Wer freiheitliche Werte bewahren will, ist in den „Altparteien“ nicht mehr gerne gesehen. Thilo Sarrazin, Hans-Joachim Maaßen, Max Otte, Sahra Wagenknecht können es bestätigen. Sogar in der FDP, deren F für „Freiheitliche“ steht, ist spätestens seit der Abstimmung über die einrichtungsbezogene
Impfpflicht nicht mehr viel von einer freiheitlichen Gesinnung zu erkennen.
Michael Bröning ist Leiter…mehrWer freiheitliche Werte bewahren will, ist in den „Altparteien“ nicht mehr gerne gesehen. Thilo Sarrazin, Hans-Joachim Maaßen, Max Otte, Sahra Wagenknecht können es bestätigen. Sogar in der FDP, deren F für „Freiheitliche“ steht, ist spätestens seit der Abstimmung über die einrichtungsbezogene Impfpflicht nicht mehr viel von einer freiheitlichen Gesinnung zu erkennen.
Michael Bröning ist Leiter der Friedrich-Ebert-Stiftung in New York und Mitglied der SPD-Grundwertekommission. Man merkt das an seiner immer wieder einmal geäußerten Abgrenzung gegen „rechts“, seinem Bekenntnis zur progressiven Besteuerung (S. 61) und an seiner Position zum Klimawandel, aber davon abgesehen gelingt ihm ein durchweg überzeugendes Plädoyer für die Freiheit als Grundlage der Demokratie über alle ideologischen Grenzen hinweg.
Der Autor befasst sich natürlich schwerpunktmäßig mit Deutschland, nimmt aber auch andere Länder in den Blick, insbesondere die USA, die vom Land der bürgerlichen Freiheiten und „unbegrenzten Möglichkeiten“ zum Vorreiter von „political correctness“ und „cancel culture“ mutiert ist.
Der Verlust der Freiheit ist in der Tat ein globales Phänomen: „Insbesondere das Jahr 2020 zeichnet sich durch historisch einmalige Einbrüche in Sachen Demokratie und Freiheitsrechten aus. Nahezu zwei Drittel der Weltbevölkerung leben heute in einem Land, in dem sich die demokratischen Normen verschlechtern“ (S. 16). Das hat offensichtlich mit den „Corona“-Maßnahmen zu tun, wobei immer deutlicher zutage tritt (zuletzt durch die bekanntgewordene Korrespondenz des ehemaligen britischen Gesundheitsministers), dass die Freiheit nicht wegen des Virus eingeschränkt wurde, sondern dass das Virus ein Mittel war, um die Freiheit einzuschränken (Zitat aus der Korrespondenz: „Wann werden wir die neue Variante loslassen?“).
Symptomatisch für die Entwicklung in Deutschland bereits vor „Corona“ ist Brönings Feststellung, dass Angela Merkel 2005 in ihrer ersten Regierungserklärung das Wort „Freiheit“ zehnmal verwendet hatte, 2013 und 2018 jedoch überhaupt nicht mehr, abgesehen „von einer En-passant-Erwähnung der ‚freiheitlichen Gesellschaft‘“ (S. 14). Bröning weiter: „Wer heute auf der Redenseite des Bundeskanzleramts nach dem Stichwort ‚Freiheit‘ sucht, findet als prominentesten Treffer einen Hinweis auf die ‚Barrierefreiheit‘ der Webseite.“
Zur Freiheit gehört auch die Meinungs- und Redefreiheit, die der Autor vor allem durch linke, „progressive“ Kräfte, also das eigene Lager, in Frage gestellt sieht. Folgerichtig geben vor allem Personen mit konservativen und freiheitlichen Standpunkten an, ihre Meinung nicht frei äußern zu können. Den „wenigsten Anpassungsdruck nehmen in Deutschland laut Umfragen Anhänger der Grünen wahr“ (S. 77). Keine Überraschung.
In den USA hat „sich der Anteil von Hochschullehrern, die sich als ‚Konservativ oder weit rechts‘ bezeichnen, seit den 1990er Jahren halbiert“ (S. 85). In Deutschland scheint man solche Erhebungen zu vermeiden – immerhin ist hier bekannt, dass die öffentlich-rechtlichen Medien in weit überproportionalem Maß von Mitgliedern und Sympathisanten grüner und roter Parteien dominiert werden.
Zur Klimapolitik hat Bröning eine ähnliche Haltung wie sein ehemaliger Parteikollege Sarrazin: Er glaubt an den menschengemachten Klimawandel und die Notwendigkeit der CO2-Reduktion, hält es aber für falsch, deswegen „genau diejenigen freiheitlichen Prinzipien zu untergraben, die die Essenz einer menschenwürdigen Zukunft eben auch ausmachen“ (S. 118). Er scheint nie das zugrundeliegende Narrativ hinterfragt zu haben und schreibt vom „Bestreiten wissenschaftlicher Fakten durch Klima(wandel)leugner“ und deren „Realitätsverweigerung“ (S. 122). Diese liegt aber auf seiner Seite, denn entgegen anderslautender Behauptungen glaubt nur eine kleine Minderheit der Wissenschaftler, dass der Klimawandel hauptsächlich vom Menschen verursacht ist. Immerhin kritisiert er das fatale Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Thema (das vom Ehemann einer beteiligten Richterin, einem Grünen, wesentlich mitformuliert wurde, wie ein Vergleich mit Texten auf dessen Netzseite erwies) als „Politisierung“, die zu einer „Infragestellung der höchstrichterlichen Neutralität“ führen müsse (S. 128). Im Gegensatz zu den vorübergehenden Corona-Maßnahmen, die er freilich auch kritisiert, sieht Bröning hier zu Recht die Gefahr einer dauerhaften Einschränkung der bürgerlichen Freiheiten.
Wird Bröning nach diesem Buch ein Parteiausschlussverfahren drohen wie Sarrazin und Maaßen? Das ist unwahrscheinlich, denn er vermeidet patriotische Töne und distanziert sich von „rechts“. Es wäre allzu verräterisch, gegen einen Autor vorzugehen, der sich für etwas einsetzt, was alle im Munde führen, auch wenn sie es damit nicht ernst meinen.