„der fotografie-unkundige wird der analfabet der zukunft sein.“ (Lázló Moholy-Nagy, 1928). Geschichte ist mehr denn je visualisierte Geschichte: das Lagertor von Auschwitz-Birkenau (1945), der Atompilz von Hiroshima (1945), der landende „Rosinenbomber“ in Berlin (1948), die Steinewerfer vom Potsdamer Platz (1953) die gescheiterte Flucht Peter Fechters (1962), das Napalm Girl (1972), die Anschläge vom 11. September 2001 – diese Fotografien haben sich tief im kollektiven Gedächtnis eingegraben. Der Historiker und Geschichtsdidaktiker Christoph Hamann untersucht die Fotografie als ein zentrales Medium der historischen Erinnerung. Er analysiert exemplarisch kanonisierte Schlüsselbilder und zeigt, wie mit diesen historische Deutungen transportiert werden. Diese fotografische visual history wird im Kontext der Geschichte der deutschen wie globalen Erinnerungskultur betrachtet. Ein besonderes Augenmerk wird auf die Ästhetik der Bilder geworfen. Denn die mediale Formatierung der kollektiven Geschichtswahrnehmung wird durch diese beeinflusst. Christoph Hamann räumt der Form des fotografischen Bildes eine semantische Funktion ein und verortet die Bilder in ikonografischen Traditionen. Der Einfluss von Visualisierungen auf das individuelle wie kollektive Geschichtsbewusstsein ist empirisch belegt – diese Erkenntnis ist für das historische Lernen von elementarer Bedeutung. Hamanns Ausführungen reflektieren deswegen die Notwendigkeit sowie die Möglichkeiten der Förderung einer kritischen Bildkompetenz in der historisch-politischen Bildung. Die historischen Wissenschaften müssen ihre ästhetische Unmündigkeit überwinden – im historiographischen, geschichtsdidaktischen wie unterrichtspragmatischen Interesse. Denn Moholy-Nagys Zukunft ist längst Gegenwart.