Die Psychoanalyse legte – nicht anders als die Gesellschaft – ein destruktives Potenzial in die Lesbe, fasste sie als aggressiv, rachsüchtig, phallisch auf, pathologisierte sie und schloss sie von ihren Institutionen aus. Doch zugleich vernachlässigte, verschleierte, verniedlichte sie Lesben auch – oder schrak sie gar vorm Lärm des lesbischen Begehrens zurück? Die Beiträgerinnen und Beiträger widmen sich spannungsgeladenen und zum Teil verfehlten Begegnungen der Psychoanalyse mit der lesbischen Sexualität: bei Freud, in der homophoben Tradition, in wegweisenden Beiträgen ab den 1990er Jahren und in der Gegenwart. Sie beleuchten das Spannungsfeld zwischen Psychoanalyse und lesbischer Sexualität aus (klinisch) psychoanalytischer, lesbenaktivistischer, queertheoretischer, sexualwissenschaftlicher, historischer und kulturwissenschaftlicher Perspektive. Mit Beiträgen von Ulrike Auge, Jirko Börner, Hanna Brögeler, Carolin Cyranski, Sonja Düring, Lilli Gast, Insa Härtel, Patrick Henze-Lindhorst, Julia Holzmann, Marco Kammholz, Manuela Kay, Anna Koellreuter, Annalina Kretz, Aaron Lahl, Eva Marie Lehner, Victoria Preis, Ilka Quindeau, Almut Rudolf-Petersen, Caroline A. Sosat, Julia Tomanek, Manuela Torelli, Samuel Noah Werner und Benedikt Wolf
»Interdisziplinäres Denken und Diskutieren mag mitunter schwierig, konfliktreich und für alle Seiten herausfordernd sein. Der intensive Austausch kann jedoch womöglich weit interessantere Spuren hinterlassen als wohlgeordnete Begegnungen in abgezirkelten Fachgesellschaften, die vom Rest der Welt kaum wahrgenommen werden. Die Tagung rund um das 'Lärmen des Begehrens' wurde zu einem aufregenden Ereignis. Seine Spuren wurden im vorliegenden, sehr zur Lektüre empfohlenen Buch nicht nur durch Aufzeichnung gesichert, sondern hierbei vertieft und erweitert.« Ulrike Körbitz, Zeitschrift für Sexualforschung, Nr. 35/2022 »Die Debatten machen deutlich, welche Schwierigkeiten der gegenwärtige Diskurs birgt, über das Gewordensein von Identität zu sprechen, sei es, indem die widerspruchsvolle und konflikthafte Geschichte der Subjektwerdung beleuchtet oder Identität als mit gesellschaftlichen Verhältnissen vermittelt gedacht wird. Dass dies regelmäßig zu vehementen Entgegnungen führt, kann nicht allein als berechtigte Sorge vor Pathologisierung gewertet werden, sondern verweist vielmehr auf die neuen identitätslogischen Zwänge, welche im Zuge der sexuellen Liberalisierung an die Stelle der patriarchalen Normkorsette getreten sind. Da die Psychoanalyse gerade auf ein Feld zielt - das Sexuelle in seiner konstitutiven Konflikthaftigkeit und Ambivalenz -, welches in jener liberalisierten Auffassung von Sexualität keinen Platz hat, steht sie zu dieser notwendigerweise in einem spannungsreichen Verhältnis und ist zugleich ideologiekritisches Instrument, welches die Herausgeber*innen in diesem Band umsichtig eingesetzt haben.« Anna-Myrte Palatini, Freie Assoziation. Zeitschrift für psychoanalytische Sozialpsychologie, 25. Jahrgang, 1/2022 »Bis in die 1990er Jahre begriffen viele Psychoanalytikerinnen und Psychoanalytiker lesbisches Begehren als Störung, die verschwinde, sobald die ihr zugrunde liegenden Konflikte aufgelöst seien. Der Sammelband will eine produktive Begegnung der Psychoanalyse mit der weiblichen Homosexualität initiieren und befasst sich etwa mit ihrer Psychogenese, dem Lesbianismus als überholter Wirklichkeit und der Frage, ob butch und femme veraltete Kategorien sind.