»Als jemand, der gerne politische Bücher liest, kann ich Ihnen >Von hier an anders< nur ans Herz legen.« Jörg Thadeusz, WDR 2. Es war keine intakte, heile, sichere Welt, in die die Coronapandemie einbrach. Schon zuvor war die Normalität in der Krise und die gesellschaftliche Gereiztheit nahm zu. In seinem klugen und nachdenklichen SPIEGEL-Bestseller erkundet Robert Habeck die Gründe für den Verlust an Selbstverständlichem und entwirft eine Politik, die den Problemen unserer Zeit angemessen ist. Ausgehend von persönlichen Erfahrungen der letzten Jahre sucht Robert Habeck Antworten auf die Frage, warum der Erfolg der liberalen Demokratie zum Misserfolg zu werden droht. Selbstkritisch tastet er sich an die blinden Flecken der Politik der letzten Jahrzehnte und ihre Widersprüche heran. Und plädiert für eine Politik, die nicht mehr nur reparieren will, sondern die die Probleme und Verluste des Fortschritts möglichst gar nicht erst entstehen lässt. Denn, so Habeck: Wenn wir der Erosion der Demokratie, dem Vertrauensverlust in die Politik, dem Auseinanderfallen Europas und nicht zuletzt der Klimakrise entgegenwirken wollen, dann können wir das tun. Und damit einen neuen gesellschaftlichen Konsens schaffen. »Ein beeindruckendes Buch« Giovanni di Lorenzo, Radio Bremen 3nach
Dieser Download kann aus rechtlichen Gründen nur mit Rechnungsadresse in A, B, CY, D, DK, EW, E, FIN, F, GR, IRL, I, L, M, NL, P, S, SLO, SK ausgeliefert werden.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensent Matthias Wyssuwa nimmt es Robert Habeck nicht übel, dass er ziemlich feierlich und als großer Versteher rüberkommt in seinem neuen Buch, schließlich ist immer Wahlkampf. Genau zu lesen, empfiehlt der Rezensent Grünen und ihren Fans daher. Zwischen Habecks Schwiegereltern-Anekdoten entdeckt Wyssuwa interessante Gedanken zur Spaltung der Gesellschaft, zu den weniger schönen Seiten des Kapitalismus und über Habecks Ansichten zur "Spirale der Abwertung". Ob Habeck nun Kanzler macht oder nicht, steht für Wyssuwa höchstens zwischen den Zeilen.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.04.2021Im Paternoster
Wie Robert Habeck im Wahljahr die "blinden Flecken" seiner eigenen politischen Vorstellungen ausleuchtet
In knapp einer Woche ist klar, wie hektisch die nächsten Wochen für Robert Habeck werden. Am Montag wollen die Grünen bekanntgeben, ob er die Partei als Kanzlerkandidat in den Wahlkampf führen soll oder ob es seine Ko-Parteivorsitzende Annalena Baerbock macht. Der Ausgang ist unsicher, und ob es überhaupt etwas wird mit dem Kanzleramt, ist es ungleich mehr. Sicher scheint nur, dass ein Buch in den Bestsellerlisten zulegen dürfte, wenn Habeck antritt: "Von hier an anders" heißt es, Habeck hat es in diesem Jahr vorgelegt. Eine "politische Skizze" soll es sein, ein "persönliches Buch über ein politisches Problem". Es ist vor allem eine Vermessung des politischen und gesellschaftlichen Raumes, wie Habeck ihn wahrnimmt, wie er ihn ändern will - und wo er sich darin sieht. Das klingt auf gut 370 Seiten mehr nach Gauck als Merkel, mehr nach Feiertagsrede als Regierungserklärung. Aber es verrät doch etwas über den Autor. Habeck präsentiert sich nicht nur als ein fast Alleserklärer, sondern auch ein so ziemlich Jedenversteher. Und bei manchen Passagen sollten die Grünen und ihre Anhänger ganz genau lesen.
