitet ihre Freundin auf dem Weg zum Tod. Noch Jahrzehnte später, als Alison längst selbst erkrankt ist, umkreisen ihre fiebernden Gedanken diesen Abschied.
Damit findet der Roman spät sein eigentliches Thema. Lange wirbelt er bis dahin seine unterschiedlichen Erzählfetzen umeinander, verbindet Anrührendes (wie die Erinnerungen an die Schwestern) mit Abstoßendem (Einblicke ins Pariser Sadomaso-Milieu) und Zeittypischem (New Yorker Boheme der Achtziger) und sorgt insgesamt dafür, dass wir uns selbst wie jenes Mädchen aus der Kindergeschichte fühlen und die Dinge kaum mehr auseinanderhalten können.
Erzählt wird alles in einer metaphernreichen, oft üppig wuchernden Sprache, die Daniel Schreiber, der sich lange schon für die Autorin Mary Gaitskill einsetzt, schonungslos ins Deutsche gebracht hat. Manchmal kommt es so zu eindringlichen Bildern: "Achtlos weggeworfene Hosen versuchten, von der Couch zu fliehen; verwelkte Kleider schnarchten auf Küchenstühlen", manchmal zu hitziger Großstadtprosa: "Der Sommer war feucht und heiß. Die Stadt atmete aus, furzte und schwitzte durch die Gitterstäbe ihres Betonkäfigs wie ein riesiges Tier aus Fleisch und Stahl, Glas und strähnigem Haar. Sie verbreitete einen gewaltigen Gestank, ein Wirrwarr vieler kleiner Gerüche - Blumen, Schmutz, Autos, Müll, Pisse und Essen." Und manchmal bloß zu Stilblüten: "Unsere Unterhaltungen glichen zerrissenem Papier, das im reißenden Strom unserer nach vorn gerichteten vereinten Absichten taumelte."
Harter Sex, Geschlechterkampf und Drogen: Das sind seit dem Debütband "Bad Behavior" von 1988 die Markenzeichen von Mary Gaitskill (Jahrgang 1954) als unerbittlicher Chronistin unserer Triebwelt. Mit der deutschen Neuausgabe dieser Story-Sammlung vor drei Jahren und mit "Das ist Lust", einem erzählerischen Beitrag zur MeToo-Debatte, hat der Blumenbar-Verlag begonnen, zur Entdeckung ihrer Texte einzuladen. Doch gerade vor dem Eindruck dieser starken und zutiefst verstörenden Erzählungen wirkt der Roman "Veronica", im Original 2005 erschienen, deutlich schwächer. Vielleicht liegen knappe Formen der Autorin mehr. Was sich einprägt, sind vereinzelte Passagen. Als Ganzes wirkt ihr Roman unentschieden taumelnd und zu fahrig, um in seinem Strom je mitzureißen. TOBIAS DÖRING
Mary Gaitskill: "Veronica". Roman.
Aus dem amerikanischen Englisch von Daniel Schreiber. Blumenbar, Berlin 2022. 301 S., geb., 22,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Das trist-trübe Leben der Protagonistin Alison lädt sie schier dazu ein, sich in Erinnerungsschleifen zu begeben, sich an vermeintlich bessere Zeiten zu erinnern, erkennt Rezensent Tobias Döring an. Sie hatte ein bewegtes Leben, Aufstieg und Fall als Model gehörten ebenso dazu wie die Erzählungen ihrer Mutter vom "Dämonenreich" und - wohl am wichtigsten, da titelgebend für den Roman - ihre Freundin Veronica, deren Aids-Tod Alison unmittelbar begleitet hat, lesen wir. Für den Rezensenten kommt hier viel Inhaltliches zusammen, vielleicht zu viel, auch die Übersetzung von Daniel Schreiber kann ihn nicht durchweg überzeugen. Besser als der Roman gefallen ihm die Kurzgeschichten von Mary Gaitskill, die ebenfalls im Blumenbar-Verlag erschienen sind.
© Perlentaucher Medien GmbH
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»'Veronica'« [...] zeigt, worin Gaitskill so gut ist: Menschliche Abgründe und die Paradoxie zwischen Intimität und Isolation beschreiben, ohne dabei in Pathos und Sentimentalitäten abzurutschen oder aber in Widerwärtigkeiten, wie es einige männliche Autoren gerne tun.« Neues Deutschland 20230330