2012 nahm Peter Handke mit seinem »Versuch über den Stillen Ort« die Reihe seiner Versuche wieder auf. Nur ein Jahr später beschließt er sie, endgültig, wie der Dichter selbst sagt, mit einem fünften und letzten erzählenden Essay, dem »Versuch über den Pilznarren« - worin die Pilze für den Helden der Geschichte nicht nur Passion, sondern das letzte Abenteuer, das Abenteuer an sich sind.
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension
In Peter Handkes "Versuch über den Piznarren" geht es zwar auch um Pilze, vor allem aber um den Narren, hinter dem sich der Autor mit allerhand biografischer Spielerei verbirgt, den er sich aber auch als "idealen literarischen Sparringspartner" erschaffen hat, berichtet Helmut Böttiger. Was dem Rezensenten besonders gefällt: Handke scheint mit zunehmendem Alter immer humorvoller zu werden und sich auch gerne selbst aufs Korn zu nehmen, etwa wenn sein Alter ego ihm, dem Autor, vorwirft, dass er mit dem "Heraufbeschwören und Geraune" gar nicht mehr aufhöre, oder unentwegt vom Feigenblatt "psalmodiere", erklärt Böttiger. Weil dann auch das Lyrische gewohnt stimmig ist, will dem Rezensenten partout keine Kritik einfallen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.10.2013Versenk das trunkne Auge ins tröstende Gelbbraun
Peter Handkes neuer Versuch ist viel mehr als das: eine Erzählung der Suche nach dem Märchenhaften.
Von Friedmar Apel
Die problematischen bürgerlichen Helden der deutschen Literatur begeben sich gern in Waldeinsamkeit. Was sie dort suchen, ist das Andere der Gesellschaft und der Zeit, an der sie kranken. Dort rauschen die Bäume, aber was sie dem Subjekt sagen wollen, bleibt uneindeutig. Das Heil finden sie jedenfalls selten.
Peter Handke ist der Waldgänger der Gegenwartsliteratur, ein beharrlicher Wanderer seiner Geschichte. Die Missverständnisse und Querelen um ihn und seine Stellungnahmen zu Jugoslawien gehen nicht zuletzt darauf zurück, dass es ihm zuerst um das Land, die Landschaft und die Leute geht und nicht um Politik und Staat. Politik ist ihm die Sphäre des Irrtums und des Unrechts am Einzelnen, doch ist auch in der Landschaft nicht die Wahrheit zu finden, sondern nur Erfahrung und Aufmerksamkeit fürs Erscheinende. "Wie hat das Verirrtgehen, das Rutschen, das Stürzen, nein, das Faststürzen mir doch den Blick geschärft", heißt es in "Spuren des Verirrten" (2006). Im Glücksfall aber kommt es beim Gehen in der Landschaft zur wahren Empfindung, zur Begegnung und zur Freundschaft.
Der Erzähler von Handkes neuem, seinem fünftem Versuch, einer "Geschichte für sich", gibt sich alsbald als der Autor von "Mein Jahr in der Niemandsbucht" (1994) zu erkennen. Darin reflektierte sich der Protagonist als einer, der die Politik zu ignorieren versucht hatte, dennoch aber gelegentlich "in eine todfalsche Mitte gezielt, ob als Redner vor Gericht oder als Artikelschreiber, der sich einbildete, wie einst Emile Zola Geschichte machen zu können". Auch im neuen Versuch geht es um die Literatur als Widerstand und Einspruch gegen die Wirklichkeit, um die Frage, ob der Dichter sich anmaßen kann, im Namen der Dinge zu sprechen.
Die Geschichte beginnt in der Gegend, in der Handke geboren wurde, in einem Kärntner Dorf an der Grenze zu Slowenien, seiner "Geh-Heimat", und sie endet in der Landschaft nahe Chaville bei Paris, wo der Dichter heute wohnt. Erzählt wird das Schicksal eines Freundes von Kindesbeinen an, den der Erzähler offenbar so gut kennt, dass er beinahe verdächtig gut mit dessen Augen sehen kann. Dieser Freund ging schon als Jugendlicher in die Pilze und ließ sich dabei mit den Slowenen ein, die nach dem Krieg den Pilzhandel betrieben. Vom Erlös kaufte er sich Bücher. Von sich selbst in der Zukunft wollte er nichts wissen.