Mit Büchern von und über Politiker in Wahljahren ist es nicht so einfach. Natürlich lässt sich nicht ausblenden, dass der Autor nicht nur seine politischen Gedanken ausführt, sondern sich auch dem Wähler präsentiert. Ohnehin, sollte Habeck antreten, dürfte es bislang kaum einen Kandidaten gegeben haben, der sich und seine Überlegungen so früh so ausführlich und in so vielen Büchern präsentiert hat. Vor seiner Zeit als Berufspolitiker hat er mit seiner Frau Bücher geschrieben. Seit er in Schleswig-Holstein die ersten Stufen der Karriereleiter in Partei und Landespolitik bis zum Landwirtschaftsminister genommen hat, folgten Bücher über "Verwirrte Väter", den Patriotismus, über die Bedeutung der Sprache in der Demokratie und über ihn, Habeck, und die Politik: "Wer wagt, beginnt". Olaf Scholz hat 2017 sein "Hoffnungsland" vorgelegt, dass Armin Laschet sich als Autor über die Chancen der Zuwanderung ("Die Aufsteigerrepublik") oder als Herausgeber zu Europa geäußert hat, ist noch länger her, und von Markus Söder ist Vergleichbares nicht veröffentlicht. Und auch wenn manche Baerbock für die angebliche Favoritin für die Kandidatur halten, hat sie zumindest noch kein Buch dazu vorgelegt.
Nun also "Von hier an anders", und es beginnt tatsächlich persönlich, mit einer Zugfahrt, gerade als die Pandemie Deutschland trifft, und Sätzen wie: "Meine Arbeit, ja meine Vorstellung von Politik ist, die Distanz zwischen Menschen, die Distanz zwischen den Typen, die man aus dem Fernsehen kennt, und denjenigen, die von politischen Entscheidungen betroffen sind, zu verringern, nahbar zu sein, Nähe zuzulassen, Kontakte und Begegnungen zu ermöglichen und zu erleben." Also nicht "die da oben" sein, nicht "die in der Blase", so habe man auch die Arbeit an der Spitze der Grünen angelegt. Immer wieder werden solche mehr oder weniger subtilen Bodenhaftungsbeweise eingeführt, von Zuggeschichten bis zu Abenden bei den Schwiegereltern mit Zwiebelmett und Bier. Trotzdem steigt Habeck bald in höhere Höhen, und da wird es interessant. Er leuchtet einen "blinden Fleck" seiner politischen Vorstellung aus, auch vorsichtige Selbstkritik ist schließlich eine Tugend. Bewegt vom Hass, vom schwindenden Grundkonsens in der Gesellschaft und dem drohenden Vertrauensverlust in demokratische Institutionen, macht er sich auf den Weg, zu ergründen, warum die Erfolge der liberalen Demokratie und des Fortschritts, den Misserfolg auch in sich tragen. Wie man also dem Paradox begegnen kann, dass gesellschaftlicher Aufstieg und Abstieg einander bedingen, so wie es bei einem Paternoster zugleich hinauf- und hinabgeht.
So geht es in den folgenden Kapiteln weiter, von Überlegungen zu möglichen Kehrseiten von Erfolgen, den Spaltungen in der Gesellschaft bei kulturellen Fragen, dem Stadt-Land-Gegensatz oder Bildungsauf- und abstiege, über Betrachtungen zu den Effekten des Kapitalismus, der vielleicht tatsächlich "unkaputtbar" sei, aber doch formbar - und das nicht nur mit Verboten -, bis hin zu modernen Beteiligungsformen wie Bürgerräte. Überraschungen oder Aufreger sind nicht dabei, wie überhaupt die Flughöhe selten wieder verlassen wird, um einzelne, ganz konkrete Forderungen für einen Wahlkampf abzuleiten. Dafür lesen sich manche Anekdoten und Gedankengänge aber auch interessanter als reine Wahlprogrammprosa. Das gilt vor allem für das Paternoster-Bild, um das Habeck immer wieder kreist, das er nicht nur materiell, sondern auch kulturell ergründet, und sich jenen widmet, die hinabfahren oder es zumindest so empfinden. Wenn man davon ausgeht, dass die Grünen und ihre Anhänger eher bei denen zu finden sind, für die es hinaufgeht, wirbt er also um Verständnis für die Situation jener, die nicht zum klassischen Milieu der Partei gehören. Es geht um eine "Spirale der Abwertung" und Würde. Es geht darum, dass, obwohl die "ökologische Uhr" ablaufe, es bei all den notwendigen Transformationsprozessen nicht passieren dürfe, dass "dabei weite Teile der Gesellschaft für die Demokratie verlorengehen". Da dürfen sich auch Grünen-Anhänger angesprochen fühlen und all jene, die manchmal mit rigider Absolutheit und Ungeduld ihre (klimapolitischen) Forderungen vortragen.
