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Wolfgang Matz erinnert sich an drei von ihm bewunderte Dichter: du Bouchet, Bonnefoy und Jaccottet
Der Titel des schmalen Buchs verspricht Tröstliches: "Vom Glück des poetischen Lebens". Der Untertitel öffnet die Tür: "Erinnerung an André du Bouchet, Yves Bonnefoy und Philippe Jaccottet". Drei französische Dichter, dennoch "Erinnerung" im Singular.
Tatsächlich gehören sie zusammen als Mitglieder derselben Generation, geboren in drei aufeinanderfolgenden Jahren (1923 bis 1925). Ihre ersten Veröffentlichungen erscheinen im Paris der Nachkriegszeit, der mit Leidenschaft betriebene Brotberuf ist das Übersetzen, als Wohnort wählen sie die Drôme, einen wenig beachteten Landstrich im Südosten Frankreichs.
Doch was sie wirklich eint, ist ihre Auffassung der Poesie, praktiziert gleicherweise als verwandelnde Sprache und Hinwendung zur Welt. Schreiben umfasst: Warten auf die Worte, Arbeit am Text und im Garten, Zwiesprache mit Landschaften und Jahreszeiten, Reflexion der eigenen besonderen Biographie. André du Bouchet ist in Paris geboren, seine Mutter war Jüdin. Rechtzeitig emigriert die Familie in die Vereinigten Staaten, wo der Sohn in Harvard die Sprache seiner Kindheit studiert, in der er nach seiner Rückkehr schreiben wird. Yves Bonnefoy lehrt viele Jahre an amerikanischen Universitäten. Und Philippe Jaccottet stammt aus der Schweiz, er übersetzt Hölderlin, Rilke, Musil. Bonnefoy und du Bouchet wiederum gehören 1966 zu den Gründern der Zeitschrift "L'Éphémère", die von der "Meridian"-Rede ihres Freundes Paul Celan eröffnet wird.
Der Rückzug aufs Land macht ihre Kontakte zu anderen Künstlern seltener, aber intensiver. Matz, eine Generation jünger, hat ein Gespür für die Netze, die jeder einzelne der drei Poeten webt. Seine Frau Elisabeth Edl und er trafen André du Bouchet nur einmal in Truinas; weitere Besuche sollten folgen, Krankheit und Tod verhinderten sie. Der goldene Nachmittag im verwilderten Garten am Bergabhang wurde zum Solitär, unvergesslich die vitale Gestalt des Dichters, der sich selbst so darstellt: "ein Gehender, dem Papier verschrieben, das ihn unterbricht, / ihn zügelt am Gelenk". Du Bouchets Gedichte erschließen sich nicht leicht, die Übertragung ins Deutsche durch den Künstler Sander Ort gestaltet sich zu einem jahrelangen Projekt, bis es dank Matz, mittlerweile Lektor bei Hanser, und mit Unterstützung des Münchner Lyrik-Kabinetts endlich zum Buch wird. Es heißt "Bruchstücke vom Berg für die Landstraße verwendet", und so ist es auch: knappe, wunderbare Verse in ebenso wunderbarem Gewand.
Yves Bonnefoy, der Gelehrte, trat mit fast neunzig Jahren noch einmal in Berlin auf. Matz versteht es, die Aura des heiligen Ernstes zu schildern, die ihn umgab. Das staunende Publikum fühlte sich an Celan erinnert - und fremdelte.
Die intensivste Bindung des Münchner Übersetzerpaars entwickelte sich zu Jaccottet, der mit seiner Frau Marie-Anne, die Aquarelle für die Cover seiner Gedichtbände beisteuerte, im malerischen Dorf Grignan lebte, wo er 2021 fast hundertjährig starb. Er verkörperte den Poeten, wie man ihn gern zum Freund hätte: zart, zurückhaltend, von immenser Bildung. Seine Texte, ob Lyrik oder Essay, bezaubern durch Schlichtheit und Emotionalität, sie öffnen die Augen und schließen keinen Leser aus. Jaccottet verstand sein Leben nicht als Idyll, sondern als arbeitsreiche Teilnahme am "Hier und Jetzt, in der Dichte des Rätsels". Das Glück des poetischen Lebens, so wie es die drei Dichter zu erreichen suchten, ruht auf dem Bewusstsein der Bedrohung durch zahllose Übel. Fragil, wie es ist, hat es die deutschen Freunde zu diesem schönen Buch inspiriert. GISELA TRAHMS
Wolfgang Matz: "Vom Glück des poetischen Lebens". Erinnerung an André du Bouchet, Yves Bonnefoy und Philippe Jaccottet.
Wallstein Verlag, Göttingen 2022. 56 S., geb., 12,50 Euro.
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