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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
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Von Ammen, Pechsiedern und Wasserstiefelschustern: Rudi Pallas grandioses Lexikon untergegangener Berufe
Die Ammen, die Fächermacher, die Farbenmacher, Pottaschesieder und Zinngießer, Drahtzieher, Nachtwächter und Laternenanzünder, die Bader, Kastrierer und Wagenschmiermänner, sie alle gehören in jene versunkenen Arbeitswelten, die Rudi Palla in seinem Buch der untergegangenen Berufe beschreibt. Er verschafft ihnen als Archäologe des Alltags noch einmal einen großen Auftritt, entfaltet für den Leser dieses so lehrreichen wie unterhaltsamen Lexikons - nicht chronologisch und auch nicht auf Vollständigkeit Anspruch erhebend - eine Kulturgeschichte der Arbeit von der Antike bis ins Industriezeitalter.
Wehmut muss nicht aufkommen, denn Palla porträtiert anschaulich und oft lakonisch hartes Handwerk und Lebensumstände, die zum Glück überwunden sind; soziale Nischen, die auch gegen die Konkurrenz verteidigt werden mussten. Dort gedieh zuweilen eine eigene kulturelle Identität, mit Liedern, Tänzen und Witzen, die damals zwar in den Feuilletons gefeiert wurden und uns heute allenfalls noch als Redewendungen und aus der Literatur bekannt sind. Im wirklichen Leben schufteten etwa die Wäscherinnen oder Wäschemädels im Wien der Biedermeierzeit unter schwersten Bedingungen und für karges Entgelt gegen eine großstädtische Konkurrenz, der sie nur bedingt standhielten, woran die schönen Lieder und ihre Schlagfertigkeit nichts änderten.
Es waren nicht nur Maschinen und technologischer Fortschritt, die traditionelle Berufe verdrängten, sondern auch eine immer komplexere Arbeitsteilung und die zunehmende Verstädterung. Der Gassenkehrer von einst, ein wegen seiner schmutzigen Dienstleistung meist verachteter Beruf, existiert heute als Müllmann der Stadtwerke weiter. Auch das eine harte Arbeit, doch respektiert - spätestens dann, wenn man ein paar Streikwochen und Müllberge vor der Haustür überstanden hat. Andere sind als exklusive Handarbeitsprodukte zurückgekehrt, ohne dass jedoch der dazugehörige Beruf - zum Beispiel ein Seifensieder - dem Käufer vorstellbar wäre. Und wo die Farben, mit denen heute Massenware wie Jeans gefärbt wird, herkommen, will sich der politisch korrekt erzogene Mensch lieber gar nicht vorstellen.
Jahrhundertelang aber war es üblich, dem eigenen Tun, der Existenz, von der man lebte, und mochte sie noch so schwer sein, einen eigenen Namen zu geben. Der war mit einem Stolz verbunden und vorstellbar auch für andere. Ein Wasserstiefelschuster etwa war ein geschätzter Spezialist, der Schuhwerk für Fischer und Kanalarbeiter herstellte: Jeder Handgriff musste sitzen, sonst drang das Wasser ein. Doch wer könnte sich heute sofort etwas vorstellen unter Berufen wie Mechatroniker oder gar Kommunikationsdesignerin, wenn er ihn nicht selbst ausübt? Wüsste, was nur sie können, welches Werkzeug sie verwenden, welches Produkt sie vertreten und vor allem, wo man diese Arbeiten ausübt? Eine Kommunikationsdesignerin, so erfährt man im Internet aus sogenannten Berufssteckbriefen, arbeite vorzugsweise in Büros und in Besprechungsräumen. Mehr, also eigentlich nichts, muss man wohl heute nicht mehr wissen.
In Rudi Pallas Lexikon der verschwundenen Arbeit aber entdecken wir nicht nur konkrete Menschen, die zu bestimmten Zeiten einer klar benannten Arbeit nachgingen und warum. Unter den einzelnen Stichworten wird der Leser zudem in ein Geflecht von Waren und ihren Wegen verwickelt, die Geschichte der Arbeit mit einer Mentalitätsgeschichte verknüpft. Der jetzt im Brandstätter Verlag erschienene Band ist eine aktualisierte Wiederauflage; wunderbar gestaltet, noch reicher und origineller illustriert. Er macht außerdem mit zahlreichen neuen Stichworten auf einen entschwundenen Reichtum auch unserer Alltagssprache aufmerksam.
REGINA MÖNCH.
Rudi Palla: "Verschwundene Arbeit". Verlag Christian Brandstätter, Wien 2014. 272 S., zahlr. Abb., geb., 35.- [Euro].
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"Der jetzt im Brandstätter Verlag erschienene Band ist eine aktualisierte Widerauflage; wunderbar gestaltet, noch reicher und origineller illustriert." -- Frankfurter Allgemeine Zeitung
"Heiteres Beruferaten. Das Buch erinnert an längst vergessene Tätigkeiten." -- Nürnberger Nachrichten