Das gilt auch für Habecks Ausführungen mit Blick auf Identitätspolitik und das Problem der Repräsentation - wenn jede Gruppe nur für sich kämpfe und jeder nur an sich denke, sei noch lange nicht an alle gedacht -, zu einem "linken Patriotismus oder seinen Gedanken zur Macht. Denn die sei zwar in seinem Milieu noch ein "verpöntes Wort", aber gerade progressive Kräfte müssten Macht wollen, "Macht auch können und dabei Institutionen respektieren". Ob er als Kanzlerkandidat danach streben will, beantwortet er in dem Buch nicht. Aber wer will, kann viel hineinlesen, in beide Richtungen. Zum Beispiel, mal völlig aus dem Kontext gerissen, in diesen: "Manchmal beweist sich die eigentliche Stärke am ehesten, wenn man anderen den Vortritt lässt."
MATTHIAS WYSSUWA
Robert Habeck: Von hier an anders. Eine politische Skizze.
Kiepenheuer & Witsch, Köln 2021. 384 S., 22,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Wie Robert Habeck im Wahljahr die "blinden Flecken" seiner eigenen politischen Vorstellungen ausleuchtet
In knapp einer Woche ist klar, wie hektisch die nächsten Wochen für Robert Habeck werden. Am Montag wollen die Grünen bekanntgeben, ob er die Partei als Kanzlerkandidat in den Wahlkampf führen soll oder ob es seine Ko-Parteivorsitzende Annalena Baerbock macht. Der Ausgang ist unsicher, und ob es überhaupt etwas wird mit dem Kanzleramt, ist es ungleich mehr. Sicher scheint nur, dass ein Buch in den Bestsellerlisten zulegen dürfte, wenn Habeck antritt: "Von hier an anders" heißt es, Habeck hat es in diesem Jahr vorgelegt. Eine "politische Skizze" soll es sein, ein "persönliches Buch über ein politisches Problem". Es ist vor allem eine Vermessung des politischen und gesellschaftlichen Raumes, wie Habeck ihn wahrnimmt, wie er ihn ändern will - und wo er sich darin sieht. Das klingt auf gut 370 Seiten mehr nach Gauck als Merkel, mehr nach Feiertagsrede als Regierungserklärung. Aber es verrät doch etwas über den Autor. Habeck präsentiert sich nicht nur als ein fast Alleserklärer, sondern auch ein so ziemlich Jedenversteher. Und bei manchen Passagen sollten die Grünen und ihre Anhänger ganz genau lesen.
Mit Büchern von und über Politiker in Wahljahren ist es nicht so einfach. Natürlich lässt sich nicht ausblenden, dass der Autor nicht nur seine politischen Gedanken ausführt, sondern sich auch dem Wähler präsentiert. Ohnehin, sollte Habeck antreten, dürfte es bislang kaum einen Kandidaten gegeben haben, der sich und seine Überlegungen so früh so ausführlich und in so vielen Büchern präsentiert hat. Vor seiner Zeit als Berufspolitiker hat er mit seiner Frau Bücher geschrieben. Seit er in Schleswig-Holstein die ersten Stufen der Karriereleiter in Partei und Landespolitik bis zum Landwirtschaftsminister genommen hat, folgten Bücher über "Verwirrte Väter", den Patriotismus, über die Bedeutung der Sprache in der Demokratie und über ihn, Habeck, und die Politik: "Wer wagt, beginnt". Olaf Scholz hat 2017 sein "Hoffnungsland" vorgelegt, dass Armin Laschet sich als Autor über die Chancen der Zuwanderung ("Die Aufsteigerrepublik") oder als Herausgeber zu Europa geäußert hat, ist noch länger her, und von Markus Söder ist Vergleichbares nicht veröffentlicht. Und auch wenn manche Baerbock für die angebliche Favoritin für die Kandidatur halten, hat sie zumindest noch kein Buch dazu vorgelegt.