Es wurde aber doch etwas aus ihm, nämlich ein erfolgreicher, vor internationalen Gerichtshöfen tätiger Anwalt, der sich auch mit Bürgerkriegen befasst. Diese Karriere betrachtet er aber als rein äußerlich: "In meinem Innern ist es mit mir nicht weitergegangen als bis an die Waldränder, wo ich als Siebenjähriger hingelaufen bin zum Wind-in-den-Baumkronen-Hören." Wie unwillkürlich gründet er seine Familie mit einer, die aus dem Nachbardorf stammt. "Die Frau, sie hat mich heimliche Wege geführt, wie's bei Deinem Wolfram von Eschenbach heißt." Er aber erscheint als Gawan und Parzival zugleich. Mit leichter Hand geht er mit den Missständen der Weltgeschichte um, und doch gerät er als reiner Tor und Narr in Konflikte, die ihn zum Außenseiter und Auserwählten zu bestimmen scheinen.
Als er eines Tages bei einem Waldspaziergang zufällig einen Steinpilz erblickt, widerfährt ihm ein Erlebnis der Plötzlichkeit und Präsenz, das die Kontinuitäten seines Lebens aufsprengt. Dem Erzähler dagegen fallen bei der Gelegenheit alle Namen für den König der Pilze ein, die in jenem vielsprachigen Grenzgebiet einst kursierten, wie er sich überhaupt als vorzüglicher Pilzkundler erweist. Den Freund aber führt das Erlebnis zurück zu seiner jugendlichen Leidenschaft. Das gerät ihm im Kontrast zum Unheil und Unrecht, mit dem er in seinem Beruf konfrontiert ist, "im Gewahrwerden, im Ausfindigmachen und Aufspüren der Pilze, auch der noch so versteckten und von noch und noch Buschwerk überschatteten, zum Vorteil und, wie er mit zunehmender Leidenschaft, erst einmal nur für sich allein, zu predigen versucht war, fast zum Heil". Schon als Kind aber war für ihn der Waldgang kein reiner Selbstzweck, im Rauschen der Bäume vernahm er einen "Anstoß zum Handeln", ohne freilich zu wissen, mit welchem Ziel.
Während der Freund es früh schon auf Sachbücher abgesehen hatte, stellt sich der Erzähler als ein belesener Waldgänger dar, der in Anspielungen von Goethe bis Mörike und in atemberaubenden Satzkonstruktionen die ganzen klassisch-romantischen Stilmittel der Landschaftsbeschreibung noch einmal auf-, ja überbietet, wie um zu demonstrieren, dass die Aufgabe des Dichters darin besteht, schöne Sätze zu schreiben, anstatt die Welt verbessern zu wollen. "Die Wälder der Kindheitsgegend waren vor allem Nadelwälder, und überdies fast ausschließlich, bis auf die lichteren Lärcheninseln oben in den Berglagen, die Fichten, mit ihrem besonders dichten Nadelkleid, und diese Bäume wuchsen jeweils nah beieinander, die Äste und Zweige ineinander verzahnt und verflochten, und finster und finsterer wurde es beim Hineintauchen zwischen all dem Fichtengewirr, so daß mit der Zeit weder Einzelbäume noch ein ganzer Wald sinnfällig wurden, und am finstersten und ortlosesten war es dann im Waldinneren, das oft schon bald oder sogar gleich, nach ein paar Schritten weg von den Rändern, einen umfangen hielt: kein Durchblick mehr zwischen den Stämmen mit den in der Regel toten unteren Ästen hinaus in das eben noch ihn umgebende Freie, in das eben noch das weite Land bestrahlende Tageslicht, als Licht nur ein gleichbleibendes tiefes Dämmern, welches nirgends als Licht wirksam wurde, nicht bloß ,kaum einen Hauch' in den (unsichtbaren) Wipfeln, sondern gar keiner, vom Vogelgesang vor ein paar Schritten zu schweigen." Wie unwillkürlich aber fügt sich die Beschreibung zur Metaphorik der Verlassenheit.
