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Perlentaucher-Notiz zur Dlf Kultur-Rezension
© Perlentaucher Medien GmbH
Dennis Pausch über die hohe Kunst der Kränkung
Ist dieses Buch aus der Zeit gefallen? Erst am Schluss spricht Dennis Pausch mögliche Irritationen an. In der Tat: Müssen Herabsetzung und Schmähung, auch und gerade wenn sie formvollendet vorgetragen werden, angesichts gewachsener Empfindlichkeit - bis hin zu Dauerbeleidigtsein von Angehörigen bestimmter Gruppen - heutzutage nicht überaus befremdlich, gar abstoßend erscheinen, zumal wenn sie körperliche Merkmale, sexuelle Vorlieben oder sozial niederen Status aufs Korn nehmen? Doch als Vertreter einer historischen Literaturwissenschaft macht der Dresdner Latinist die Gegenwartsfixierung des Urteilens nicht mit: Sosehr die neue Sensibilität im Umgang auch zu begrüßen sei, bestehe doch die Gefahr, abweichende historische Stimmen hinter unseren aktuellen Normierungen verschwinden zu lassen.
Neben moralischer Verurteilung seien sehr wohl andere Perspektiven auf das Phänomen rauer Sprache denkbar und wurden in vergangenen Zeiten auch eingenommen. Verbale Provokationen und Tabubrüche konnten und können ein Motor sozialer Veränderungen sein oder als Symbole künstlerischer Freiheit bewundert werden. Gerade die in der Antike verbreitete Wahrnehmung von virtuos vorgetragener verbaler Gewalt als Ausdruck rhetorischer oder literarischer Kunst biete ein interessantes Korrektiv zu einer undifferenziert negativen Sichtweise auf alle Erscheinungsformen dieser Art.
Aus einer Fülle lebendig aufgeblätterter Beispiele entwickelt der Autor die wesentlichen Merkmale, Topiken und Varianten des verletzenden Witzes bei den Römern. Da der scharfe persönliche Angriff, die Invektive, fixer Bestandteil der Rhetorikausbildung war (Pausch spricht vom "Modul Mobbing"), bewegten sich zumindest auf dem literarischen Feld Beleidiger, Beleidigter und das Publikum auf gleicher Höhe. Unter Dichtern konnte die gepflegt-gepfefferte Sottise gegen Kollegen gar Respekt und kommunikative Inklusion ausdrücken. Praktische Hinweise fehlen nicht: Die Attacke funktioniert am besten, wenn sie in eine Geschichte verpackt, aus einer lebendigen Situation heraus entwickelt ist.
Das Buch ist voller schöner Funde. So nannte Cato den glänzenden Fulvius Nobilior ("in höherem Maße vornehm") einmal Mobilior ("wendiger") - Älteren kommt da sofort Herbert Wehner in den Sinn, der einst den Abgeordneten Wohlrabe als Übelkrähe ansprach. Cato war wie Cicero ein "Meister der hate speech". Auch Plautus, Catull und Horaz, Juvenal, Persius und Martial gewinnen in gut gewählten und prägnant übersetzten Textproben Kontur. So kanzelte der Satiriker Juvenal die Koppelung von vorgetäuschter Bildung und Sittenstrenge ab: "Welche Straße ist nicht voll von streng blickenden Perversen? Geißelst du schändliches Verhalten, obwohl du unter den Sokratikerschwuchteln das bekannteste Loch bist?"
Naheliegenderweise konzentriert sich der Philologe auf literarisch gestaltete Bosheiten. Methodisch ist das eine sichere Sache, auch wenn die sozialen Kontexte vielleicht ein wenig mehr Licht vertragen hätten - die kleine Schwäche einer ansonsten überaus gelungenen Feldbegehrung. Denn Ciceros Diktum, Römer hätten ein Faible für Schmähungen, trifft sicher zu, erklärt aber wenig. Früher meinte man, in den Beschimpfungs- und Ohrfeigenkaskaden in den Komödien des Plautus so etwas wie eine ,typisch italische' Lust am verletzenden Spott und lebendigen Streit erkennen zu können.
