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Kritiker fühlen dem "Neoliberalismus" historisch auf den Zahn
Seit längerer Zeit versucht man uns im Land der hohen Staats- und Steuerquote weiszumachen, daß auch hier ein kalter "Neoliberalismus" herrsche. Einen Vorteil hat dies zumindest. Die Hypothese, daß "neoliberale" Intellektuelle auch in Deutschland über so etwas wie eine "kulturelle Hegemonie" verfügen, hat seit einigen Jahren das publizistische Interesse an den Vordenkern liberaler und marktwirtschaftlicher Konzepte seit dem Weltkrieg deutlich belebt. Die Bücher, die neuerdings zu diesem Thema erscheinen, sind dementsprechend zumeist aus einer kritischen Position gegenüber dem freien Markt geschrieben - und mit erheblicher Akribie. Die Tiefe der Recherche ist selbst für solche Leser von Nutzen, welche die politischen Prämissen nicht teilen.
Mit den historischen Spezifika des deutschen "Neoliberalismus" der Nachkriegszeit befaßt sich ausführlich der Kölner Ökonom Ralf Ptak. Trotz zahlreicher kritischer Untertöne ist die Untersuchung sehr sachlich gehalten. Die Ideenwelt von Alexander Rüstow, Wilhelm Röpke und Walter Eucken wird in den Kontext ihrer Zeit gestellt - dazu zählt die Erfahrung allgemeinen Verlustes an Vertrauen zur Marktwirtschaft in Folge der Weltwirtschaftskrise. Zwar unterschätzt Ptak die von Ludwig Erhard eingeleitete Marktliberalisierung als Ursache des "Wirtschaftswunders" und schreibt dieses auch etatistischen Rezepturen zu. Seine Analyse jedoch, daß die deutschen "Ordoliberalen" und Anhänger der Sozialen Marktwirtschaft in ihrem Bestreben, eine allgemein akzeptable Absicherung ihrer Positionen zu erreichen, eine bis heute spürbare Verwässerung und konzeptionelle Unklarheit produziert haben, ist durchaus zutreffend. Ähnliches gilt für die These, daß sich manche Vertreter bei der Suche nach einer gesellschaftspolitischen Einbettung ihrer Wirtschaftstheorien in einen unhaltbaren Sozialromantizismus hineinsteigerten. Das Buch regt zum Überdenken von Positionen an.
Der Kaiserslauterer Politikwissenschaftler Jürgen Nordmann widmet sich unterdessen zwei deutschsprachigen Denkern, die vor allem im angelsächsischen Raum großen Einfluß auf die liberale Theoriebildung genommen haben: dem Ökonomen Friedrich August von Hayek und dem Philosophen Karl Popper. Beide wurden vom Wien der Zwischenkriegszeit geprägt. Mit viel biographischer Sachkenntnis verfolgt Nordmann die nicht immer gradlinige Entwicklung der Wechselbeziehung zwischen Hayeks Wirtschaftsliberalismus und Poppers kritisch rationalistischer Methodologie. Weniger gelungen ist die Fundamentalkritik. So ist der Vorwurf, "Neoliberale" huldigten neoklassischen Theorien als Königsdisziplin, gerade im Zusammenhang mit Hayek und Popper abstrus. Beide Wissenschaftler hielten den neoklassischen Gleichgewichtsmodellen stets den Prozeßcharakter des Marktes entgegen. Wenn Nordmann am Schluß zugesteht, daß der Wohlfahrtsstaat irreparabel implodiert sei, und dennoch daran festhält, daß man den "Neoliberalismus überwinden" könne, bleibt die Frage offen, wie denn eine antikapitalistische Alternative funktionieren könne. Bisherige Erfahrungen zeigen, daß hier meist gescheiterte Rezepte aufgetischt werden.
DETMAR DOERING.
Liberales Institut der Friedrich-Naumann-Stiftung, Potsdam.
Ralf Ptak: Vom Ordoliberalismus zur Sozialen Marktwirtschaft. Stationen des Neoliberalismus in Deutschland. Verlag Leske und Budrich, Opladen 2005, 334 Seiten, 29,90 Euro.
Jürgen Nordmann: Der lange Marsch zum Neoliberalismus. Vom Roten Wien zum freien Markt - Popper und Hayek im Diskurs. VSA-Verlag, Hamburg 2006, 397 Seiten, 34,80 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
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"... in seinem fundierten Buch [...]." Frankfurter Rundschau, 22.09.2004