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Petros Markaris' Athener Kommissar Charitos ermittelt
Es war nur eine Frage der Zeit, bis die Pandemie auch in der Kriminalliteratur zum Thema wird. Der griechische Autor Petros Markaris geht damit gleich aufs Ganze. Er schmückt nicht nur die Handlung seines neuen Romans "Verschwörung" mit kleinen Randbeobachtungen aus der harten ersten Phase der Pandemie aus, als das Virus das gesellschaftliche Miteinander zum Stillstand brachte. Markaris macht vielmehr die staatlichen Maßnahmen und die Reaktion der Bürger darauf zum Kern seiner Geschichte. Seinen Athener Kommissar Kostas Charitos lässt der Autor also während eines harten Lockdowns 2021 in der griechischen Hauptstadt ermitteln.
Die Straßen sind leer, die Bars geschlossen, es herrscht nächtliche Ausgangssperre. Und "anscheinend bleiben selbst Mörder während des Lockdowns zu Hause", kommentiert Charitos die Ermittlungsflaute, kurz bevor er zum Fall eines Selbstmörders hinzugerufen wird. Der Mann war mehr als neunzig Jahre alt und hinterließ einen Abschiedsbrief, unterschrieben mit dem Satz: "Es lebe die Bewegung der Selbstmörder!"
Der grummelige Kommissar hält dies zunächst für einen schlechten letzten Witz des Toten, doch schon bald tauchen ähnliche Fälle nach dem gleichen Muster auf. Die alten Männer beklagen in ihren Abschiedsschreiben die finanzielle Not, in welche die Lockdowns kleine Ladenbesitzer, Arbeiter und jene am unteren Rand der Gesellschaft stürzen. Sie prangern an, dass niemand gegen diese Zustände auf die Straße geht, und wollen ihr Ableben als Zeichen des Widerstands gedeutet wissen ("Zu meiner Zeit wäre die Hölle los gewesen auf der Straße. Heute erhebt sich niemand"). Als die Schreiben in den sozialen Netzwerken auftauchen, kommt es zu spontanen Demonstrationen, und Kommissar Charitos muss nicht nur die Drahtzieher hinter der Bewegung finden, sondern auch seine Vorgesetzten beruhigen, weil sie die Stadt ins Chaos rutschen sehen.
Markaris, der 1937 in Istanbul geboren wurde und seit Jahrzehnten in Athen lebt, ist in Griechenland mit politischen Theaterstücken berühmt geworden. Die Bühnenarbeit und auch sein Schreiben fürs Fernsehen merkt man dem Roman an, er konzentriert sich auf Dialoge, erzählt geradlinig aus der Ich-Perspektive seines Kommissars. Stilistische Spielereien mit Zeit- oder Handlungsebenen sind ihm dabei fremd, lieber legt er den Fokus aufs Politische und webt einen Blick auf die aktuelle gesellschaftliche Situation in Griechenland in die Handlung ein.
So gerät sein Kommissar Charitos bei den Ermittlungen nicht nur ins Milieu der Athener Altlinken, die bereits in den Siebzigerjahren gegen die Militärdiktatur kämpften, er muss sich auch mit der Szene der griechischen Impfgegner und Verschwörungstheoretiker auseinandersetzen. "Querdenker", so lernt man, sind kein deutsches Phänomen. "Verschwörung" wird so zu einem Zeitzeugnis aus den Anfängen der Pandemie, das vor allem in Erinnerung ruft, wie schnell und tiefgreifend sich das gesellschaftliche Leben durch das Virus verändert hat. MARIA WIESNER
Petros Markaris: "Verschwörung". Ein Fall für Kostas Charitos. Roman.
Aus dem Griechischen von Michaela Prinzinger. Diogenes Verlag, Zürich 2022. 352 S., geb., 25,- Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
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