Was zunächst zur heilsamen Schärfung des Blicks für das Sichtbare wie das Offene und zur Besinnung auf die elementare Erfahrung des Lebendigen führt, entwickelt sich bei dem Freund zur Obsession. Die Leidenschaft des "Alleingehens" schlägt um in ein Laster. Der Freund isoliert sich zunehmend, seine Ehe geht zu Bruch, vor lauter Pilzformen verliert er "das sichtbare Dritte", und er beginnt, seine Klienten zu verachten. Im entfremdeten Blick kehrt die verdrängte Bedrohlichkeit der Natur zurück, er beginnt, die Pilze als Bastarde und Zwitterwesen zu hassen und zu beschimpfen, und fühlt sich von ihnen verfolgt und gejagt. Vor dem zu erwartenden Zusammenbruch entschwindet er den Augen des Lesers. Wie, will der Erzähler nicht verraten. "Malt euch es selber aus."
Als er aber Jahre später in Chaville gerade an der Erzählung schreibt, die der Leser vor sich hat, taucht der Pilznarr wieder auf. Er scheint geheilt und wirkt gepflegt in seinem eleganten Anzug. Doch in seinen Augenwinkeln entdeckt der Erzähler noch immer jene Verlassenheit, die das Motiv aller Waldgänger ist. Auf einer Wanderung spricht der Freund Sätze wie von Peter Handke: "Was habe ich doch für Glück gehabt, mein Leben lang! Und wie habe ich mich immer wieder getäuscht, einmal bitter, dann schön."
Die Wanderung führt - wie sollte es anders sein? - die beiden modernen Ritter zum Heiligen Gral, genauer zur "Auberge du Saint Graal". Die gibt es wirklich: in Grisy-le-Platre, traditionelle Küche wird dort serviert, im Herbst vermutlich mit frischen Pilzen. Auf dem Weg dahin aber kommt es in gekonnter Stilparodie, wie es im mittelalterlichen Roman und im romantischen Märchen kommen muss.
So stellt sich heraus, dass Handkes fünfter Versuch einer über das fünfte, das "Zusatzelement" ist: den Märchenmoment. Als Gegengift zum universalen "Giftgeschwätz" soll das Märchenhafte "das Allerwirklichste, das Notwendige" an und für sich sein. Wer so schön erzählen kann wie Peter Handke, dem glaubt der Leser das für eine gute Weile.
Peter Handke: "Versuch über den Pilznarren". Eine Geschichte für sich.
Suhrkamp Verlag, Berlin 2013. 218 S., geb., 18,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Peter Handkes neuer Versuch ist viel mehr als das: eine Erzählung der Suche nach dem Märchenhaften.
Von Friedmar Apel
Die problematischen bürgerlichen Helden der deutschen Literatur begeben sich gern in Waldeinsamkeit. Was sie dort suchen, ist das Andere der Gesellschaft und der Zeit, an der sie kranken. Dort rauschen die Bäume, aber was sie dem Subjekt sagen wollen, bleibt uneindeutig. Das Heil finden sie jedenfalls selten.
Peter Handke ist der Waldgänger der Gegenwartsliteratur, ein beharrlicher Wanderer seiner Geschichte. Die Missverständnisse und Querelen um ihn und seine Stellungnahmen zu Jugoslawien gehen nicht zuletzt darauf zurück, dass es ihm zuerst um das Land, die Landschaft und die Leute geht und nicht um Politik und Staat. Politik ist ihm die Sphäre des Irrtums und des Unrechts am Einzelnen, doch ist auch in der Landschaft nicht die Wahrheit zu finden, sondern nur Erfahrung und Aufmerksamkeit fürs Erscheinende. "Wie hat das Verirrtgehen, das Rutschen, das Stürzen, nein, das Faststürzen mir doch den Blick geschärft", heißt es in "Spuren des Verirrten" (2006). Im Glücksfall aber kommt es beim Gehen in der Landschaft zur wahren Empfindung, zur Begegnung und zur Freundschaft.
