Die Kulturgeschichte des Frosches gibt uns nicht weniger zu denken als die Zukunft der Natur.
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Von Michael Adrian
Von der hässlichen Kröte über die dicke Kröte, die einer schlucken muss, verbindet der Sprachgebrauch vor allem Abwehr und Ekel mit Frosch & Co. In der Figur des Märchenprinzen, in die sich ein Frosch verwandeln möge, hat sich indes auch eine Ahnung erhalten, dass in dem Tier noch etwas mehr stecken könnte. Dem gleichsam Unabgegoltenen des Frosches widmet der Germanist Bernd Hüppauf eine glänzende kulturgeschichtliche Untersuchung. Es ist ein wahres Tier der Wandlungen, das der Autor in seiner profunden Monographie vorführt. Ob der Frosch in der ägyptischen Mythologie ins Reich der Mischwesen und damit Sakrale gehörte, ob er in China als Symbol für Geld stehen kann oder in Japan für den Frühling, wir erfahren, wie wenig selbstverständlich unsere einschlägigen Assoziationen sind. Frühe und außereuropäische Kulturen verbinden den Frosch mit Verwandlung und Fruchtbarkeit, nicht mit dem Bösen oder Hässlichen, ja nicht einmal mit schleimiger Haut oder dissonanten Lauten.
Den Verfasser interessieren nicht einfach die historisch wechselnden Bilder, sondern ihre Konstruktionsprinzipien, also etwa die Frage, wie sich theologische und moralische Zuschreibungen in Teufelsgestank verwandeln, in sinnlich wahrnehmbare Eigenschaften, die über Jahrhunderte nachzuwirken vermögen. Mit diesem Erkenntnisinteresse folgt das gewinnbringend illustrierte Buch mannigfaltigen Gestalten des Frosches in Magie und Literatur, um schließlich seine elendige Laufbahn als Objekt der Naturwissenschaft zu umreißen - von der tierischen Elektrizität über das Labor als Folterkammer bis zum genmanipulierten "gläsernen Frosch".
Im "Ökofrosch" sieht Hüppauf die einstweilen letzte Metamorphose dieses schlechthin nichtidentischen Tiers. Von einem Indikator für Umweltschäden mutiert das alte Inbild der Fruchtbarkeit und des Gewimmels zu einer fragilen, vom Tod gezeichneten Kreatur, einem "Tier der Sorge". So weitet sich schließlich eine becircend nachdenkliche Kulturgeschichte zum engagierten Ausblick auf eine ökologische Ethik, die das Tier aus der Passivität als Objekt menschlichen Handelns befreien und gemeinsam mit dem Menschen in die Konstruktion der Natur einsetzen möchte.
Bernd Hüppauf: "Vom Frosch". Eine Kulturgeschichte zwischen Tierphilosophie und Ökologie.
transcript Verlag, Bielefeld 2011. 400 S., Abb., br., 24,80 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
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Tierwelt, 26 (2011) 20110705