Rita findet sich nicht zurecht in der Welt. Ihr Leben lang hat sie sich in Genügsamkeit und Akzeptanz geübt; früh kommt sie zu der Erkenntnis, dass sich Träume oder Dinge, die verlorengehen, durch andere ersetzen lassen. Durch Beobachtung stellt sie fest: Der Mensch ist ein Gefäß, in das über die Jahre alles hineinkommt von außen – Meinungen, Verhaltensweisen, Gesten... Das Leben betrachtet sie als eine reine Aneinanderreihung von Spielchen; je nach Situation wird diese oder jene Version der eignen Person zur Schau gestellt und vor sich hergetragen. Was aus ihr werden soll, weiß sie nicht. Um das Chaos ihrer Welt zu bändigen, schreibt sie Geschichten, gestaltet Wahrheiten, erfindet sich Gefährten wie Ivo Jež, der – wie sie – im Ministerium tätig ist, Abteilung Raumfahrt. Oder handelt es sich um eine andere Art von Einrichtung und Ivo ist ein Mitpatient? Wird Rita therapiert oder wird die Ärztin von Rita manipuliert? Ist der freie Mensch frei oder ist derjenige ohne Zwang, dem die Entscheidungen abgenommen werden? "Jede Geschichte ist eine Gewalt an die Wahrheit", schreibt Rita einmal. Verstehen wir dies als Einladung, den Wahrheitsgehalt der erzählten Geschichte infrage zu stellen.
Perlentaucher-Notiz zur Dlf Kultur-Rezension
Schon an der Textgestalt erkennt Rezensentin Wiebke Porombka, dass der neue Roman der slowenischen Autorin Ana Marwan kein herkömmliches Buch ist. Der Text ist fragmentarisch aufgebaut, so die Kritikerin, kurze Passagen werden von kursiven Textabschnitten unterbrochen. Vieles ist in diesem Roman unsicher. So wie sich die Autorin nicht auf eine klare Form festlegen will, ist auch inhaltlich vieles in der Schwebe, meint Porombka. In der Schilderung der Hauptfigur Rita, die sich an der Schwelle zum Frauwerden befindet, lasse die Autorin häufig offen, ob das was ihr passiert, ein Klinikaufenthalt oder die Begegnung mit ihrem Gegenspieler, Realität ist oder nur Imagination. Aber gerade in dieser Unstetigkeit ist der Roman konsequent, dabei "sprachlich fabelhaft", abwechselnd witzig und melancholisch, lobt die Kritikerin.
© Perlentaucher Medien GmbH
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