Der Erzähler von Handkes neuem, seinem fünftem Versuch, einer "Geschichte für sich", gibt sich alsbald als der Autor von "Mein Jahr in der Niemandsbucht" (1994) zu erkennen. Darin reflektierte sich der Protagonist als einer, der die Politik zu ignorieren versucht hatte, dennoch aber gelegentlich "in eine todfalsche Mitte gezielt, ob als Redner vor Gericht oder als Artikelschreiber, der sich einbildete, wie einst Emile Zola Geschichte machen zu können". Auch im neuen Versuch geht es um die Literatur als Widerstand und Einspruch gegen die Wirklichkeit, um die Frage, ob der Dichter sich anmaßen kann, im Namen der Dinge zu sprechen.
Die Geschichte beginnt in der Gegend, in der Handke geboren wurde, in einem Kärntner Dorf an der Grenze zu Slowenien, seiner "Geh-Heimat", und sie endet in der Landschaft nahe Chaville bei Paris, wo der Dichter heute wohnt. Erzählt wird das Schicksal eines Freundes von Kindesbeinen an, den der Erzähler offenbar so gut kennt, dass er beinahe verdächtig gut mit dessen Augen sehen kann. Dieser Freund ging schon als Jugendlicher in die Pilze und ließ sich dabei mit den Slowenen ein, die nach dem Krieg den Pilzhandel betrieben. Vom Erlös kaufte er sich Bücher. Von sich selbst in der Zukunft wollte er nichts wissen.
Es wurde aber doch etwas aus ihm, nämlich ein erfolgreicher, vor internationalen Gerichtshöfen tätiger Anwalt, der sich auch mit Bürgerkriegen befasst. Diese Karriere betrachtet er aber als rein äußerlich: "In meinem Innern ist es mit mir nicht weitergegangen als bis an die Waldränder, wo ich als Siebenjähriger hingelaufen bin zum Wind-in-den-Baumkronen-Hören." Wie unwillkürlich gründet er seine Familie mit einer, die aus dem Nachbardorf stammt. "Die Frau, sie hat mich heimliche Wege geführt, wie's bei Deinem Wolfram von Eschenbach heißt." Er aber erscheint als Gawan und Parzival zugleich. Mit leichter Hand geht er mit den Missständen der Weltgeschichte um, und doch gerät er als reiner Tor und Narr in Konflikte, die ihn zum Außenseiter und Auserwählten zu bestimmen scheinen.
Als er eines Tages bei einem Waldspaziergang zufällig einen Steinpilz erblickt, widerfährt ihm ein Erlebnis der Plötzlichkeit und Präsenz, das die Kontinuitäten seines Lebens aufsprengt. Dem Erzähler dagegen fallen bei der Gelegenheit alle Namen für den König der Pilze ein, die in jenem vielsprachigen Grenzgebiet einst kursierten, wie er sich überhaupt als vorzüglicher Pilzkundler erweist. Den Freund aber führt das Erlebnis zurück zu seiner jugendlichen Leidenschaft. Das gerät ihm im Kontrast zum Unheil und Unrecht, mit dem er in seinem Beruf konfrontiert ist, "im Gewahrwerden, im Ausfindigmachen und Aufspüren der Pilze, auch der noch so versteckten und von noch und noch Buschwerk überschatteten, zum Vorteil und, wie er mit zunehmender Leidenschaft, erst einmal nur für sich allein, zu predigen versucht war, fast zum Heil". Schon als Kind aber war für ihn der Waldgang kein reiner Selbstzweck, im Rauschen der Bäume vernahm er einen "Anstoß zum Handeln", ohne freilich zu wissen, mit welchem Ziel.