« Psychologie Heute, Heft 12, Dezember 2021 »'Kurz nach der Tagung hat uns allen der Kopf geraucht und wir haben uns gefragt, ob wir uns mit der Tagung etwas übernommen haben. Aber wir haben ja nun in unserem Buch versucht, die damaligen Spannungen abzubilden, was uns, glaube ich, gelungen ist. Von daher bin ich aus heutiger Sicht ganz froh, dass wir die Tagung gemacht haben und freue mich auch über das Buch. Insgesamt bringt es [...] das Thema lesbische Sexualität und Psychoanalyse mehr ins Bewusstsein und wir haben damit eine notwendige Diskussion in der Psychoanalyse angestoßen.' Victoria Preis zusammen mit Aaron Lahl und Patrick Henze-Lindhorst im Gespräch mit Maximilian Romer« Sexuologie - Zeitschrift für Sexualmedizin, Sexualtherapie und Sexualwissenschaft, Band 28/2021 »Die Veröffentlichung richtet den Blick auf das Spezifische der lesbischen Sexualität(en) und dem Vorsatz einer intensiven theoretischen Auseinandersetzung, im Sinne eines Durcharbeitens, das nicht primär darum bemüht ist, den 'Trümmerhaufen psychoanalytischer Psychopathologisierung der Homosexualität' (Gschwind, 2015,S. 633) vorschnell aufzulösen, wird der Band gerecht. Den Herausgeber*innen ist zu danken, dass sie nach einem jahrelangen Schweigen zum Thema theoretische und praxisorientierte Positionen wieder zur Sprache bringen: Die Lektüre empfiehlt sich uneingeschränkt und lädt zu weiteren Reflexionen ein.« Maximilian Römer, psychosozial Nr. 166, 44. Jahrgang (2021), Heft 4 »Der Band besticht durch seine aufrichtig interessierte wie kritisch-durchdachte Haltung und durch das Bemühen, den erkenntnisorientierten Anspruch der Psychoanalyse zu wahren, aber ihn unter Würdigung der homosexuellen Emanzipation weiterzuentwickeln. Lesbische Sexualität als eine eigenständige unter den sexuellen Orientierungen erfährt so eine zugewandt-interessierte wie kritisch-aufklärende Betrachtung: nicht als 'defizitär', sondern als gleichwertig, aber eben nicht minder konflikthaft als die menschliche Sexualität insgesamt.« Melanie Götz, L-Mag. Das Magazin für Lesben. Juli/August 2021 »Konsequent riefen die Organisator*innen dazu auf, Kommentare zu den Vortragen zu schreiben. Und was für originelle und lustvoll-kritische Kommentare sind hier verfasst worden! Aus meiner Sicht eine wirklich gelungene Einbeziehung des Symposium-Publikums, dessen eloquente Kritik im Sammelband aufgenommen wurde. Diese Partizipation und Vielstimmigkeit machen den Band spannend - aus der Befremdung ist damit eine überaus produktive Begegnung entstanden.« Bettina Zehetner, Weiberdiwan. Die feministische Rezensionszeitschrift, Winter 21/22 »Dieses Buch ist eine Antwort auf den bewiesenermaßen riesigen Redebedarf zwischen Lesben und Psychoanalyse. Es ist eine klug ausgewählte Sammlung von Essays mehrerer Autor*innen, die teilweise inhaltlich verschiedene Standpunkte vertreten. So kann die geneigte Leser*in sich differenzierten Input holen.« Luisa, Lesbianchic.de, 25. Juni 2021 »Lesbische Sexualität war bisher in der Psychoanalyse ein Randthema und galt als 'still'. Daran wollen die Psycholog*innen und Geschlechterforscher Victoria Preis, Aaron Lahl und Patrick Henze-Lindhorst etwas ändern.« Kevin Clarke, mannschaft.com am 19. Mai 2021