Diese Auslegung der Korintherbriefe des Paulus folgt nicht der kirchlichen Tradition, sondern dem biblischen Text und der historischen Wahrscheinlichkeit. Die Korinther Gemeinde stellt unter den ersten christlichen Gemeinden des ersten Jahrhunderts ein Muster dar für alle kommenden Kirchengenerationen. In ihr gab es alles, was es nicht geben durfte, aber auch alles, was eine lebendige Gemeinde auszeichnete. Und so findet man neben tiefstem Heidentum und Unmoral, jüdischer Gesetzlichkeit und griechischem Freigeist, ebenso Christuszentrierung und Heiligungsbestreben. Paulus provozierte die Juden mit Sonderlehren und stieß zugleich den traditionsfreudigen Nichtjuden vor den Kopf. Erst Paulus versteht die ganze Fülle und Bandbreite der Erlösung durch Christus, dem auch ein falscher Eifer für die Torah nicht im Wege stehen darf. Das neue Evangelium von Paulus ließ auch die Nichtjuden verstehen, dass es im Kern für sie darum ging, den alten, sündigen Adam loszulassen mit seinen Gewohnheiten und Lüsten und auch die Selbstgerechtigkeitsbemühungen aufzugeben, die sich sogar hinter besonders frommen Werken und einer formalen Torahgerechtigkeit verbergen können. Das Evangelium ist bei Paulus zwar ein Friedens- und Freiheitsangebot, aber es ist zugleich eine Konfrontation. Im Evangelium wird der sündige Mensch mit der unausweichlichen Wahl konfrontiert, sich von Gott zurechtbringen zu lassen oder es zum eigenen Unheil bleiben zu lassen.