Während der Freund es früh schon auf Sachbücher abgesehen hatte, stellt sich der Erzähler als ein belesener Waldgänger dar, der in Anspielungen von Goethe bis Mörike und in atemberaubenden Satzkonstruktionen die ganzen klassisch-romantischen Stilmittel der Landschaftsbeschreibung noch einmal auf-, ja überbietet, wie um zu demonstrieren, dass die Aufgabe des Dichters darin besteht, schöne Sätze zu schreiben, anstatt die Welt verbessern zu wollen. "Die Wälder der Kindheitsgegend waren vor allem Nadelwälder, und überdies fast ausschließlich, bis auf die lichteren Lärcheninseln oben in den Berglagen, die Fichten, mit ihrem besonders dichten Nadelkleid, und diese Bäume wuchsen jeweils nah beieinander, die Äste und Zweige ineinander verzahnt und verflochten, und finster und finsterer wurde es beim Hineintauchen zwischen all dem Fichtengewirr, so daß mit der Zeit weder Einzelbäume noch ein ganzer Wald sinnfällig wurden, und am finstersten und ortlosesten war es dann im Waldinneren, das oft schon bald oder sogar gleich, nach ein paar Schritten weg von den Rändern, einen umfangen hielt: kein Durchblick mehr zwischen den Stämmen mit den in der Regel toten unteren Ästen hinaus in das eben noch ihn umgebende Freie, in das eben noch das weite Land bestrahlende Tageslicht, als Licht nur ein gleichbleibendes tiefes Dämmern, welches nirgends als Licht wirksam wurde, nicht bloß ,kaum einen Hauch' in den (unsichtbaren) Wipfeln, sondern gar keiner, vom Vogelgesang vor ein paar Schritten zu schweigen." Wie unwillkürlich aber fügt sich die Beschreibung zur Metaphorik der Verlassenheit.
Was zunächst zur heilsamen Schärfung des Blicks für das Sichtbare wie das Offene und zur Besinnung auf die elementare Erfahrung des Lebendigen führt, entwickelt sich bei dem Freund zur Obsession. Die Leidenschaft des "Alleingehens" schlägt um in ein Laster. Der Freund isoliert sich zunehmend, seine Ehe geht zu Bruch, vor lauter Pilzformen verliert er "das sichtbare Dritte", und er beginnt, seine Klienten zu verachten. Im entfremdeten Blick kehrt die verdrängte Bedrohlichkeit der Natur zurück, er beginnt, die Pilze als Bastarde und Zwitterwesen zu hassen und zu beschimpfen, und fühlt sich von ihnen verfolgt und gejagt. Vor dem zu erwartenden Zusammenbruch entschwindet er den Augen des Lesers. Wie, will der Erzähler nicht verraten. "Malt euch es selber aus."
Als er aber Jahre später in Chaville gerade an der Erzählung schreibt, die der Leser vor sich hat, taucht der Pilznarr wieder auf. Er scheint geheilt und wirkt gepflegt in seinem eleganten Anzug. Doch in seinen Augenwinkeln entdeckt der Erzähler noch immer jene Verlassenheit, die das Motiv aller Waldgänger ist. Auf einer Wanderung spricht der Freund Sätze wie von Peter Handke: "Was habe ich doch für Glück gehabt, mein Leben lang! Und wie habe ich mich immer wieder getäuscht, einmal bitter, dann schön."
Die Wanderung führt - wie sollte es anders sein? - die beiden modernen Ritter zum Heiligen Gral, genauer zur "Auberge du Saint Graal". Die gibt es wirklich: in Grisy-le-Platre, traditionelle Küche wird dort serviert, im Herbst vermutlich mit frischen Pilzen. Auf dem Weg dahin aber kommt es in gekonnter Stilparodie, wie es im mittelalterlichen Roman und im romantischen Märchen kommen muss.
So stellt sich heraus, dass Handkes fünfter Versuch einer über das fünfte, das "Zusatzelement" ist: den Märchenmoment. Als Gegengift zum universalen "Giftgeschwätz" soll das Märchenhafte "das Allerwirklichste, das Notwendige" an und für sich sein. Wer so schön erzählen kann wie Peter Handke, dem glaubt der Leser das für eine gute Weile.
Peter Handke: "Versuch über den Pilznarren". Eine Geschichte für sich.
Suhrkamp Verlag, Berlin 2013. 218 S., geb., 18,95 [Euro].
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»Abermals schreibt er mit so leichter wie sicherer Hand, in der Abgeschiedenheit, mit Bleistift, in bisweilen endlos langen, mäandrierenden, aber gleichwohl vollkommen klaren und anmutigen Sätzen von betörender Musikalität. So kann nur er schreiben, und er wird immer noch kühner.« Manfred Papst NZZ am Sonntag 20131027
»Peter Handke gibt sich versöhnt und beschließt mit dem neuen Buch seine großartige Versuchsreihe ... Gelassen, rund, die schwebende Leichtigkeit der Sprache ist eine Erbauung. Kaum einer versteht es wie dieser Peter Handke, das ganze Leben in einem Buch zu erzählen.«