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Weg von der Propaganda, hin zur Sprachförderung: Das Goethe-Institut zwischen 1932 und 1951
Eckard Michels: Von der Deutschen Akademie zum Goethe-Institut. Sprach- und auswärtige Kulturpolitik 1923-1960. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München 2005. VI und 266 Seiten, 39,80 [Euro].
Das im Jahr des Dichtergedenkens 1932 gegründete "Goethe-Institut zur Fortbildung ausländischer Deutschlehrer" (wie sich das GI zunächst nannte) hatte in der Münchener "Akademie zur wissenschaftlichen Erforschung und Pflege des Deutschtums/Deutsche Akademie" seinen Vorläufer, dem allerdings zunächst ein klares Konzept fehlte. Die Akademiegründung war wahrscheinlich eine der nationalen Abwehrreaktionen als Folge der französisch-belgischen Ruhrbesetzung von 1923. Die Untersuchung von Eckard Michels zeigt, wie mühsam sich überhaupt nach dem Ersten Weltkrieg die Hinwendung zu einer Art neuer Sachlichkeit in den auswärtigen Kulturbeziehungen gestaltete. Er macht klar, daß das alte Konzept der Kulturpropaganda schon in der Weimarer Republik trotz innovativer Ansätze zur Überwindung (bei C. H. Becker, Johannes Sievers und Anna Selig) nie ganz abgestreift werden konnte. Und daran knüpften die Nationalsozialisten sofort nach 1933 und besonders massiv ab 1938 an.
Am Beispiel der Person Franz Thierfelders und seiner Pläne als Pressereferent und seit 1928/29 als Generalsekretär der Deutschen Akademie (DA) wird die ambivalente Entwicklung deutlich. Thierfelder selbst hatte zwar ab 1936 eine partielle Absetzbewegung von der nationalsozialistischen Propaganda eingeleitet, aber ab 1940 auch wieder heikle Konzessionen an Ideologie und Praxis der Gewalthaber gemacht. Dennoch zählte er nach 1945 zu den weniger belasteten Gestalten und konnte als Generalsekretär des Stuttgarter Institut für Auslandsbeziehungen (bis 1959) und 1951 als Wiederbegründer des Goethe-Instituts (GI) die endgültige Abkehr vom obsoleten Propagandakurs einleiten. So führte er einen Gedanken fort, den er 1928 schon einmal für die künftige auswärtige Kulturpolitik skizziert hatte: den Grundsatz der Offenheit und Gegenseitigkeit. Dies nahm erst nach dem Zweiten Weltkrieg konkretere Formen an - gleichsam als Lehre aus der Historie, die nun auch von jüngeren Mitgestaltern akzeptiert wurde. Michels nennt daher seine kritische Darstellung zu Recht eine "Generationsgeschichte von Kulturfunktionären".
Die Arbeit zeichnet insgesamt den Entstehungsweg der DA und des GI differenziert und analytisch überzeugend nach. Indem die DA sich bis 1927/28 in ihrer "Praktischen Abteilung" aus einem überfrachteten Programm befreite, sich aus der Zusammenarbeit mit dem Auslandsdeutschtum abkoppelte (oder doch zurückzog) und einen neuen Schwerpunkt in der geistigen Arbeit mit den Nichtdeutschen Südosteuropas erblickte, entdeckte Thierfelder im Kontakt mit Karl Christian von Loesch und mit dem Zentrumspolitiker Georg Schreiber die "kulturpolitische Nische", die deutsche Sprache im Ausland zu fördern - was zum Hauptzweck des ersten GI als einer "Tochter" des DA wurde. Erst die Hinwendung zu einer nichtdeutschsprachigen Klientel vor allem in den Balkan-Ländern war sozusagen die Geburtsstunde des Goethe-Instituts und eröffnete ihm große Möglichkeiten, die das Auswärtige Amt (AA) mehr und mehr unterstützte.
