Als Freiherr Franz von Arten gegen Ende des 18. Jahrhunderts selbstherrlich auf Schloss Richten über den mehr als ansehnlichen Familienbesitz gebietet, herrscht für den Adel noch das goldene Zeitalter. Zwar sind die Standesunterschiede noch tief in der Gesellschaft verwurzelt, doch kann die Aristokratie sich über diese ohne Weiteres hinwegsetzen, wo sie es für angebracht hält. So auch der Freiherr: in einer unbesonnenen Stunde lässt er sich auf eine kurze, aber leidenschaftliche Affäre mit der blutjungen bürgerlichen Pauline, die eigentlich seinem Schutz anbefohlen worden war, ein. Dass aus dieser Liebschaft ein Sohn hervorgeht, kann den Freiherrn nicht aus der Ruhe bringen, denn der Adel ist es gewohnt, ganz andere Probleme zu lösen. Es wird dies nicht die letzte Fehleinschätzung des Freiherrn sein, denn in der Folge der Ereignisse, in denen dem unehelichen Sohn Paul eine entscheidende Bedeutung zukommt, deutet sich bereits an, was die die französische Revolution im historischen Maßstab unmissverständlich deutlich macht: das goldene Zeitalter der Aristokratie neigt sich unwiederbringlich dem Ende zu, und selbst das Undenkbare, der Untergang derer von Arten, ist plötzlich kein bloßes Schreckgespenst mehr, sondern scheint unausweichlich, wenn die Familienmitglieder nicht in der Lage sind, die Zeichen der Zeit zu erkennen. Im Spannungsfeld zwischen der einfachen, aber aufstrebenden ländlichen Bevölkerung, in der die Erinnerungen an Leibeigenschaft und Frondienste noch sehr lebendig sind, und einer Aristokratie, die selbst angesichts der gewaltsamen Ereignisse der französischen Revolution nur langsam und widerwillig den Wandel der Zeit und die Verschiebung grundlegender gesellschaftlicher Verhältnisse wahrzunehmen vermag, sich aber dennoch oft unfähig zeigt, die Tragweite der historischen Umwälzungen zu erkennen und entsprechend zu handeln, siedelt Lewald ihre Familienchronik "Von Geschlecht zu Geschlecht" an. Dabei braucht der Roman den Vergleich mit Werken wie beispielsweise Elisabeth Gaskells "Frauen und Töchter" nicht zu scheuen, sondern geht vielmehr in einigen Aspekten weit über die häufig einseitigen Betrachtungen gesellschaftlicher Verhältnisse und Entwicklungen sowie die Fixierung auf einzelne Aspekte und Befindlichkeiten der Protagonisten hinaus. Lewald entwirft ein Zeitgemälde, das oberflächlich betrachtet seine Dynamik in erster Linie aus den historischen Ereignissen während und nach der französischen Revolution bezieht, jedoch durch seine gekonnten, einfühlsamen Charakterzeichnungen und gefühlvollen Schilderungen der Motive, Hoffnungen und Ängste der handelnden Personen viel tiefere Einsichten vermittelt, als dies ein historischer Roman üblicherweise vermag. Der Diplomat und Historiker Kurd von Schlözer urteilte über das Werk: "[...] das Buch ist meisterhaft gearbeitet und jeder Charakter so trefflich gezeichnet, dass man unwillkürlich den ganzen Tag mit den Personen lebt." Fanny Lewald (1824-1889) setzte sich nicht nur in ihren Büchern für Frauenrechte ein und bezog Stellung zu kontroversen gesellschaftlichen Themen wie Zwangsverheiratung und Scheidungsverbot; die oft als "deutsche George Sand" bezeichnete Schriftstellerin gründete darüber hinaus einen einflussreichen politisch-literarischen Salon und widmete sich zeitlebens der kritischen Analyse der Traditionen, Konventionen und politischen Ereignisse ihrer Zeit. Überarbeitete Fassung mit zusätzlichen Anmerkungen.
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