In öffentlichen Herabsetzungen lässt sich wohl auch eine Tradition des Anspruchs erkennen, Fehlverhalten Einzelner durch Praktiken wie "Katzenmusik" oder "Verrufen" zu rügen. Da physische Gewalt in Rom nicht tabuiert war, gab es überdies eine breite Grauzone zwischen verbalen und handgreiflichen Auseinandersetzungen - ein einschlägiges lateinisches Wort, "rixa", kann beides bedeuten. Platon wollte Hassrede und Beleidigung aus seinem Idealstaat verbannen, weil er bis zum Bürgerkrieg gespaltene Städte in der griechischen Welt vor Augen hatte. Und Marcus Antonius ließ Cicero nicht nur ermorden, sondern dessen Kopf und Hände, mit denen der selbsternannte Retter der Republik ohne Geld oder Armee gegen den angeblichen neuen Tyrannen mobilisiert hatte, neben der Rednerbühne zur Schau stellen.
Erst die Monarchie brachte auch auf diesem Feld eine gewisse Befriedung, doch nicht ohne faden Beigeschmack: Kaiser und Elite schützten sich durch Zensur und Verbannung gegen Beleidigungen und Herabsetzungen; Spielräume gab es vor allem, wenn jemand bereit war, "sozusagen den Hofhund zu geben, der nur für die gute Sache zubeißt".
UWE WALTER
Dennis Pausch:
"Virtuose Niedertracht".
Die Kunst der Beleidigung in der Antike.
C.H. Beck Verlag, München 2021. 223 S., Abb., geb., 22,- [Euro].
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"Mit einer Blütenlese der Bosheit legt der Dresdner Altphilologe Dennis Pausch ein amüsant voyeuristisches und gleichzeitig politisches Buch über die Kunst der Beleidigung vor." NDR Kultur Journal
"Die Lehren aus Dennis Pauschs klugem Buch sind denn auch bedenkenswert. Zeigt es doch, wie sehr Beleidigungen das Klima einer Gesellschaft vergiften können." Der Tagesspiegel, Andreas Austilat
"Ein heiterer Rundgang durch die Welt der Schmährede."
Deutschlandfunk Kultur Lesart, Katharina Teutsch
"Durchaus amüsant, was der Wissenschaftler, der die Beleidigung zu seinem Aufgabengebiet gemacht hat, an virtuoser Niedertracht zusammengetragen hat."
Goslarsche Zeitung
"Kunstvolle Beleidigungen."
Damals
"Der Latinist, der an der TU Dresden lehrt, schafft ein amüsantes und zugleich informatives literarisches Kleinod für ein breites Publikum."
Antike Welt, Stephanie Merten
"Pausch geht in seinem Buch 'Virtuose Niedertracht' der Kunst der Beleidigung im Alten Rom nach und zeigt deftige Szenen damaliger Geistesgrößen." Frankfurter Neue Presse
"Eine gute Beleidigung braucht mehr als nur Kraftausdrücke, sie braucht Witz, Schlagfertigkeit, Originalität, Zielgenauigkeit. Dennis Pausch hat (...) Beispiele in antiken Politikerreden, Graffiti und literarischen Werken von Cato bis Cicero gefunden." Der Standard
"Die Exempel im Buch 'Virtuose Niedertracht' amüsieren, der Vergleich mit heute macht nachdenklich."
Die Presse, Karl Gaulhofer
"Ungemein flüssig, dynamisch, auch erhellend - und vor allem für Unerschrockene sehr amüsant." Abendzeitung, Adrian Prechtel
"Der Dresdner Altphilologe Dennis Pausch liefert in seiner Studie 'Virtuose Niedertracht' die saftigsten Sottisen und Widerworte aus dem römischen Senat. Im lateinischen Original wie in deftiger Übersetzung." Nürnberger Nachrichten, Reinhard Kalb
"Zeigt, dass Schmähungen nicht nur sprachwissenschaftlich interessant sein können, sondern sogar eine Kunst (...) Altphilologe Pausch liefert mit seiner Zusammenstellung auch neue Blickwinkel auf Beleidigungen von heute."
Rhein-Zeitung, Sebastian Fischer