Der kulturpolitische Kontext der Gründung und Entwicklung der beiden Münchener Agenturen, in deren Anfänge das von Arnold Bergsträsser für den Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) formulierte Konzept der kulturellen Begegnung fiel, ist von Michels gut charakterisiert. Das gilt auch für das Verhältnis zur 1920 gegründeten Kulturabteilung des AA, in deren Blick die politischen und außenwirtschaftlichen Interessen Deutschlands oft zu sehr im Vordergrund gestanden hatten. Andererseits wäre vielleicht für diese Einordnung ein Vergleich mit den zeitgenössischen Parallelbemühungen in den Leipziger und Bonner Ansätzen der kulturkundlichen Universitätsinstitute Karl Lamprechts und seiner Nachfolger beziehungsweise Hermann Aubins hilfreich gewesen. Mit dem wachsenden Gewicht des "völkischen" Gedankens zu Beginn der dreißiger Jahre entwickelte sich dann dort - wie bei den beiden Münchener Einrichtungen - eine Geisteslage, die es der nationalsozialistischen Ideologie nach 1933 schnell ermöglichte, kulturpolitischen Einfluß auf das GI zu nehmen.
Die Durchsetzung des ideologischen Primats in der Deutschen Akademie ging vor allem auf den einflußreichen, jedoch im April 1937 zurückgetretenen Senator und früheren Vizepräsidenten der DA, Karl Haushofer, und seines ehemaligen Studenten Rudolf Heß zurück, die gegen den Widerstand des Generalsekretärs Thierfelder die Politisierung der Akademie und die Einführung des "Führerprinzips" in der Satzung erzwangen. Das Resümee von Michels lautet dazu: "Es gab also zumindest im Frühjahr 1937 noch einen Rest von Selbstbestimmung in der Akademie." Dafür hatte sich Thierfelder, der kein Nationalsozialist war, bis zu seinem Ausscheiden Ende 1937 wiederholt eingesetzt. Anschließend wurde die DA unter der Präsidentschaft des bayerischen Ministerpräsidenten Ludwig Siebert und nach dessen Tod 1942 von Arthur Seyß-Inquart ganz auf NS-Kurs gebracht. Hier erwies sich jedoch, daß die noch von Thierfelder eingeleitete Spracharbeit des Goethe-Instituts im Ausland auch der Deutschen Akademie eine unentbehrliche Funktion gesichert hatte, die das Auswärtige Amt mit Unterstützung des Reichspropagandaministeriums finanziell förderte: bis zum Jahr 1944 bei 250 deutschen Sprachschulen in Europa jährlich mit dem Zweiunddreißigfachen des Etats von 1936/37. Darüber hinaus machte die Wilhelmstraße seit der Ernennung Joachim von Ribbentrops zum Reichsaußenminister jedoch immer massivere politische und ideologische Vorgaben.
Michels veranschaulicht die Sprachenpolitik der Deutschen Akademie und ihres 1932 geschaffenen Goethe-Instituts innerhalb des polykratischen Gerangels des NS-Staats. Er vergleicht zudem über die Zeitwende von 1945 hinweg die alten und neuen Methoden der Sprachvermittlung und arbeitet heraus, wie nach Kriegsende die Grundsätze der Gegenseitigkeit, der Begegnung und der geistigen Zusammenarbeit im neuen Goethe-Institut von 1951 zum Zuge kamen. Die verschiedenen Versuche, die Deutsche Akademie nach 1945 wiederzubeleben, standen in erster Linie unter dem Aspekt, ihren nicht unbeträchtlichen Vermögensnachlaß für kulturpolitische Zwecke (eventuell für das Goethe-Institut) zu erhalten. Das gelang nur zu einem kleineren Teil.
Die von den Leitern der Kulturabteilung im Bonner Auswärtigen Amt seit 1951 (besonders von Dieter Sattler) durchgesetzte Zusammenfassung aller Auslandsinstitute des Auswärtigen Amts selbst und der alten Deutschen Akademie im neuen Goethe-Institut und die relative Autonomie dieser (im wesentlichen vom AA finanzierten) "Mittlerorganisationen" interpretiert Michels als das Ergebnis eines dynamischen überepochalen Lernprozesses der deutschen Außenpolitik während der letzten hundert Jahre.
KURT DÜWELL
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
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