Nun also "Von hier an anders", und es beginnt tatsächlich persönlich, mit einer Zugfahrt, gerade als die Pandemie Deutschland trifft, und Sätzen wie: "Meine Arbeit, ja meine Vorstellung von Politik ist, die Distanz zwischen Menschen, die Distanz zwischen den Typen, die man aus dem Fernsehen kennt, und denjenigen, die von politischen Entscheidungen betroffen sind, zu verringern, nahbar zu sein, Nähe zuzulassen, Kontakte und Begegnungen zu ermöglichen und zu erleben." Also nicht "die da oben" sein, nicht "die in der Blase", so habe man auch die Arbeit an der Spitze der Grünen angelegt. Immer wieder werden solche mehr oder weniger subtilen Bodenhaftungsbeweise eingeführt, von Zuggeschichten bis zu Abenden bei den Schwiegereltern mit Zwiebelmett und Bier. Trotzdem steigt Habeck bald in höhere Höhen, und da wird es interessant. Er leuchtet einen "blinden Fleck" seiner politischen Vorstellung aus, auch vorsichtige Selbstkritik ist schließlich eine Tugend. Bewegt vom Hass, vom schwindenden Grundkonsens in der Gesellschaft und dem drohenden Vertrauensverlust in demokratische Institutionen, macht er sich auf den Weg, zu ergründen, warum die Erfolge der liberalen Demokratie und des Fortschritts, den Misserfolg auch in sich tragen. Wie man also dem Paradox begegnen kann, dass gesellschaftlicher Aufstieg und Abstieg einander bedingen, so wie es bei einem Paternoster zugleich hinauf- und hinabgeht.
So geht es in den folgenden Kapiteln weiter, von Überlegungen zu möglichen Kehrseiten von Erfolgen, den Spaltungen in der Gesellschaft bei kulturellen Fragen, dem Stadt-Land-Gegensatz oder Bildungsauf- und abstiege, über Betrachtungen zu den Effekten des Kapitalismus, der vielleicht tatsächlich "unkaputtbar" sei, aber doch formbar - und das nicht nur mit Verboten -, bis hin zu modernen Beteiligungsformen wie Bürgerräte. Überraschungen oder Aufreger sind nicht dabei, wie überhaupt die Flughöhe selten wieder verlassen wird, um einzelne, ganz konkrete Forderungen für einen Wahlkampf abzuleiten. Dafür lesen sich manche Anekdoten und Gedankengänge aber auch interessanter als reine Wahlprogrammprosa. Das gilt vor allem für das Paternoster-Bild, um das Habeck immer wieder kreist, das er nicht nur materiell, sondern auch kulturell ergründet, und sich jenen widmet, die hinabfahren oder es zumindest so empfinden. Wenn man davon ausgeht, dass die Grünen und ihre Anhänger eher bei denen zu finden sind, für die es hinaufgeht, wirbt er also um Verständnis für die Situation jener, die nicht zum klassischen Milieu der Partei gehören. Es geht um eine "Spirale der Abwertung" und Würde. Es geht darum, dass, obwohl die "ökologische Uhr" ablaufe, es bei all den notwendigen Transformationsprozessen nicht passieren dürfe, dass "dabei weite Teile der Gesellschaft für die Demokratie verlorengehen". Da dürfen sich auch Grünen-Anhänger angesprochen fühlen und all jene, die manchmal mit rigider Absolutheit und Ungeduld ihre (klimapolitischen) Forderungen vortragen.
Das gilt auch für Habecks Ausführungen mit Blick auf Identitätspolitik und das Problem der Repräsentation - wenn jede Gruppe nur für sich kämpfe und jeder nur an sich denke, sei noch lange nicht an alle gedacht -, zu einem "linken Patriotismus oder seinen Gedanken zur Macht. Denn die sei zwar in seinem Milieu noch ein "verpöntes Wort", aber gerade progressive Kräfte müssten Macht wollen, "Macht auch können und dabei Institutionen respektieren". Ob er als Kanzlerkandidat danach streben will, beantwortet er in dem Buch nicht. Aber wer will, kann viel hineinlesen, in beide Richtungen. Zum Beispiel, mal völlig aus dem Kontext gerissen, in diesen: "Manchmal beweist sich die eigentliche Stärke am ehesten, wenn man anderen den Vortritt lässt."
MATTHIAS WYSSUWA
Robert Habeck: Von hier an anders. Eine politische Skizze.
Kiepenheuer & Witsch, Köln 2021. 384 S., 22,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
»Eine politische Skizze, die unaufgeregt und selbstkritisch geschrieben ist - und dadurch gewinnt.« Ernst Rommeney Publik-Forum 20210528